Manifest der Parteichefs: Linken-Spitze will „Sozialismus 2.0“
Katja Kipping und Bernd Riexinger wollen an den Erfolg von Syriza anknüpfen. Ihr Vorschlag: Radikale Demokratie statt Bundestag und Volksabstimmung.
BERLIN taz | Die Vorsitzenden der Linkspartei sehen Gespenster. Katja Kipping und Bernd Riexinger schreiben in einem neuen Strategiepapier von den sozialen Protesten in Südeuropa, von der Bewegung der „Empörten“ in Spanien und von den Generalstreiks in Griechenland. „Ein Gespenst geht wieder um in Europa“, heißt es in dem Papier, das der taz vorliegt. „Genau genommen sind es viele Gespenster gegen die Trostlosigkeit der herrschenden neoliberalen Politik.“ Gespenster, an deren Erfolge die Linken-Chefs anknüpfen wollen.
Am Freitag werden die beiden ihr „Manifest der Zukunft“ (hier zum Download) im Rahmen einer Parteikonferenz in Berlin vorstellen. Ihr Vorbild: Die griechische Linkspartei Syriza, die verschiedene soziale Bewegungen erfolgreich vereint und dadurch die Parlamentswahlen gewonnen habe. Anders als in Spanien, wo die etablierte „Vereinigte Linke“ zusehen musste, wie in den Protestcamps eine Linkspartei neuen Typus entstand.
Das soll der deutschen Linkspartei nicht passieren. „Sollte sich auch in unserem Land eine neue gesellschaftliche Dynamik entwickeln, wollen wir mittendrin sein und nicht am Rande stehen“, schreiben Kipping und Riexinger. Dafür wollen sie den Mief abschütteln, der den Linken manchmal anhängt.
Hartz IV, liebstes Feindbild und Gründungsmythos der Partei zugleich, erwähnen sie auf 16 Seiten kein einziges Mal. Von „Kleinstaaterei“ oder „grauer Disziplin der alten Fabrikarbeit“ wollen sie nichts mehr wissen. Stattdessen geht der Blick nach vorne: Ein „freier, grüner, feministischer und lustvoller Sozialismus“ sei nötig. Kurz: der „Sozialismus 2.0“.
Der Sound der Straße
Auf dem Weg dorthin setzen die Linken-Chefs auf Mitbestimmung auf allen Ebenen. Demokratie im Bundestag und durch Volksentscheide reiche nicht aus. „Es geht darum, dass alle gesellschaftlichen Bereiche demokratisch durch die Menschen organisiert werden.“ Werden Schlüsselindustrien vergesellschaftet, können Beschäftigte mehr Entscheidungen treffen. Bleibt Infrastruktur in öffentlicher Hand, behalten die Bürger die Hoheit. Werden die Arbeitszeiten verkürzt, haben die Menschen mehr selbstbestimmte Zeit.
Aber auch die Partei selbst muss sich laut Kipping und Riexinger verändern: „Wenn nichts bleibt, wie es ist – weshalb sollte das ausgerechnet an einer linken Partei spurlos vorbei gehen?“ Heißt konkret: Die Linke solle ihre Kampagnenfähigkeit stärken, den Sound der Straße hören, ihre Parteibüros für soziale Bewegungen öffnen.
Fehlt eigentlich nur noch, dass sich die Bewegungen auch bemerkbar machen. Soziale Proteste wie im Süden Europas sind in Deutschland schließlich nicht in Sicht. „Jedoch“, schreiben die Vorsitzenden der Linkspartei voller Hoffnung, „das muss nicht so bleiben“.
Leser*innenkommentare
10236 (Profil gelöscht)
Gast
"Als Alternative zur Marktwirtschaft fällt den Autoren mal wieder nur die Planwirtschaft ein. Verklausuliert formuliert als „demokratische Kontrolle“ durch „Wirtschaftsräte“, die „die Produktion am gesellschaftlichen Bedarf der Menschen und an ökologischen Kriterien“ ausrichten."
Ich glaube nicht, dass die Linken da das Angebot der 300 Joghurtsorten oder der High-Ultra-HD-TV-Geräte einschränken wollen. Aber, wenn ich da an Wohnen, Energie, meinetwegen auch Pharma denke...
BTW, Planwirtschaft und gesellschaftliche Kontrolle sind 2 verschiedene paar Schuhe. So gesehen hätten wir bei VW immer noch Planwirtschaft (20%-Sperrminorität).
Dhimitry
Um einzelne Branchen zu regulieren brauchen wir keinen Sozialismus. Das ist in der sozialen Marktwirtschaft auch heute schon möglich. Siehe Mietpreisbremse und Preisstopp für Medikamente. Beides kann natürlich auch radikaler umgesetzt werden, wenn sich denn dafür demokatische Mehrheiten finden lassen.
Der Unterschied zwischen Planwirtschaft und der Situation bei VW ist, dass im einen Fall Wirtschaftsräte oder Planungskommissionen festlegen, was produziert wird. Die Sperrminorität bei VW ist ein unternehmensinternes Phänomen, bei dem sich die Entscheidungen lediglich auf das eigene Unternehmen auswirken.
Wenn ich den Unterschied zwischen dem Konzept der Wirtschaftsräte und der Planwirtschaft missverstehe, müsste ersteres genauer ausformuliert werden.
