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Maskenpflicht für GrundschülerDas ist bitter

Anna Klöpper
Kommentar von Anna Klöpper

An Berliner Grundschulen gilt wieder die Maskenpflicht. Wann kommen endlich mehr Erwachsene ihrer Verantwortung nach und lassen sich impfen?

Gutes Vorbild: Ein Mann nutzt das Impfangebot in Berlin Foto: Kira Hofmann/dpa/picture alliance

D ie GrundschülerInnen müssen in Berlin im Unterricht wieder Maske tragen – und zwar quasi ab sofort, teilte die Bildungsverwaltung am Montagabend mit. Angesichts der galoppierenden Inzidenz, gerade bei den jüngeren Schulkindern (Stand Dienstag: 578,7) war dieser Beschluss nicht nur vernünftig, sondern längst überfällig. Warum man in der Bildungsverwaltung stur bis zur turnusmäßigen 14-täglichen Sitzung des Hygienebeirats am Montag gewartet hat – anstatt sich bereits in der Vorwoche einfach mal zusammenzusetzen, als die Inzidenz auch schon über die 300er-Marke kletterte –, bleibt das Geheimnis der Bildungssenatorin.

Manche, die vom Fach sind, sagen, wenn es um die Maskenpflicht für SchülerInnen geht: Weil die Krankheitsverläufe bei Kindern in der Regel nicht so schlimm sind, senkt man mit der Maskenpflicht vielleicht die Inzidenz. Aber auf die Hospitalisierungsquote hat das keinen Einfluss. Das heißt so viel wie: Macht keinen Unterschied, die Maskenpflicht für die Kinder. Jedenfalls nicht für das Infektionsgeschehen in den Krankenhäusern. Jedenfalls nicht, wenn man damit die Überlastung der Intensivstationen verhindern will, vor der in Berlin die Charité auch bereits in der vergangenen Woche warnte.

Ist das zynisch? Es ist vor allem eines, nämlich die bittere Wahrheit. Und das ist das, was eigentlich wütend macht: Wir schaffen es immer noch nicht, nicht nach fast zwei Jahren Pandemie, die Kinder zu schützen. Sie kommen, allen Beteuerungen auch aus der Politik zum Trotz, eben nicht an erster Stelle.

90 Prozent Ungeimpfte

Im Gegenteil: Sie müssen sich, wieder mal, selbst schützen – weil viel zu viele Erwachsene ihrer Verantwortung nicht nachkommen: die da wäre, sich impfen zu lassen. Seitens der Deutschen Krankenhausgesellschaft heißt es, man habe inzwischen etwa 90 Prozent Ungeimpfte, vor allem jüngere PatientInnen – die zudem eine besonders hohe „Verweildauer“ auf den Stationen hätten.

Nun kann man darüber sinnieren, dass es bitter ist, dass die Intensivstationen personell noch schlechter ausgestattet sind als vor einem Jahr und damit weniger Betten vorhalten können als noch in der zweiten oder dritten Welle. Aber das lenkt ab: Denn es ist ja nicht Sinn der Sache, die Intensivstationen zu vergrößern – sondern die Zahl der Infizierten zu verkleinern.

Das eigentliche Problem ist: Die Impfquote dümpelt in Berlin bei 67,5 Prozent. Gut möglich, dass der diese Woche erwartete weitgehende 2G-Beschluss des geschäftsführenden rot-rot-grünen Senats die Impfmoral noch mal ein wenig heben wird – der Blick nach Österreich lässt zumindest hoffen. Wenn Appelle nichts nutzen, muss man vielleicht doch den Druck erhöhen. Was eigentlich eine bedauerliche Erkenntnis ist.

