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#MeToo-Affäre in der LinksparteiEin kultureller Wandel ist nötig

Simone Schmollack
Kommentar von Simone Schmollack

Mit der MeToo-Affäre in den eigenen Reihen könnte die Linkspartei in der Bedeutungslosigkeit versinken.

#MeToo-Bewegung macht auf sexuelle Übergriffe aufmerksam Foto: Ted S. Warren/dpa

Sag nix, es ist irre.“ Und „Du Hengst! Du Sugardaddy! Du Roman Polanski!“ Bei solchen Sätzen muss man nicht lange grübeln, worum es in der Unterhaltung geht. Auf jeden Fall um Sex. Im schlimmsten Fall um sexuelle Gewalt. In diesem Fall um die Linkspartei. Die Sätze stammen aus einem Chatverlauf zweier Männer, von denen der eine, der Prahler, der „Hengst“, der „Sugardaddy“, eine bekannte Figur in der hessischen Linken ist und der andere dessen Bekannter. Mit der Enthüllung dieser widerlichen Details hat die Partei nun ihre ganz eigene #MeToo-Affäre. Warum ausgerechnet diese in der Selbst- und Außendarstellung feministische Partei?

Warum nicht? Die Linkspartei ist eine Organisation, wie andere Organisationen auch. Mit klassischen Hierarchien und Abhängigkeitsverhältnissen, mit Menschen, die sich wichtig (und wichtiger) nehmen, die Kon­kur­ren­t:in­nen fertigmachen. Die eigene Strahlkraft für politische oder – wie in diesem Fall – private Zwecke nutzen. Mit Menschen, die fertiggemacht werden und sich schlecht zur Wehr setzen können. Daran ändert offenbar auch das feministische Profil der Partei nichts.

Aber ist es tatsächlich so einfach? Auf den ersten Blick scheint die Sache klar: Ein älterer Mann nutzt seinen Bekanntheitsgrad, seine Lebenserfahrungen, seine Machtposition aus, um sich an eine Untergebene ranzumachen, die zu diesem Zeitpunkt auch noch minderjährig ist. Das geht gar nicht, so viel ist klar. Zudem sollte Opfern körperlicher, psychischer, sexueller Übergriffe zunächst unvoreingenommen zugehört und geglaubt werden. Nur spielen bei Vorwürfen dieser Art viele weitere Fragen eine Rolle, auf die es in diesem Fall bislang keine eindeutige Antwort gibt. Was ist genau passiert? Wer hat davon gewusst? Wer hat eingegriffen? Und wer zugeschaut? Wer hat welche politischen Interessen innerhalb der Partei? Und setzt dafür welche Mittel ein?

Um das zu klären, verweist die Bundespartei auf eine sogenannte Vertrauensgruppe im Parteivorstand. Und neuerdings auch auf einen unabhängigen Expertenrat, der eingesetzt werden soll. Der ist auch nötig. Um Machtstrukturen, die Missbrauch jeglicher Art erlauben, zu analysieren und aufzulösen, bedarf es professioneller und vor allem unabhängiger Hilfe von außen. Das ist kein Prozess, der sich mal eben von heute auf morgen erledigt. Da reicht auch kein Verhaltenskodex, da ist ein kultureller Wandel nötig. Was allerdings schon jetzt feststehen dürfte: Mit dieser #MeToo-Affäre schlittert die Linkspartei in eine massive Krise. Und am Ende möglicherweise in die Bedeutungslosigkeit.

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Simone Schmollack
Ressortleiterin Meinung
Ressortleiterin Meinung. Zuvor Ressortleiterin taz.de / Regie, Gender-Redakteurin der taz und stellvertretende Ressortleiterin taz-Inland. Dazwischen Chefredakteurin der Wochenzeitung "Der Freitag". Amtierende Vize-DDR-Meisterin im Rennrodeln der Sportjournalist:innen. Autorin zahlreicher Bücher, zuletzt: "Und er wird es wieder tun" über Partnerschaftsgewalt.
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8 Kommentare

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  • Ich möchte glauben, dass Janine Wissler, den Ablauf so schildert wie sie ihn erlebt hat. Musste sie nach einem Anruf, der bei ihr Enttäuschung und Wut auslöste, erkennen, dass die Person dahinter, sich aus Not, Angst und Hilfesuchen an sie wandte? Hier eine kühle Rationalität einzufordern verlangt schon sehr viel. Dass sie den Nissbrauchsvorwurf, dann später zur Aufarbeitung, an andere weiterleitete erscheint mir verständlich. Bei solch einer emotionalen Verstrickung kann man schwerlich ohne weitere Verletzungen und Widersprüche hervorgehen.