Haben Sie dazu weitere Informationen oder eine Idee?
Dhimitry
Es wäre ein Leichtes, diesen Text als Mischung an billigen Phrasen, naiven Luftschlössern und größenwahnsinniger Selbstbeweihräucherung abzutun.
Aber wir sollten hoffnungsvoll darauf bleiben, dass dieser Text nur der Anfang einer wirklich innovativen Sammlung neuer Ideen sein wird.
Einige Probleme des bestehenden Textes sind zu nennen. Ich poste sie nacheinander, damit eine mögliche Diskussion übersichtlicher bleibt.
(Die Probleme die das deutsche Sozialmodell durch die Vorschläge bekommen würde, lasse ich zunächst beiseite.)
Dhimitry
1. Zunächst ein analytischer Fehler. Im Text heißt es: „Das deutsche Exportmodell ist dabei tief in die globale Krise verstrickt: Die Austeritätspolitik wird mit Stolz exportiert. Verschwiegen wird dabei, dass sich die anderen Länder seit der deutschen Agenda 2010 verschulden mussten, um "unsere" Waren zu kaufen.“
Es ist zu bezweifeln, dass jemand oder gar ganze Volkswirtschaften dazu gezwungen wurde irgendwelche Waren zu kaufen. Einen Kaufzwang gibt es in der Marktwirtschaft nicht.
Blumenkind
@DHIMITRY:
Hier machst Du einen analytischen Fehler. Es steht dort nämlich nicht, dass sie gezwungen wurden Waren zu kaufen, sondern, wenn sie die Waren kaufen wollten, waren sie gezwungen, sich zu verschulden.
Dhimitry
@Blumenkind Wer kein Geld hat, hat die Wahl zwischen der Verschuldung und dem Nichtkauf. Es kann also keinesfalls davon gesprochen werden, dass sich ein Staat verschulden musste.
10236 (Profil gelöscht)
Gast
Es gib so etwas wie die "komparativen Vorteile". Die deutsche Politik der "verantwortungsvollen Lohnabschlüsse" und "Reformen" der sozialen Systeme senkt zum einen die Produktionskosten (Export+), zum anderen läßt die Binnennachfrage (und Import-) stagnieren. mangels DM wird es nicht durch Wechselkurse ausgeglichen. Fürs Ausland ist es natürlich oft umgekehrt: Nachfrage nach deutschen Waren steigt, eigene Handelsbilanz wird negativ.
Natürlich wird keiner zu etwas gezwungen - es ist aber ein Beispiel für negative Konsequenzen des freien Marktspiels gepaart mit angebotsorientierter Politik.
Dhimitry
Natürlich können Märkte negative Konsequenzen haben.
Aber es bleibt dabei, niemand "musste" sich verschulden. Andere Staaten wollten sich verschulden bzw. wollten keine Strukturreformen umsetzen.
Der Markt legt in diesem Fall Effizienznachteile offen, zwingt aber niemanden zur Verschuldung.
Age Krüger
Schon mal was von Korruption gehört?
Und dass deutsche Unternehmen Bestechungsgelder, die sie an die Entscheidungsträger zahlen, um sie zum Kauf zu überreden, sogar von der deutschen Steuer absetzen können?
Deutsche Firmen gelten daher als besonders korrupt (im aktiven Sinne).
Micha Mille
@Age Krüger Sie leben noch im letzten Jahrtausend. Die steuerliche Absetzbarkeit gibt es seit vielen Jahren nicht mehr.
Age Krüger
Und die Schulden, über die @Dhimitry redet, sind alle erst in diesem Jahrtausend entstanden? Vorher waren alle Abnehmerstaaten von deutschen Waren schuldenfrei?
Und die Firmen haben die Korruption sofort eingestellt anstatt nach anderen Substitutionsmöglichkeiten zu suchen, das Geld wieder hereinzubekommen?
Die armen,armen deutschen Betriebe.
Man könnte ja meinen, die würden das seitdem durch skrupelloses Lohndumping ausgleichen.
Dhimitry
2. Als Alternative zur Marktwirtschaft fällt den Autoren mal wieder nur die Planwirtschaft ein. Verklausuliert formuliert als „demokratische Kontrolle“ durch „Wirtschaftsräte“, die „die Produktion am gesellschaftlichen Bedarf der Menschen und an ökologischen Kriterien“ ausrichten.
Klingt zunächst gut! Aber es ist nicht möglich einen „gesellschaftlichen Bedarf“ widerspruchsfrei festzulegen. Was ist mit individuellen Bedürfnissen, die nicht dem gesellschaftlichen Bedarf entsprechen?
Das Problem besteht analog zum in der Armutsforschung verbreiteten Versuch, die Grundbedürfnisse von Menschen festzulegen. Hier ist es bis heute nicht gelungen einen einheitlichen Warenkorb zu definieren, den Menschen mindestens für ein armutsfreies (selbstbestimmtes usw.) Leben benötigen. Gehen wir an dieser Stelle von einem Bedarf über einem Minimum aus, wird es noch schwieriger einen solchen Bedarf demokratisch festzulegen.
