Mali verbietet politische Parteien: Militärjunta greift durch
„Aus Gründen der öffentlichen Ordnung“ sind Aktivitäten politischer Parteien und Vereinigungen in Mali ab sofort verboten. Kritik wird abgewürgt.
Das heißt: Die Meinungsfreiheit wird noch weiter eingeschränkt, und Junta-Kritiker:innen können sich nicht mehr äußern. Schon in der Vergangenheit waren bekannte oppositionelle Stimmen wie Etienne Fakaba Sissoko und Oumar Mariko verhaftet worden. Letzterer lebt mittlerweile in der Elfenbeinküste und bezeichnete im Januar Interimspräsident Goïta und seine Gefolgsleute als „Friedenshindernisse“. In den vergangenen Monaten wurden außerdem mehrere Organisationen aufgelöst, darunter ein Zusammenschluss von Studierenden.
Das neue Dekret kommt auch aus einem anderen Grund nicht überraschend. Vergangene Woche hatten mehr als 80 politische Parteien und Organisationen der Zivilgesellschaft in zwei separaten Pressemitteilungen dazu aufgefordert, die längst überfällige Präsidentschaftswahl – sie sollte ursprünglich spätestens Februar 2024 stattfinden, wurde dann aber abgesagt – jetzt endlich vorzubereiten und so schnell wie möglich durchzuführen. Mali müsse zur verfassungsmäßigen Ordnung zurückkehren.
Das Netzwerk der Menschenrechtsverteidiger in Mali (RDDHM), dem mehr als 50 lokale Organisationen angehören, schrieb: „Das Land steckt in enormen Schwierigkeiten.“ Die immer wieder verlängerte Übergangsphase würde die Probleme nicht lösen. „Es ist an der Zeit, diese Sackgasse zu beenden.“
Das Militär regiert Mali seit August 2020, als der gewählte Präsident Ibrahim Boubacar Keita gestürzt wurde; in einem zweiten Putsch im Mai 2021 übernahm Putschistenführer Goita direkt die Macht. Die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS hat die Militärmachthaber regelmäßig aufgefordert, zur zivilen Herrschaft mit Mehrparteiensystem zurückzukehren. Doch erfolglos. Mali kündigte Ende Januar mit Burkina Faso und Niger, wo ebenfalls Militärs regieren, kurzerhand an, die Regionalorganisation mit sofortiger Wirkung zu verlassen. Kritik an der Verlängerung der Militärherrschaft wird abgeblockt.
Nach Einschätzung von Oberst Maïga befindet sich Mali nicht in einem „rechtlichen Vakuum“. Es seien andere Dinge wichtiger: der Kampf gegen bewaffnete Dschihadisten und Tuareg-Unabhängigkeitsgruppen. „Unter diesen Umständen können wir nicht akzeptieren, dass politische Debatten stattfinden.“
Seit der Machtübernahme des Militärs hat sich in Mali wie in der ganzen Sahelregion die Sicherheitslage allerdings weiter verschlechtert. Dafür verantwortlich sind nicht nur islamistische Gruppierungen, sondern auch staatliche Sicherheitskräfte, die mit der russischen Wagner-Miliz zusammenarbeiten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind