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Maskenpflicht hilft gegen CoronaPandemie verlangsamt

In Jena gab es schon früh die Pflicht einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen. Eine Studie zeigt, dass die Pandemie damit abgeschwächt werden konnte.

Jena war Vorreiter bei der Pflicht, unter anderem in Bussen und Bahnen eine Schutzmaske zu tragen Foto: Bodo Schackow/dpa

Berlin taz | Atemmaske tragen? Ja oder Nein? Zu Beginn der Coronapandemie dominierte hierzulande klar das Nein. Bilder aus asiatischen Regionen, auf denen nur Menschen mit Mund-Nasen-Masken zu sehen waren, wurden fast schon belächelt. Auch Gesundheitspolitiker, Mediziner und die allermeisten Virologen sprachen sich gegen den Mundschutz im Alltag – auf der Straße, im Geschäft oder in Bus und Bahn – aus. Medizinische Masken mit FFP2- oder FFP3-Standard, ja selbst einfache OP-Masken, die bis vor Kurzen kaum zu bekommen waren, sollten den Mitarbeitern in den Gesundheits­einrichtungen vorbehalten bleiben.

Und für selbstgemachte Alltagsmasken lägen keine wissenschaftlichen Studien vor, die eine Schutzwirkung vor Coronaviren nachweisen würden, hieß es fast einstimmig aus den Expertenkreisen. Das Tragen von Masken könnte sogar Virusinfektionen begünstigen, denn den Menschen würde damit eine trügerische Sicherheit vermittelt; mit Mundschutz würden sie unvorsichtig werden. Das all dies nicht zutrifft, konnte jetzt ein gemeinsames Projekt von Forschern aus Mainz, Darmstadt, Kassel und dem dänischen Sønderborg aufzeigen. Ihr Ergebnis: Mit der Einführung der Maskenpflicht gingen die Infektionszahlen deutlich zurück.

Schon drei Tage nach dem 6. April wurden weniger Neuinfektionen mit dem Coronavirus registriert

Die Forschergruppe nutzte für ihre vom Bonner Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit (IZA) als Diskussionspapier veröffentlichte Studie die dezentrale Entscheidungsstruktur bei der Gesundheitspolitik in Deutschland. Sie verglichen die Infektionszahlen im thüringischen Jena, das bei der Maskenpflicht eine Vorreiterrolle hat, mit den Zahlen in anderen Städten, in denen die Maskenpflicht erst später kam.

In der Stadt Jena war die Maskenpflicht schon am 6. April eingeführt worden. Zwei, drei Wochen früher als in anderen Städten oder Landkreisen in Deutschland. „Begleitet wurde die Einführung der Maskenpflicht zudem durch eine öffentlichkeitswirksame Kampagne „Jena zeigt Maske“, die bereits eine Woche vorher am 30. März startete“, ­schreiben die Forscher in einer Zusammenfassung ihrer Studie.

„Die Zahl der registrierten Neuinfektionen ist in den Tagen nach der Einführung praktisch auf null gefallen“, berichtet die Forschergruppe. Dass schon drei Tage nach dem 6. April weniger Neuinfektionen registriert wurden, obwohl die mittlere Inkubationszeit der Coroanviren etwa fünf Tage beträgt – dazu kommt nach Angaben der Forscher noch eine Meldeverzögerung von 2–3 Tagen –, sei auf die Kampagne in Jena zurückzuführen. Viele Jenaer hätten schon vor der Pflicht eine Maske getragen.

Vergleich mit anderen Städten

Um zu überprüfen, ob der Rückgang der Neuinfektionen tatsächlich auf die Alltagsmasken zurückzuführen sind, verglichen die Forscher den Infektionsverlauf in Jena mit den Covid-19-Fällen in Städten, die ähnliche „Strukturmerkmale“ aufweisen – zum Beispiel Bevölkerungsdichte, Durch­schnitts­alter der Bevölkerung und dem Angebot an Ärzten und Apotheken. Die Auswahl für den Jena-Vergleich fiel auf Städte wie Darmstadt, Cloppenburg, Trier oder Rostock.

Aus dem Infektionsverlauf in diesem Städten schlossen die Forscher dann, wie die Infektionszahlen in einem „synthetischen Jena“ gewesen wären, wenn dort keine Maskenpflicht zum 6. April eingeführt worden wäre. „Nach unseren Berechnungen tut sich eine sig­nifikante Kluft zwischen den Fallzahlen in Jena und der Vergleichsgruppe ohne Maskenpflicht auf“, sagt der Koautor der Studie Timo Mitze, Professor an der Süddänischen Universität (Syddansk Universitet) in Sønderborg. Zehn Tage nach Beginn der Maskenpflicht in Jena sei die Gesamtzahl der dort registrierten Covid-19-Fälle lediglich von 142 auf 158 gestiegen, in dem „synthetischen Jena“ hingegen von 143 auf 205.

Die Zunahme der Infektionen in Jena entsprach also nur etwa einem Viertel der Zunahme in der Vergleichs­gruppe. Dieses Zahlen beziehen sich auf alle registrierten Covid-19-Fälle. Für die tägliche Wachstumsrate berechneten die Forscher einen Rückgang um 60 Prozent.

In einem zweiten Schritt verglichen die Forscher verschiedene Städte miteinander, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten eine Maskenpflicht eingeführt hatten. In einigen Städten begann die Maskenpflicht am 22. April. Das Gros der Städte folgte jedoch erst am 27. April. Auch hier waren weniger Neuinfektionen die Folge, auch wenn der Effekt, der zehn Tage später einsetzte, nicht so ausgeprägt war wie in Jena. Die Studie zeigt auf jeden Fall, dass ein Mund-Nasen-Schutz zu einer Verlangsamung der Covid-19-Entwicklung beitragen kann.

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3 Kommentare

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  • Drosten lebt von Viren, wahrscheinlich sein liebstes "Haustier". Nein, im Ernst, er trägt im Labor auch eine Schutzmaske.



    China hatte insgesamt einen weit milderen Verlauf als die übrige nicht fernöstliche Welt. Ich wette, das kann man auf allen Fotos aus der Covid19-Zeit in China erkennen. Die Gesichtsmasken sind unverkennbar zu sehen. Zwar war die "neue Grippe" schlimmer als die davor, aber die Maßnahmen waren die gleichen. Mit Erfolg. Auch die Sperrung Hubeis erfolgte erst, nachdem man die besondere Gefährlichkeit erkannt hatte. In den anderen Städten war man schneller.



    Deutschland: die übliche Besserwisserei der Politiker. Drosten war da rigoros, bis auf die Masken.



    Glücklicherweise müssen wir nicht zu 70% durch durchseucht werden.

  • Gratulation an den Jenaer Oberbürgermeister für seine Weitsicht und dafür, dass er an seiner Entscheidung festgehalten hat, obwohl ihm viel Kritik entgegenschlug.

  • Verstehe bis heute nicht, warum z.B. Drosten am Anfang dagegen war. Die flachen Verläufe in Ostasien haben nahegelegt, dass Masken was bringen könnten.

    Schon ein einzigartiges Staatsversagen in Europa zu Beginn der Pandemie.