Es scheint weiterhin sinnvoller die Festlegung von Bedürfnissen den Individuen zu überlassen, die für sich selbst entscheiden was sie konsumieren wollen. Der Marktmechanismus ist an dieser Stelle erfolgreicher, als die Festlegung auf bestimmte Produktionsgüter. Vor allem in einer modernen Welt in der es um mehr geht, als das tägliche Überleben.
Age Krüger
Da haben Sie manches durcheinander gebracht.
Bedürfnisse eines Menschen müssen nicht von oben geplant werden. Es gibt da Ansätze aus der sozialistischen Ecke, dass aufgrund der heutigen Form der Kommunikation jeder für sich selber planen kann.
Wenn jeder für ein Jahr meine Bedürfnisse kennt, dann kann das in dem Maße produziert werden. Das ist ökologisch wesentlich sinnvoller und resourcenschonender als die Industrie mal einfach produzieren zu lassen und die Hälfte für die Müllhalde zu produzieren und dies dann doch Schrottprämien noch zu subventionieren.
Dhimitry
Es wäre interessant, wenn jeder Mensch ein Jahr seinen Konsum dokumentieren würde. Für die Bereitstellung öffentlicher Güter wäre das sicher ein nutzenbringendes Projekt. (Die Datenschutzprobleme lassen wir jetzt mal eingeklammert.)
Die Idee ist gut, würde aber möglicherweise dazu führen, dass Innovationen verhindert werden. Innovation entsteht nun einmal durch try and error, durch den Versuch Produkte zu entwerfen und zu gucken, ob die jemand kaufen will. Nun lässt sich einwenden, dass wir bereits auf dem Höhepunkt der menschlichen Schaffenskraft leben, aber das hätten wir vor 50 Jahren auch schon sagen können, oder?
Dhimitry
3. Wie soll der Übergang zur „zukunftsfähigen Kreislaufwirtschaft“ aussehen? Im Text heißt es etwas pauschal: „Wir müssen die Verfügungsmacht der Vermögenden und der Konzerne über den gesellschaftlichen Reichtum brechen. Ohne eine radikale Umverteilung des Reichtums, ohne die demokratische Kontrolle der Finanzmärkte und die Vergesellschaftung der Banken wird das nicht gehen.“
Wie soll diese Verfügungsmacht gebrochen werden und wie sollen die jetzigen Eigentümer*innen behandelt werden? In vielen Fällen handelt es sich bei den Eigentümer*innen von börsennotierten Unternehmen um eine Vielzahl höchst unterschiedlicher Eigentümer*innen. In Fällen, in denen z.B. Pensionsfonds zu den Miteigentümer*innen gehören, währen von einer Enteignung viele Kleinsparer*innen usw. betroffen. Können all diese Menschen entschädigt werden und wo endet ein Entschädigungsanspruch?
10236 (Profil gelöscht)
Gast
"Wie soll diese Verfügungsmacht gebrochen werden..."
ESt-Sätze wie in den 80ern + keine Vorzugsbehandlung bei Kapitalertragssteuer (keine pauschale 25%) + Erhebung der Vermögenssteuer etc. Alles schon mal gehabt in den "sozialistischen" 80ern.
Dhimitry
"ESt-Sätze wie in den 80ern + keine Vorzugsbehandlung bei Kapitalertragssteuer (keine pauschale 25%) + Erhebung der Vermögenssteuer etc. Alles schon mal gehabt in den "sozialistischen" 80ern."
Alles wunderbar. Würde ich sofort mitmachen. Nur ist das nicht das, was die Verfügungsmacht der Banken und Konzerne brechen würde. Die waren auch in den "sozialistischen" 80ern in einer sehr mächtigen Position. Höhere Steuern wären aber unabhängig davon angebracht!
Dhimitry
4. Jede revolutionäre Umwälzung erzeugt Verlierer. Zumindest in Deutschland lebt eine Mehrheit der Menschen eben nicht in prekären Verhältnissen oder steht vor dem Burn-Out. Meinungsumfragen zeigen viel mehr, dass die meisten Menschen mit ihrem Leben sehr zufrieden sind. Wie werden die Rechte dieser Mehrheit der Menschen im Revolutionsprozess gewahrt?
Blumenkind
@Dhimitry Demokratie bedeutet Politik im Interesse der Mehrheit unter Wahrung der Rechte der Minderheit. "Verlierer" werden also keinesfalls schlechter gestellt als andere.
Dhimitry
Solange alles demokratisch vonstattengeht ist alles in Ordnung. Im Text wird aber von einer "Revolution des Handelns" und einer "Umwälzung der Eigentumsverhältnisse" gesprochen. Bei Umverteilung gibt es immer Menschen, die etwas abgeben müssen. Also würde es reltive Verlierer geben. Solange damit nur eine Umverteilung im Sinne von demokratisch festgelegter Besteuerung gemeint ist, ist nichts dagegen einzuwenden. Wenn damit jedoch Enteignungen gemeint sind, könnte es, siehe historische Beispiele, sehr problematisch sein.
Texstelle:
"Es geht dabei um eine völlig neue Weise des Produzierens, Lebens und Arbeitens. Kurzum um eine Revolution des Denkens, Fühlens und Handelns. Kern eines solchen Projektes ist immer noch die Umwälzung der herrschenden Produktions-, Reproduktions- und Eigentumsverhältnisse und die Verwandlung der Produktivkräfte und der technologischen Innovation in Mittel für die kollektive Selbstbestimmung: die Verfügung der Menschen über die Bedingungen, in denen sie leben und arbeiten."
