Margot Friedländer auf „Vogue“-Titel: Covergirl mit 102
Margot Friedländer überlebte den Holocaust, und besucht bis heute Schulen. Das Modemagazin „Vogue“ hebt sie nun auf ihr Cover – ein starkes Statement.
Was sie durchgemacht hat, ist monströs – wie das Schicksal von Millionen anderen Jüdinnen und Juden. Geboren 1921 in Berlin, wurde Friedländers Familie in Konzentrationslagern ermordet. Sie selbst musste sich verstecken, verkleiden und tarnen, wurde entdeckt, deportiert und in ein Lager gebracht. Sie überlebte dieses, heiratete einen Inhaftierten, entkam mit ihm aus dem Land der Mörder:innen in die USA.
Nachdem Friedländer in Berlin Modezeichnen studiert hatte und eigentlich Designerin werden wollte, erlernte sie das Schreiben, und begann, jüngeren Generationen ihre Geschichte zu erzählen. Heute wohnt sie wieder in ihrer alten Heimat. Und Friedländers Stimme scheint momentan lauter zu werden, weil sie einfach lauter werden muss – passend zur Dringlichkeit der Situation. Als im Mai der Deutsche Filmpreis verliehen wurde, war es Friedländer mit ihrem Appell, der von allen Reden besonders im Gedächtnis blieb: „Ich bitte euch, seid Menschen!“
„Versuche, dein Leben zu machen“
Bereits 2008 schrieb sie ihre Biografie, betitelt mit der Botschaft, die die Mutter ihr zukommen ließ, bevor diese deportiert wurde: „Versuche, dein Leben zu machen“. Friedländer geht in Schulen, lässt sich auf Social Media interviewen, spricht freundlich, hoffnungsvoll, nie bitter. Immer wieder fordert sie ihre Zuhörer:innen auf, Gemeinsamkeiten zu feiern, nicht angebliche Unterschiede. Ihr Engagement brachte ihr viele Auszeichnungen ein, die Ehrenbürgerwürde ihrer Heimatstadt etwa, den Verdienstorden des Landes Berlin sowie das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse.
Letztere zieren auch das Vogue-Cover: Die beiden Broschen am Mantelkragen sehen aus wie kleine Schmetterlinge. Dass das Heft sich mit der Friedländer-Titelstory, die aus einem Interview und Fotos von Friedländer im Botanischen Garten besteht, nicht nur klar vom Ageismus- und Lookismus-Diktat entfernt, sondern ein politisches Statement setzt, ist überfällig. Und passt zur Entwicklung mehrerer Modemagazine, die sich damit endlich der potenziellen Bedeutung von Mode innerhalb der Gesellschaft widmen könnten: Es gibt keinen Grund, wieso Menschen, die Mode schaffen, beschreiben, tragen oder feiern, nicht eine ebenso große gesellschaftspolitische Verantwortung empfänden wie alle anderen.
Neben der zum Mutterkonzern Condé Nast gehörenden Vogue ist das etwa die in Deutschland herausgegebene Madame, die – wie alle Hochglanz-Magazine – seit Jahren mit sinkenden Auflagen kämpft. Dort finden sich seit einiger Zeit ebenfalls verstärkt Interviews mit (modeinteressierten) Künstler:innen, die sich zaghaft politisch äußern – Ukrainerinnen, Palästinenserinnen und Israelis ebenso wie etwa die indigene US-Schauspielerin Lily Gladstone.
Echte Modetrends zu setzen, wird der Vogue von der Social-Media-affinen jüngeren Generationen eh kaum mehr zugetraut. Vielleicht setzt das Friedländer-Cover aber einen viel wichtigeren Trend: sich gegen rechts auszusprechen.
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