  • Ach herrje, die erste Partei, die sich damit auseinandersetzen muss, ist dann auch als erste damit fertig.



    Die Wählerinnen sind offensichtlich dumm. Die Linke macht seit Jahren eine hervorragende Arbeit in den Parlanenten und ist die einzige Partei, welche radikal genug wäre, die gravierenden Veränderungen unserer Zeit zu gestalten und nicht diesen hinterher zu laufen.



    Sicherlich hat die Linkspartei auch Probleme mit subversiven Rechten in den eigenen Reihen usw aber die fliegen dann auch kurzfristig raus.



    Anders als Palmer, Sarrazin, Seehofer, Maaßen etc. Jede Partei hat ihre schädlichen Rechtsausleger und Frauenfeinde, die CDU besteht ausschließlich aus solchen Charakteren.



    Wo ist jetzt das Parteiproblem? Gibt es eine akzeptierende Kultur in der Partei? Stellt sich der Ortsverband hinter sein Mitglied?



    Was ist eigentlich der Skandal? Sich mit Erfolg zu rühmen ist vielleicht eitel aber doch nicht übergriffig...

    • @KnorkeM:

      Sarrazin würde aus der SPD ausgeschlossen.

  • Die Partei setzt auf selbstorganisierte Aufklärung: "sogenannte Vertrauensgruppe", "unabhängiger Expertenrat" usw. Das kann nur schiefgehen und ist per se unglaubwürdig.



    Sie geht damit denselben irrweg wie die katholische Kirche, die seit Jahrzehnten versucht, mit eigenen Gremien und selbsteingesetzten Vertrauensleuten Aufklärung zu betreiben. Ein Irrweg, weil diese Instanzen so niemals unabhängig sein können. Die einzige wirklich unabhängige Instanz wäre die Justiz einzuschalten, d.h. Anzeige bei Polizei oder Staatsanwaltschaft.

  • Der Verweis auf klassische Organisationen mit klassischen Hierarchien und Abhängigkeitsverhältnissen sollte genügen, den Weg frei zu machen für neuwertige Organisationen mit neuwertigen Abläufen und neuwertigen Verhältnissen. Beendet das Gruseltheater, bevor wir eine Kirche herum bauen müssen. Für erfolglose Versuche der Opposition (Grüne, Linke, FDP, Piraten) tut einem leid, daß sie ständig am Parteienproporz scheitern müssen. Vor allem wenn man sieht, wie im Establishment gewirtschaftet wird.

  • nunja. wir kennen doch alle diese linken macker, die flinta übergehen, betroffene überbrüllen; die sich feministisch nennen, bis es darum geht, ihre misogynie zu hinterfragen. links heißt eben nicht automatisch feministisch oder aufgeklärt.

    • @herstory:

      So isses.

      Und in einer Partei, die in Teilen einer Ideologie (Putinismus) zugeneigt ist, die man im Grunde als "hochreines toxisches-Männlichkeits-Destillat" zusammenfassen kann, ist es geradezu die Nullhypothese, dass dort solche Männerbünde florieren.

      Aber immerhin wurden sie jetzt entlarvt. Zu spät, aber besser spät als nie. Was bei der Weißbierpartei oder bei der Dirndlausfüllerpartei in dieser Hinsicht läuft, kann mensch sich ja vorstellen (falls mensch das möchte). Ob es bei diesen Parteien je öffentlich wird? Es wäre zu hoffen. Aber Täterschutz ist das Brot und Butter der Rechtsparteien.

  • Wieso gibt es dazu nichts zu sagen ?