10236 (Profil gelöscht)
Gast
"Meinungsumfragen zeigen viel mehr, dass die meisten Menschen mit ihrem Leben sehr zufrieden sind."
"Sehr zufrieden" sind es unter 30% (http://www.denkwerkzukunft.de/img/articleimgs/3688.jpg). Die wären sicherlich mehr oder weniger Verlierer (Steuern, Pensionen etc.). bei den 60% Zufriedener sollte man den "positive bias" nicht unterschätzen.
Dhimitry
Streichen Sie das "sehr" in meinem Beitrag. Die von Ihnen verlinkte Grafik macht meine Aussage ja noch deutlicher: Die überwältigende Mehrheit der Menschen ist mit ihrem Leben (in diesem Land) zufrieden.
Bei gut 80% zufriedener Bürger*innen sollten wir auf sozialistische Experimente, die bisher immer in Katastrophen geendet sind, besser verzichten.
Bei einem so deutlichen zahlenmäßigen Unterschied zwischen der Gruppe der Zufriedenen und der Gruppe der Unzufriedenen kann auch nicht mehr von einer statistischen Verzerrung gesprochen werden. Wohl aber kann die Demoskopie im Ganzen abgelehnt werden, aber dann müsste gesagt werden, welche Methoden besser geeignet sind, die Meinungen der Bevölkerung zu ermitteln.
Dhimitry
5. Der Text geht davon aus, dass die Menschen heute nicht in der Lage sind, „selbst für ihre Interessen einzutreten“. An dieser Stelle stellt sich die Frage, was hält Menschen davon ab sich in Gewerkschaften zusammen zu schließen oder sich in politische Parteien zu engagieren? Ist es nicht vielmehr sehr bequem, sich nicht in endlosen politischen Debatten (z.B. darüber was produziert werden soll) aufzureiben und stattdessen einfach auf diejenigen „da oben“ oder wo auch immer zu schimpfen, die es in einer komplexen Welt nicht schaffen für alle Zuckerwatte zu spinnen? Jede Kleinkommune kann ein Lied davon singen, wie anstrengend es ist, darüber zu befinden, wofür die Haushaltskasse ausgegeben werden soll. Wie können die Menschen also motiviert werden, ihre Zeit für demokratische Aushandlungsprozesse zu investieren?
10236 (Profil gelöscht)
Gast
"...was hält Menschen davon ab sich in Gewerkschaften zusammen zu schließen oder sich in politische Parteien zu engagieren?"
Oft die gewerkschaftfeindlichen Betriebsstrukturen (http://www.wirtschaftundgesellschaft.de/wp-content/uploads/2012/10/Tarifbindung.jpg), das mediale Gewerkschaftsbashing (siehe GDL) und oft auch die zahme bis korrupte (z.B. Riester, Hansen) Politik der Gewerkschaftsbosse selbst.
Parteien? An der Basis wird abgenickt und geklebt. Neugründungen (Piraten, AfD) haben's schwer (auch bei den Medien), etablierte Alternativen werden entweder medial ignoriert (Die Linke) oder politisch/finanziell glattgeschliffen (Grüne).
Dhimitry
"Parteien? An der Basis wird abgenickt und geklebt."
Und im Sozialismus 2.0 wäre das anders? Menschen würden ihre freie Zeit mit politischen Debatten füllen, anstatt sich dem Müßiggang hinzugeben? Wär schön, ich wär dabei...
Marzipan
"Bei Bürger*innenentscheiden über Geflüchtetenunterkünfte oder eine neue Moschee kann die Mehrheit ganz schnell die Anliegen von unpopulären Minderheiten überstimmen."
Das Mehrheiten "unpopuläre Minderheiten" überstimmen (die naturgemäß um so unpopulärer sein dürften, je deutlicher sie in der Minderheit sind), ist aber nun mal das demokratische Grundprinzip schlechthin. Mit welchen "Details" möchten Sie denn dieses Grundprinzip gern ausgehebelt sehen?
"Ebenso weisen wirtschaftlich Stärkere in der Regel auch mehr Mobilisierungspotenzial auf, wie am Bürger*innenentscheid über die Schulreform in Hamburg zu sehen war."
Das ist zweifellos richtig. Es hilft aber nichts - mobilisieren muss man sich schon selbst, um seine Interessen zu vertreten. Die Annahme, dass es rechtens sei, demokratische Grundsätze einzuschränken, um das nach eigenem Wertempfinden Wahre, Gute und Schöne voranzubringen, das die Nichtmobilisierbaren ja auch wollen würden, wenn sie nur wüssten, was gut für sie ist - diese Annahme erinnert fatal an die Annahme der Rechten, sie repräsentierten in Wahrheit die Mehrheitsmeinung der Deutschen.
Dhimitry
"Mit welchen "Details" möchten Sie denn dieses Grundprinzip gern ausgehebelt sehen?"
In der Regel werden solche Details in Verfassungen geregelt, die festlegen, worüber abgestimmt werden darf, was lieber in einem repräsentativen Verfahren geregelt wird und was als Grundrecht unverhandelbar ist.
