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Maskottchen in Kornwestheim demoliertLurchi muss ins Rathaus

Das Wahrzeichen des schwäbischen Kornwestheims ist der Feuersalamander Lurchi. Vor kurzen bekam er eine Statue – doch die wurde gleich demoliert.

Lurchi, das Maskottchen der Schuhfirma Salamander, gibt es in seiner ehemaliger Heimatstadt Kornwestheim sogar als Statue Foto: Bernd Thissen/dpa

Kornwesthein taz | Im Stuttgarter Vorort Kornwestheim herrscht blankes Entsetzen. Am Stadtparksee wurde das lokale Aushängeschild, die Comicfigur „Lurchi“, von Unbekannten beschädigt. Die 1,90 Meter große und 20 Kilo schwere schwarz-gelbe Kunststofffigur wurde komplett aus der Verankerung gerissen. Bereits zuvor war die weiße Feder am grünen Hut der Figur gestohlen worden. Das Polizeirevier Kornwestheim ermittelt wegen Sachbeschädigung und sucht Zeugen. Die Höhe des Sachschadens an der Figur ist noch nicht bekannt.

Lurchi, ein sprechender Feuersalamander, ist als Ikone der Schuhfirma Salamander der berühmteste Sohn der Stadt. Gut, es gibt noch den Pfarrer und Ingenieur Philipp Matthäus Hahn (1739–1790), der Uhren, Waagen sowie astronomische Maschinen erfand und dem in seinem ehemaligen Wohnhaus in der Pfarrstraße 7 ein kleines Museum gewidmet ist.

Das ist jedoch nichts gegen Lurchi, das Aushängeschild der Schuhfirma Salamander. Das Unternehmen hatte seine beste Zeit im Jahr 1967, als es am Standort Kornwestheim 11.000 Mitarbeiter beschäftigte und 13,5 Millionen Paar Schuhe produzierte. Ab 1971 bekam die Firma unliebsame Konkurrenz von ausländischen Billigherstellern, 2008 wurde der Sitz der Salamander AG schließlich nach Offenbach am Main verlegt. Seitdem ist das Areal in Kornwestheim ein Monument der Industriearchitektur.

Der pfiffige Feuersalamander Lurchi aber blieb. Mit seinen fünf Freunden, dem Frosch Hopps, dem Zwerg Piping, dem Mäuserich Mäusepiep, dem Igel Igelmann und der Gelbbauchunke Unkerich, bestand er im Laufe der Jahre viele Abenteuer. Nachlesen konnte man diese in mittig gehefteten Bändchen mit jeweils acht bunten Doppelseiten im DIN-A5-Format, in Schreibschrift und durchweg in einfachen Reimen verfasst.

Geschenk zum Schuheinkauf

Das Heft richtete sich an Kinder im Grundschulalter, viele gingen mit ihren Eltern zum Schuheinkauf in die Salamander-Filialen nur mit, weil es ein Lurchi-Heftchen dazu gab. Seit gut 20 Jahren ist die Figur auch das Maskottchen des Basketball-Bundesligisten im benachbarten Ludwigsburg. Lurchi wirft Körbe und animiert die Fans.

Genügend Gründe also, dem Feuersalamander in Kornwestheim am Stadtparksee ein Denkmal zu setzen, das im Dezember in einer kleinen Zeremonie feierlich enthüllt wurde. Lurchi saß in aufmerksamer Haltung am Ufer und schaute aufs Wasser.

Nur vier Tage später dann die Sachbeschädigung durch Unbekannte. Oberbürgermeister Nico Lauxmann meldete sich zu Wort: Er sei traurig, wütend und fassungslos.

Provinzielles Theater

Doch es gibt auch andere Stimmen in der Stadt. Ein provinzielles Theater werde da aufgeführt, man habe doch Wichtigeres in der Stadt zu tun. Etwa die Sorge um steigende Mieten, die soziale Ungleichheit, fehlende Kita-Plätze, die vielen Baustellen, den Klimawandel und überhaupt. Stattdessen werde die Beschädigung zu einem politischen Großereignis erklärt.

Böse Zungen werfen der Stadt eine naive Sicht der Dinge vor. Warum habe man sich nicht vorher genügend Gedanken über einen besseren Standort für Lurchi gemacht als ausgerechnet den Stadtpark? Man kenne doch die Probleme mit Vandalismus an öffentlichen Plätzen und Gebäuden.

Die Schandtat hat inzwischen den Kornwestheimer Gemeinderat erreicht. Im neuen Jahr soll entschieden werden, wo Lurchi etwas sicherer neu aufgestellt werden kann. Vielleicht hinter Panzerglas? Oder in vier Metern Höhe? Bis dahin ist das Maskottchen aber erst mal sicher: Es hat Unterschlupf im Rathaus gefunden.

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