Aber Fakt ist: Wären deutlich mehr Erwachsene (und Jugendliche ab 12 Jahren) geimpft, würde die Inzidenz auch in der Altersgruppe sinken, die sich (noch) nicht schützen kann – bei den Kindern. Das wiederum würde die Impfdurchbrüche reduzieren, weil sich auch doppelt geimpfte Eltern bei ihren Kindern anstecken, die das Virus aus der Schule mitbringen. Das ist nicht fair, für niemanden.

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Anna Klöpper
Leiterin taz.eins
Seit 2011 bei der taz. Leitet gemeinsam mit Sunny Riedel das Ressort taz.eins. Hier entstehen die ersten fünf Seiten der Tageszeitung, inklusive der Nahaufnahme - der täglichen Reportage-Doppelseite in der taz. Davor Ressortleiterin, CvD und Redakteurin in der Berliner Lokalredaktion. Themenschwerpunkte: Bildungs- und Familienpolitik.
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8 Kommentare

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  • Weso wird die Impfung immer als das Allheilmittel propagiert. Wir wissen, dass sie es nicht ist. Die Schutz vor Übertrag ist wichtig, das kann die Maske. Und das Verhalten ist wichtig, das kann jeder, der es will. Immer die Ungeimpften als Gesellschaftsbalast zu bezeichnen widerspricht allem, was wir aus den sogenannten Impfdurchbrüchen gelernt haben. Die Zahlen sind nicht nur so hoch, weil es kälter wird, sondern weil wir uns auf die Impfung verlassen und unser Verhalten so gestalten, als hätten wir über knapp 2 Jahre geschlafen und von Covid-19 nichts gewusst.



    Wenn ALLE die Maske tragen, ist allen geholfen. Wenn ALLE sich testen lassen (was nun ein teueres Hobby geworden ist), wissen sie, ob sie es haben. Wenn aber immer nur ein Teil der Gesellschaft Verantwortung übernimmt und dabei den Kopf gebraucht, sehen die Inzidenzen so aus wie jetzt...



    Nicht die Ungeimpften sind das Problem, sondern die, die sich gegen Maske und Verantwortung streuben und es den Kindern vormachen.

    • @Fuji_:

      > Nicht die Ungeimpften sind das Problem, sondern die, die sich gegen Maske und Verantwortung streuben und es den Kindern vormachen.

      Reden wir hier nicht von fast identischen Untermengen?

      Und die Impfung wird nicht "immer als das Allheilmittel propagiert".



      Diese Aussage ist so nicht richtig.

      Was "propagiert" wird, ist, dass die Impfung das persönliche Ansteckungsrisiko deutlich und das Risiko einer schweren Erkrankung erheblich reduziert. Mit der Senkung des Infektionsrisikos verringert sich auch das Risiko der Übertragungn an Andere. Diese Aussagen sind anhand der täglichen Zahlen nachprüfbar.



      Damit ist die Impfung der wichtigste Pfeiler einer weitergehenden Corona-Prävention und Bekämpfung.



      Jede andere Behauptung ist unrichtig.

      • 4G
        45246 (Profil gelöscht)
        @The Calif:

        Ich stimme Ihnen bedingt zu.

        Allerdings bin ich wie Ihr Vorschreiber der Meinung, daß der Fokus allzusehr auf der Erreichung einer Impfquote liegt. Nichts gegen Ihre Argumente.

        Aber es steht zu befürchten, daß die Wirksamkeit der Impfstoffe nicht ausreicht, daß die Drittimpfung nicht zeitig genug verabreicht wird und deshalb insgesamt das wünschenswerte Schutzniveau nicht erreicht wird. Das wäre unvermeidlich, sollte aber dann auch benannt werden, um keine naiven Hoffnungen auf unbeschwertes Leben wie in Vor-Corona-Zeiten aufkommen zu lassen.

        Deshalb könnten die Verhaltensregeln und deren Einhaltung der größte Schutz der Beteiligten sein. Wo niemand ist, kann niemand angesteckt werden. Das uralte Konzept zur Bekämpfung von Ansteckungskrankheiten hat auch heute noch Wirkung.

