Mail aus Österreichs Innenministerium: Weniger Infos für kritische Medien
Österreichs Innenministerium verschickt an die Polizei Weisungen über den Umgang mit kritischen Medien. Wer unbequem ist, kriegt weniger Infos.
Namentlich werden die Tageszeitungen Der Standard und Kurier sowie die Wochenzeitung Falter genannt, die durch „sehr einseitige und negative Berichterstattung über das BMI beziehungsweise die Polizei“ aufgefallen seien. Der Falter deckt immer wieder Skandale im Bereich der Exekutive auf. Der Standard berichtet regelmäßig über FPÖ-Politiker, die in den sozialen Medien durch Nazi-Nostalgie auffallen. Zuletzt berichtete er über die engen Verflechtungen mehrerer FPÖ-Minister mit dem Waffenproduzenten Gaston Glock.
Den unbequemen Medien solle man „nicht noch Zuckerln“ ermöglichen, wie beispielsweise Exklusivbegleitungen. Ausdrücklich gelobt wird der Privat-Kanal ATV, der ab Januar in einer Serie „Live PD“ seinen Seherinnen und Sehern den Polizeialltag nahebringen will: „Jede Folge wird abgenommen und geht erst nach positiver Abnahme auf Sendung. Es handelt sich dabei um imagefördernde Öffentlichkeitsarbeit, bei der die Themen im Studio von uns bestimmt werden können.“
Kickl wünscht sich also Propagandainstumente, die seine Taten und die der Uniformierten preisen. Dass es bei der Arbeit der Pressestellen auch darum geht, die Angst vor Ausländern zu schüren, verrät eine weitere Anweisung in dier Email, deren Existenz vom Ministerium bestätigt wird. In Zukunft sollen in Pressekommuniqués über Straftaten die Staatsbürgerschaft und der Aufenthaltsstatus von Verdächtigen explizit genannt werden. Besonders Sexualdelikte seien verstärkt zu kommunizieren: „Vor allem Taten, die in der Öffentlichkeit begangen werden, besondere Modi Operandi (zum Beispiel Antanzen) aufweisen, mit erheblicher Gewalteinwirkung oder Nötigungen erfolgen oder wenn zwischen Täter und Opfer keine Verbindung besteht.“ Diese Informationen sollten auch „proaktiv ausgesendet“ werden, heißt es.
Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) kritisierte das Innenministerium und sprach sich gegen eine Ausgrenzung bestimmter Medien aus. „Für einen freien und unabhängigen Journalismus im Land tragen besonders Parteien und Regierungsinstitutionen sowie öffentliche Einrichtungen eine hohe Verantwortung. Jede Einschränkung von Pressefreiheit ist nicht akzeptabel“, sagte er am Rande der UN-Vollversammlung in New York.
Seine Regierung hat allerdings von Anfang an auf lückenlose „message control“ geachtet. Sie will die Themen vorgeben, über die berichtet wird. Der gewünschte Spin wird bei der Präsentation von neuen Projekten gleich mitgeliefert. Selbst Fotos steuern die Ministerien so weit wie möglich. Kanzler Sebastian Kurz lässt bei seinen Auslandsreisen nur offizielle Fotografen an sich heran und verschickt dann Bilder, die ihn meist in erklärender Pose mit den Großen dieser Welt zeigen.
Das Innenministerium beeilte sich nach ersten empörten Kommentaren noch am Montagabend klarzustellen, es handle sich lediglich „um Anregungen und Kommentare ohne jeden Verbindlichkeits- oder gar Weisungscharakter“. Autor sei Ressortsprecher Christoph Pölzl. Minister Kickl sei „weder Auftraggeber noch Empfänger dieser Mitteilung“. Dass Pressesprecher eigenmächtig derart detaillierte Empfehlungen geben, ist unüblich und wenig glaubwürdig. Für die Medienverantwortlichen spricht aus dem Rundschreiben eine neue Qualität der Medienkontrolle. Vom „Fake news“-Vorwurf Donald Trumps ist diese Unterscheidung zwischen „guten“ und „bösen“ Medien nur mehr Nuancen entfernt.
In seiner Stellungnahme wiederholt das Ministerium, dass „der Verdacht der Voreingenommenheit gegenüber gewissen Medien durchaus nicht aus der Luft gegriffen ist“. So habe der Kurier getitelt: „Geheimpapier: Kickls brisante Medienkontrolle“ und Der Standard habe kommentiert: „Innenminister Kickl greift die Medienfreiheit frontal an“. Dadurch werde „eindeutig der Eindruck erweckt, diese Empfehlungen würden persönlich vom Innenminister stammen und/oder seien zumindest in seinem Auftrag geschrieben worden“. (mit dpa)
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