Da müsste Die Linke sagen, welche Themen unverhandelbar sind. Der Einfachheit halber kann mensch natürlich sagen, auch im Sozialismus 2.0 gilt das deutsche Grundgesetz. Mit Eigentumsschutz etc...
Rudeboy
@Marzipan Ähm nein, falsch, die Tatsache, dass Mehrheiten sogenannte unpopuläre Minderheiten (wer bestimmt denn eigentlich, was unpopulär ist und für wen unpopulär?) überstimmen, hat mit Demokratie überhaupt nichts zu tun, sondern es handelt sich dabei nur um die Diktatur der Mehrheit. Demokratie soll aber im Idealfall einen Konsens herstellen, das heisst es soll sich nicht der Stärkere durchsetzen, sondern es sollen nach Möglichkeit alle gewinnen oder wenigstens alle mit einer Einigung halbwegs leben können. Die Diktatur der Mehrheit, die Sie befürworten, ist natürlich ein zentrales Moment unserer real-existierenden Demokratie, wo Macht dazu eingesetzt wird, die eigene Position gegen alle Widerstände durchzusetzen. Eine Abstimmung kann durchaus sehr gut in dieses Konzept passen, zb wie es in der Schweiz passiert ist, wo die Mehrheit dann über Minderheitenrechte abstimmt (Beispiel Minarettverbot). Genauso gut könnte man auch eine Abstimmung über ein absolutes Rauchverbot in allen Lebensbereichen oder ein Fleischessverbot oder Kaltduschverbot durchführen - je nach Interessenslage.
Marzipan
"Ähm nein, falsch, die Tatsache, dass Mehrheiten sogenannte unpopuläre Minderheiten ... überstimmen, hat mit Demokratie überhaupt nichts zu tun, sondern es handelt sich dabei nur um die Diktatur der Mehrheit. Demokratie soll aber im Idealfall einen Konsens herstellen, das heisst es soll sich nicht der Stärkere durchsetzen, sondern es sollen nach Möglichkeit alle gewinnen oder wenigstens alle mit einer Einigung halbwegs leben können."
Die Überstimmung von Minderheiten durch Mehrheiten hat also für Sie "mit Demokratie überhaupt nichts zu tun"? Angesichts der Tatsache, dass Demokratien auf der Basis des Mehrheitsprinzips die Regel sind, eine ziemlich gewagte Aussage - auch wenn man in Rechnung stellt, dass alle diese Demokratien Ihren Amsprüchen nicht genügen.
"Die Diktatur der Mehrheit, die Sie befürworten, ..."
Wie, bitte, kommen Sie denn darauf?
"... ist natürlich ein zentrales Moment unserer real-existierenden Demokratie,"
Der Begriff der "Diktatur der Mehrheit" ist sicherlich nicht dazu geeignet, das Mehrheitsprinzip in Bausch und Bogen als undemokratisch zu verdammen, wenn Sie bedenken, dass Alexis de Tocqueville ihn als Negativfolie für die segensreiche Wirkung der Einschränkungen eines reinen Mehrheitsprinzips in der amerikanischen Verfassung einführte - auch wenn man die amerikanische Demokratie nicht für ideal hält. Ich jedenfalls tue das nicht.
Unvollkommenheit macht aber aus einer Demokratie noch keine Diktatur, auch keine Diktatur der Mehrheit. Es gibt auch in Sachen Demokratie nicht nur schwarz oder weiß. Andererseits ist eine Konsensdemokratie auch nicht automatisch eine vollkommene Demokratie. Ausgerechnet die Schweiz gilt, nebenbei bemerkt, als eines der wenigen Beispiele für eine Art Konsensdemokratie.
Marzipan
@Marzipan Mehr noch als an die Rechten erinnert mich diese Annahme übrigens an den bereits verflossenen Sozialismus 1.0.
19122 (Profil gelöscht)
Gast
Wenn man in Deutschland "frei" oder - noch schlimmer - "liberal" sagt, ist man normalerweise perdu. Für den auf Kontrollwahn gebürsteten Durchschnittsdeutschen heißt "liberal" immer in erster Linie "Kapitalismus", was böse ist. Selbst FDP und AfD sind dem Wesen nach sozialistische Parteien. Eine libertäre Partei wie in den USA, welche die persönliche Freiheit des menschlichen Individuums zu maximieren versucht (mit konsequenten Methoden wie beispielsweise einem BEDINGUNGSLOSEN GRUNDEINKOMMEN), wäre hierzulande undenkbar. Bürokratische Probleme löst der Deutsche am liebsten durch noch mehr Bürokratie.
warum_denkt_keiner_nach?
@19122 (Profil gelöscht) FDP und AfD als sozialistisch zu bezeichnen, klingt nach Fox News und Tee Party und beleidigt die echten Sozialisten.
10236 (Profil gelöscht)
Gast
"Eine libertäre Partei wie in den USA, welche die persönliche Freiheit des menschlichen Individuums zu maximieren versucht (mit konsequenten Methoden wie beispielsweise einem BEDINGUNGSLOSEN GRUNDEINKOMMEN), wäre hierzulande undenkbar."
Die Libertären in den USA sind die Jünger der Ayn Rand (deren Buch "Atlas Shrugged" nicht umsonst als das zweiteinflussreichste nach der Bibel gilt) und scheren sich einen Teufel um die anderen. Gras rauchen als persönliche Freiheits- und Glücksmaximierung? Ja. Geld für die anderen? Nein.