        Und, nein - obwohl ich nicht alle Ungeimpften und deren Verhalten kenne... es ist nicht richtig, Ungeimpften in toto Verantwortungslosigkeit und Dummheit zu unterstellen. Meine ungeimpften Bekannten sind weder das eine noch das andere. Und wir bewegen uns nicht im einschlägigen Milieu.

  • > "Manche, die vom Fach sind, sagen, wenn es um die Maskenpflicht für SchülerInnen geht: Weil die Krankheitsverläufe bei Kindern in der Regel nicht so schlimm sind, senkt man mit der Maskenpflicht vielleicht die Inzidenz. Aber auf die Hospitalisierungsquote hat das keinen Einfluss."

    Das ist nicht richtig. Man muss sich die Pandemie wie einen Brand in einem Sägewerk vorstellen. Da lagern hinten in der Halle Eichenbohlen. Und dazwischen Latten aus Fichtenholz. Und am Boden liegen Sägespäne. Und diese Sägespäne tragen, auch wenn sie nicht sehr heiß und lange brennen, zur Ausbreitung eines Feuers bei, denn sie sind leicht entzündlich. Die infizierten Jüngeren beschleunigen also die Ausbreitung des Virus, auch wenn ihnen selber nicht ganz so viel passiert.

    Andererseits betreffen die sehr hohen Inzidenzen dann wieder alle.

    Das sieht man auch an den Heat Maps, wo die altersbezogenen Inzidenzen über der Zeit aufgetragen sind: Zuerst gibt es sehr hohe Zahlen bei den Jüngeren, und die greifen dann auf die Älteren über. Also wirklich wie ein Feuer.

    • 4G
      45246 (Profil gelöscht)
      @jox:

      Leider habe ich noch keine Vorschläge gehört, wie gerade dieses Problem zu bewältigen sein soll.

      Kinder sind darauf angewiesen unter Erwachsenen zu sein, die sorgen. Eltern können schlecht Abstand halten.

      Wenn man pragmatisch einer Durchseuchung der Jüngeren zusehen wollte - evtl. wird es nicht anders gehen - was wird dann mit denen, die eine Infektion nicht mehr so leicht wegstecken? Eltern, Großeltern, Erzieherinnen, Lehrer?

      Wenn deren Impfschutz nicht funktioniert, worauf wir uns nach neueren Erkenntnissen einstellen müssen - was dann?

      Man kann Kinder nicht dauerhaft wegsperren.

      Hat jemand eine Idee?

  • Dem ist nichts hinzuzufügen.

  • 0G
    05989 (Profil gelöscht)

    Das Verrückte ist ja, dass die Impfverweigerer zwar Bedenken ins Feld führen, aber eben damit maximalen persönlichen Nutzen und minimales Risiko über das Gemeinwohl stellen. Deswegen kann man die auch mit Argumenten nicht packen, weil es gar nicht um Argumente geht.

    Es geht um das Gefühl, zu etwas gezwungen zu sein, dass vor allem Anderen nützt. Es geht um die ultimative Entsolidarisierung. Jeder ist seine Glückes Schmied - und nur seines Glückes... und nur er schmiedet.

    Der Zug ist abgefahren: Entweder Impfzwang oder Corona forever. Wenigstens im Gesundheitswesen, im öffentlichen Dienst, in Bildungs- und Betreuungseinrichtungen.

    Praktisch jedes Land der Erde hat solche Regeln - selbst die USA! Aber wir scheitern wieder daran, weil wir wieder zu dumm sind, um die Begriffe Freiheit, Demokratie, Gemeinwohl richtig zu deklinieren.

    • 4G
      45246 (Profil gelöscht)
      @05989 (Profil gelöscht):

      Vorsicht - diese Reden hatten vor achtzig Jahren Hochkonjunktur.

      Brauchen wir nicht noch einmal, oder?