Maßnahmen gegen Energiekrise: Den Krisengewinnern an den Kragen
Mit einer Krisenabgabe will die EU-Kommission Profite von Energiekonzernen kassieren und so Haushalte entlasten. Die Pläne sind jedoch noch vage.
Russland manipuliere den Gasmarkt weiterhin, sagte sie. „Es fackelt Gas lieber ab, anstatt es zu liefern. Dieser Markt funktioniert nicht mehr.“ Im Vergleich zu vor der Pandemie seien die Gaspreise um das Zehnfache gestiegen. Millionen von Haushalten und Unternehmen hätten Angst, nicht mehr über die Runden zu kommen. Zwar hätten die Mitgliedsstaaten bereits Milliarden Euro dafür mobilisiert, aber das reiche nicht. „Deshalb schlagen wir eine Obergrenze für die Einnahmen von Unternehmen vor, die Strom zu niedrigen Kosten erzeugen“, sagte sie.
Hintergrund sind die sehr hohen Gewinne, die zurzeit etwa im Feld der erneuerbaren Energien aufgrund des in der EU geltenden Merit-Order-Prinzips entstehen: Der Strompreis hängt von dem am teuersten produzierenden Kraftwerk ab. Diesen Preis erhalten alle Erzeuger, auch wenn sie sehr niedrige Kosten haben. Weil Gaskraftwerksbetreiber ihr Brennmaterial zu extrem hohen Preisen einkaufen müssen, bekommen deshalb zurzeit auch etwa Erzeuger von Sonnen- oder Windenergie extrem hohe Vergütungen, obwohl ihre Kosten niedrig geblieben sind.
Die Mitgliedstaaten sollen die aus der Gewinnobergrenze fließenden 140 Milliarden Euro an Haushalte und Unternehmen weitergeben. Die EU-Energieminister:innen haben sich darauf bereits in der vergangenen Woche verständigt. Sie hatten die Kommission aufgefordert, dazu einen Vorschlag zu unterbreiten. Die Kommission wird eine Verordnung auf den Weg bringen, die für die Mitgliedstaaten bindend ist. Zu den vorgeschlagenen, kurzfristigen Maßnahmen gehört unter anderem die Reduzierung des Verbrauchs: Die Kommission schlägt den Mitgliedern vor, den Stromverbrauch bis zum März um 10 Prozent zu senken.
Umfassende Strommarkt-Reform
Auch Öl-, Gas- und Kohleunternehmen sollen sich an der Finanzierung der Krise beteiligen. „Sie müssen eine Krisenabgabe leisten“, sagte von der Leyen. Die Abgabe soll nach Angaben der Kommission von den Mitgliedstaaten auf Gewinne im Jahr 2022 erhoben werden, die 20 Prozent über dem Überschuss der vergangenen drei Jahre liegen.
Außerdem will von der Leyen mittelfristig den Strommarkt „einer tiefen und umfassenden Reform unterziehen“. Der Strompreis soll vom Gaspreis entkoppelt werden. Das Merit-Order-Prinzip werde den Interessen der Verbraucher:innen nicht mehr gerecht, sagte von der Leyen.
Die Vorhaben auf EU-Ebene entsprächen den Plänen der Bundesregierung, sagte eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums. Die Bundesregierung hat sich außerdem für eine Strompreisbremse auf europäischer Ebene ausgesprochen – von der die Kommissionspräsidentin nicht gesprochen hat. Der Plan der deutschen Regierung: Stromvertriebe werden verpflichtet, Verbraucher:innen einen bestimmten Grundbedarf – den Basisverbrauch – zu einem vergünstigten Preis zur Verfügung zu stellen.
Für den Verbrauch oberhalb dieses Kontingents wird der hohe Marktpreis fällig. Der Basisverbrauch wird vom Staat subventioniert. Zurzeit gibt es Gespräche der Bundesregierung mit der EU über diese Fragen, sagte die Sprecherin. Wann mit Ergebnissen zu rechnen ist, ist unklar. Gibt es auf europäischer Ebene dazu keine Einigung, will die Bundesregierung eine deutsche Lösung.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren
Energiewende in Deutschland
Erneuerbare erreichen Rekord-Anteil
Tod des Fahrradaktivisten Natenom
Öffentliche Verhandlung vor Gericht entfällt
Lateinamerika und Syrien
Assads Freunde
Wahlprogramm der FDP
Alles lässt sich ändern – außer der Schuldenbremse