Frank Heinze
Die Linke kennt keine Klassen(Interessen) mehr, sie kennt nur noch grünfeministische Bürgerx.
ioannis
"Werden Schlüsselindustrien vergesellschaftet, können Beschäftigte mehr Entscheidungen treffen."
Klar... wenn sie durch hundert Gremien ohne Ablehnung durchkommen, sich in einer diffuse beamtenhierarchie zurechtfinden, wo niemand für etwas verantwortlich zu machen ist... supi. Schlüsselindustrien bestehn ja in der Regel nicht aus dem Meister und zwei Gesellen.
"Bleibt Infrastruktur in öffentlicher Hand, behalten die Bürger die Hoheit. " Eben nicht. Die Politker, und das wissen wohl auch die der Linken genau, sind am Ruder. Wie gehabt.
"„freier, grüner, feministischer und lustvoller Sozialismus“
Lustvoll für jene, die eine kafkaeske Spielart des Masochismus bevorzugen...
DasNiveau
@ioannis Sozialismus 2.0 ist halt der versuch das zu wiederholen was schon so einige male in der Menschheitsgeschichte grandios in die Hose gegangen ist.
warum_denkt_keiner_nach?
Nach Robespierre und Napoleon wollen auch erst einmal nur wenige etwas vom Sturz der alten "gottgewollten" Ordnung wissen.
Die Argumente gegen linke Gedanken klingen oft etwas nach Metternich und "Heiliger Allianz".
ioannis
@DasNiveau ... und das "lustvoll" macht die ganze Drohung irgendwie creepy...
AnZweifler
"Ein „freier, grüner, feministischer und lustvoller Sozialismus“ sei nötig."
Wie gerne würde ich eine richtige "freie"/liberale Partei wählen ... nur leider passt das so schlecht zum westlichen Feminismus mit "Thoughtcrime", Quoten und co.
:(
Dhimitry
„Es geht darum, dass alle gesellschaftlichen Bereiche demokratisch durch die Menschen organisiert werden.“
Klingt erstmal sehr gut!
Interessant wird sein, wie sich Die Linke in diesem Fall die Wahrung von Minderheitenrechten vorstellt.
Bei Bürger*innenentscheiden über Geflüchtetenunterkünfte oder eine neue Moschee kann die Mehrheit ganz schnell die Anliegen von unpopulären Minderheiten überstimmen. Ebenso weisen wirtschaftlich Stärkere in der Regel auch mehr Mobilisierungspotenzial auf, wie am Bürger*innenentscheid über die Schulreform in Hamburg zu sehen war.
Also, vom Ansatz her sehr spannend, auf die Details wird es ankommen!
Marzipan
@Dhimitry Mir ist dummerweise mal wieder die Antwort verrutscht - siehe etwas weiter oben (aber diese Kommentarsoftware ist, nebenbei bemerkt, auch einfach miserabel).
Rudeboy
@Dhimitry Guter Einwand! Demokratische Partizipation benötigt umfassendere Ansätze. Dazu gehört schon eine Bildung, die die Menschen dazu befähigt, die Stimme zu erheben und am politischen Diskurs mitzuwirken. Auch eine demokratische Streitkultur ist wichtig, denn oft laufen solche Abstimmungen ja nur darauf hinaus, dass eine Position machtpolitisch gestärkt wird. Es fehlt dabei oft eine breite Debatte, die ausgewogen verschiedenen Meinungen Raum gibt. In den Medien wird eine solche Debatte oft durch das Einschaltquoten und Auflagen fördernde Spektakel ersetzt, wo mehr das Entertainment und die Polarisierung im Vordergrund stehen und nicht die sachliche Debatte über Inhalte, die wohl von vielen als zu langweilig empfunden wird. Die Abstimmung über ein Thema sollte also erst ganz am Ende eines sachlichen und ausgewogenen Diskussionsprozesses stehen.
19122 (Profil gelöscht)
Gast
@Rudeboy Dummheit kann man nicht verbieten. Auch jetzt haben Dumme bereits - wenn auch abstrakter - die Möglichkeit, durch repräsentative Wahlen die Falschen an die Regierung zu bringen (Siehe 1933). Warum also nicht konsequent sein, "totale Demokratie" wagen und das "Die regieren an uns vorbei"-Argument endgültig entkräften? In der Schweiz klappt's doch auch.
Michael Stöcker
Wir benötigen keinen Sozialismus 2.0! Alle Ismen dieser Welt haben immer wieder größtes Elend über die Menschheit gebracht.
