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Mangelnde Umsetzung von FahrverbotenNoch kein Knast für Kretschmann

Stuttgart überschreitet die Grenzwerte bei Stickoxiden in der Luft. Dafür ist auch das Land verantwortlich – wie kann es zum Handeln gezwungen werden?

Wie wird Feinstaubalarm in Stuttgart Geschichte? Foto: Arnulf Hettrich/imago

Freiburg taz | Im Streit um die Dieselfahrverbote in Stuttgart hat das Verwaltungsgericht der Landeshauptstadt nun erhöhte Zwangsgelder in Höhe von 25.000 Euro gegen das Land Baden-Württemberg verhängt. Auf die von der Deutschen Umwelthilfe (DUH) beantragte Zwangshaft gegen Amtsträger wie Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) verzichtete das Gericht zunächst.

Das Land ist für die Einhaltung der Stickoxid-Grenzwerte verantwortlich und muss deshalb den Luftreinhalteplan für Stuttgart nachbessern. Das Verwaltungsgericht hielt bereits im Juli 2017 flächendeckende Fahrverbote für Dieselfahrzeuge unterhalb der Schadstoffklasse 6 für die einzig erfolgversprechende Maßnahme. Das Bundesverwaltungsgericht billigte im Februar 2018 das Stuttgarter Urteil.

Inzwischen hat das Land zwar eine „kleine Umweltzone“ mit entsprechenden Fahrverboten eingerichtet. Sie gilt aber nur in Teilen des Stadtgebiets. Damit werde das Urteil nach wie vor nicht korrekt umgesetzt, monierte die DUH und beantragte verschärfte Zwangsmittel. Auch die Verwaltungsrichter kamen nun zum Schluss, dass neue Maßnahmen erforderlich seien. Bereits zwei Mal hatte das VG Zwangsgelder gegen das Land verhängt, weil das Urteil von 2017 nicht ausreichend umgesetzt wurde. Doch die in der Verwaltungsgerichtsordnung vorgesehene maximale Summe von 10.000 Euro sei offensichtlich nicht ausreichend, das Land zum Einlenken zu bewegen, so die Richter.

Deshalb ging das VG nun dazu über, die strengeren Zwangsmittel der Zivilprozessordnung (ZPO) einzusetzen, die bis zur Zwangshaft gegen einzelne Amtsträger reichen. Das VG stützt sich dabei auf einen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts von 1999, das gegen renitente Behörden den Einsatz der ZPO-Zwangsmittel empfohlen hatte. Der Europäische Gerichtshof hatte Ende 2019 sogar den Einsatz von Zwangshaft für zulässig angesehen, um Luftgrenzwerte durchzusetzen – allerdings nur als letztes Mittel.

Das VG Stuttgart kam nun auch zum Schluss, dass Zwangshaft gegen Ministerpräsident Kretschmann noch unverhältnismäßig wäre. Erst sollten andere Mittel versucht werden. So erhöhten die Richter das Zwangsgeld diesmal auf 25.000 Euro. Es fließt auch nicht mehr an die Staatskasse (also von einer Staatstasche in die andere Staatstasche), sondern an die Kinderkrebshilfe. Und noch einen Tipp gaben die VG-Richter dem Land mit auf den Weg. Da es flächendeckende Diesel-Fahrverbote angesichts sinkender NO2-Belastung für überflüssig halte, solle es doch eine Vollstreckungsabwehrklage einlegen. Gerichtsurteile einfach zu ignorieren sei der falsche Weg.

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9 Kommentare

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  • Der Donald Trump der Grünen...

  • Komisch. In Deutschland verliert ein Auto seine Zulassung bereits, wenn nur ein falscher Auspuff angeschraubt wird. Aber wenn diese Massen an falschen Messungen durch falsch eingestellte und falsch aufgestellte Geräte alles in allem also nur falsche Messwerte geliefert haben, dann wird das als Grundlage für das Drohen mit Einknasten genommen? Ich höre ja wohl nicht richtig. Das Verfahren erinnert mich an die mittelalterliche Inquisition, die die Schuldigkeit von Hexen daran erkannt haben wollte, daß sie im Wasser nicht untergehen. Dann wurden sie eben verbrannt. Wenn sie aber abgesoffen sind, war das ein Zeichen für ihre Unschuld. Nur, sorry, eben tot. Hier scheint das Ergebnis ebenfalls vorher festgestanden zu haben. Das Verfahren erhöht jetzt nicht gerade mein Vertrauen in die Institutionen des Landes.

    • @Thomas Schöffel:

      Vorschlag zur Güte.

      Mal nen Auspuff aus der Neuzeit?! - Gell



      Sonst legen die ABE-Kasper - Sie noch ganz still. Gellewelle.

      • @Lowandorder:

        Wenn Ihnen denn dann mal in Zukunft die Umwelthilfe wegen Strommangels den PC lahmlegt, können Sie das ja mit dem Neuzeitauspuff zu beheben versuchen, gellewelle?

  • Herr Kretschmann ist tatsächlich einer der Gründe, warum Grüne für mich nicht wählbar sind.

    • @tomás zerolo:

      Sischer. CDU, SPD, AfD und Co machen es sicher viel besser....

  • Feinsinnig am Ende.

    Tja - die Jungs&Mädels aus Sturrgard.



    Kenne halt ihr Klientel. Gellewelle.



    Lehrers & Recht. Desch is halt so a Sach.

  • Herr Kretschmann zeigt mit seiner Verachtung unabhängiger Gerichte den ganzen moralischen Zustand regierender Eliten. So sieht es wohl aus in Deutschland. Ist man Ministerpräsident scheinen Gesetze für einen selbst nicht zu gelten. Da wünsche ich mir die Härten amerikanischer Rechtssprechung die mit Leuten wie Kretschmann kurzen Prozess machen würde.

    • @Goodfella:

      „Härten amerikanischer Rechtssprechung“???



      Warten wir erst einmal das aktuelle Amtsenthebungsverfahren ab – dann werden wir ja sehen, wie Gesetze in den USA umgesetzt werden.



      Ich denke, Herr Kretschmann möchte eben auch gerne wieder gewählt werden. Und die Deutschen sind beim Autofahren eben leider sehr nachtragend, um nicht zu sagen uneinsichtig.