Was wir wirklich benötigen ist eine Geldpolitik 2.0. Noch bis zum Beginn der Finanzkrise sind alle wichtigen Zentralbanken von einem fehlerhaften Geldschöpfungsprozess ausgegangen, der auf der Loanable-Funds-Theorie basiert. Daraus folgt, dass wir alle unser Kreditgeldsystem nicht verstanden haben, mit dem wir tagtäglich bezahlen. Prof. Steve Keen hat dieses Dilemma kürzlich hier thematisiert: http://www.forbes.com/sites/stevekeen/2015/02/10/nobody-understands-debt-including-paul-krugman/ und dieser Kommentar beschreibt ebenfalls diese monetäre Katastrophe: http://blogs.faz.net/fazit/2015/04/17/wenn-ungleichheit-zur-wachstumsbremse-wird-5696/#comments
Hier ist beschrieben, wie eine Geldpolitik 2.0 aussehen könnte: https://zinsfehler.wordpress.com/2015/03/23/die-citoyage-keynesianischer-monetarismus-als-ordnungspolitisches-korrektiv/
Pfanni
„Sozialismus 2.0“ – War da nicht schon mal was Ähnliches? Klar! Hugo Chavez hatte den „Sozialismus des 21. Jh.“ deklariert und die „ganze Welt“ eingeladen, von Venezuela zu lernen. Waren Kipping und Riexinger auch mal dort?
Aber dieser Sozialismus funktioniert nicht mehr, seit die Ölpreise im Keller sind und kaum noch was aus den Taschen der „Reichen“ in die Taschen der „Armen“ umzuverteilen ist. Seitdem ähnelt das, was man aus Venezuela hört, eher dem, was ehemalige DDR-Bürger auch schon kannten: Mangelwirtschaft, Unterdrückung und Verteufelung jeder Opposition und staatlich gelenkte Massenmedien, die das Leben im Land schönreden und alles „Schlechte“ dem „Ausland“ (=USA) zuschieben.
Ich ahne es bereits: Der „Sozialismus 2.0“ wird auch wieder auf Umverteilung basieren. Das geht gut, solange etwas zum Umverteilen da ist. Und danach?
Siehe DDR 1.0!
Blumenkind
@Pfanni @Pfanni: Es wird doch auch im Kapitalismus umverteilt. Es geht also nur um die Frage, wie? So, wie jetzt umverteilt wird, finde ich jedenfalls nicht so richtig toll.
Eric Manneschmidt
Interessant ist der Satz
"Werden die Arbeitszeiten verkürzt, haben die Menschen mehr selbstbestimmte Zeit."
Denn das bedeutet wohl, dass es mit selbstbestimmter Arbeit wieder nix wird.
Albrecht Pohlmann
Das scheint seit Langem mal wieder ein interessanter und umfassender Beitrag aus der Opposition zu sein - selbst nach dem Wenigen zu urteilen, was aus dem Artikel zu erfahren ist. - Das es nicht neu ist, spricht nicht dagegen, da der bestechende Gedanke der Wirtschaftsdemokratie ansonsten von keiner gesellschaftlich relevanten Kraft aufgegriffen worden ist. Mag sein, daß dies früher bei den Grünen anders war, aber das ist schon lange her. - Ein Thema jedenfalls für eine TAZ-Debatte, finde ich!
Tobias Schulze
Parlamentskorrespondent, Autor des Artikels
@Albrecht Pohlmann Das ist eine Idee. Hier erst mal zum Weiterlesen der ganze Text: http://www.die-linke.de/nc/die-linke/nachrichten/detail/zurueck/nachrichten/artikel/die-kommende-demokratie-sozialismus-20/
Picard
Huch, bin gerade aufgewacht. Wann erschießen uns die Bolschewiki?
warum_denkt_keiner_nach?
@Picard Keine Angst, die Zeit reicht noch für ein Bier :-)
10236 (Profil gelöscht)
Gast
"Soziale Proteste wie im Süden Europas sind in Deutschland schließlich nicht in Sicht. „Jedoch“, schreiben die Vorsitzenden der Linkspartei voller Hoffnung, „das muss nicht so bleiben“."
Nicht bevor die Digitalisierung + evtl. Exporteinbruch 10-20% der Arbeitsplätze dahinraffen. Dann kommt eine erstmal ein Agenda 20XX, die eine Milderung der Arbeitslosigkeit mit weiterer Prekarisierung erkauft. Alles innerhalb der nächsten 10-15 Jahre.
Rudeboy
Warum keine tiefgreifende Diskussion und vielleicht am Ende auch eine (europa- oder gar weltweite) Abstimmung über die wirtschaftliche Verfassung? Ich finde es angesichts der Verwüstungen und Irrwege des Kapitalismus durchaus angemessen, das Privateigentum an Produktionsmitteln in Frage zu stellen und zur breiten gesellschaftlichen Debatte zu stellen.
Trango
@Rudeboy Produktionsmittel sind auch Schreibmaschinen und PCs in Redaktionen
Thomas Fuller
Augenwischerei. Was passiert denn mit den Ideen, sobald sich das Volk irgendwo mal äußert und sagt, es hätte gerne kein Asylbewerberheim in der Gegend? Oder es wolle, dass gewalttätige Ausländer abgeschoben werden? Oder es wünsche, weniger Steuern zu zahlen und nicht mehr eine Politikerkaste samt Anhängseln in den Universitäten zu finanzieren? Oder gar, Gott bewahre, es wolle Freiheit statt Staat?
Saccharomyces cerevisiae
Viele Bürger freuen sich schon auf die Volksentscheide zur EU-Mitgliedschaft, zu Aufenthaltsrecht und Abschiebepraxis der Refugees und dem Verbleib der BRD in der Eurozone.
Nochmals, "Es geht darum, dass alle gesellschaftlichen Bereiche demokratisch durch die Menschen organisiert werden."
anton philips
Und es wird ueber die AFD geschimpft und gelacht?
Meine Gute - diese Partei der Linke ist die grosste Lachnummer der Detsche Politik. Immer unverantwortlicher Forderungen - und kein Substanz.
nzuli sana
Etwas amüsant.
warum_denkt_keiner_nach?
Was amüsiert Sie denn so?
Ich finde es überhaupt nicht amüsant, dass unser derzeitiges gesellschaftliches und politisches System immer größere Gegensätze produziert und die Politik immer beliebiger wird. Wenn von 631 Abgeordneten 567, von kleinen Nuancen abgesehen, die gleiche neoliberale Politik verfolgen, die die Widersprüche in der Gesellschaft immer mehr verschärft, ist es schon gut, wenn sich jemand Gedanken macht, wie die Zukunft aussehen könnte. Weiter wie bisher ist jedenfalls keine Lösung auf Dauer. Ob das Konzept der Linken etwas taugt, darüber sollte man natürlich diskutieren.
Jean Noire
@warum_denkt_keiner_nach? Dem kann ich mich gut anschließen!!
Sophokles
Ob das jetzt wirklich so ist, mit den 567 Abgeordneten die alle die gleiche "neoliberale" Politik verfolgen, sei mal dahingestellt. Aber selbst falls dem so wäre, würde ich mal sagen: das ist halt Demokratie. Die Leute haben sich den Sitz im Bundestag ja nicht mit Waffengewalt erobert, sondern sind gewählt worden. Und man kann jetzt- um beim Beispiel große Koalition zu bleiben - mit Sicherheit einiges zu Recht an CDU/SPD kritisieren, aber sie machen aus ihre wirtschaftspolitische Kurs ja kein Geheimnis. Und die Leute wählen sie - sei nun gerade deshalb oder trotzdem. Jetzt könnte man daraus schließen, dass das eben das ist, was die meisten wollen und mit dem sie zufrieden sind. Ich dachte eigentlich, so funktioniert Demokratie, aber vielleicht habe ich mich da ja auch geirrt.
Und den letzten Satz des Artikels finde ich etwas irritierend, offensichtlich scheint man bei den Linken darauf zu hoffen, dass es zu sozialen Protesten kommt.
Hier rege ich an, einfach mal darüber nachzudenken, warum diese bisher ausgeblieben sind. Vielleicht liegt es ja auch schlicht daran, dass die große Mehrheit mit ihrer soziale Situation nicht unzufrieden ist. Nur mal so angemerkt, als theoretisches Gedankenspiel...
Blumenkind
Die Aussage, "dass das eben das ist, was die meisten wollen", finde ich schon etwas schwierig, denn im Bundestag sitzen gerade mal 60% der von allen Wahlberechtigten wählbar gewesenen. Und von diesen knapp über die Hälfte Wählbaren bestimmen nun wiederum nur 2/3, "was die meisten wollen".
Auch glaube ich nicht, dass "man bei den Linken darauf hofft, dass es zu sozialen Protesten kommt". Es ist wohl eher davon auszugehen, dass soziale Proteste unausweichlich werden, wenn die bisherige Politik fortgeführt wird. Und dass diese Politik weitergeführt wird, liegt in der Gesellschaftsordnung begründet.
warum_denkt_keiner_nach?
"Und die Leute wählen sie - sei nun gerade deshalb oder trotzdem. Jetzt könnte man daraus schließen, dass das eben das ist, was die meisten wollen und mit dem sie zufrieden sind. "
Da haben Sie natürlich Recht. Aber nur weil die Mehrheit der Bürger die Gefahren der jetzigen Entwicklung nicht sieht, bedeutet das ja nicht, dass diese Gefahren nicht vorhanden sind. Und zwischen all den derzeitigen Jubelmeldungen kommt ja auch ab und zu einmal eine, die bestätigt, dass sich der Reichtum in der Bundesrepublik immer ungleichmäßiger verteilt.
„Vielleicht liegt es ja auch schlicht daran, dass die große Mehrheit mit ihrer soziale Situation nicht unzufrieden ist.“
Das ist nur teilweise richtig. Die Unzufriedenheit äußert sich nur auf verschiedenen Wegen. Da ist einmal die ständig steigende Zahl der Nichtwähler. Also von Leuten, die von den „etablierten“ Parteien keine Lösungen mehr erwarten und die sehen, dass sich die Politik dieser Parteien nur rudimentär unterscheidet, so dass es ihnen egal ist, wer regiert. Die „Partei“ der Nichtwähler lag bei der letzten Bundestagswahl immerhin mit 28,5% nur knapp hinter der Union und weit vor der SPD. Dazu kommen die Bürger, die irgendwelchen Bauernfängern mit „einfachen“ Lösungen (Pegida, AfD ect.) hinterher laufen.
Es ist also durchaus sinnvoll, sich über die zukünftige Entwicklung Gedanken zu machen.
Tom Tailor
@warum_denkt_keiner_nach? Darauf zu schließen, dass Nichtwähler automatisch unzufrieden sind, halte ich für gewagt. Wenn ich z.B. nur mich und mein Umfeld betrachte, stelle ich fest, dass es uns insgesamt sehr gut geht, aber seit vielen Jahren den Wahlen fernbleiben. Einfach, weil kein individuelle akuter Handlungsbedarf besteht.