Macrons Taktieren vor der Stichwahl: Den Weg zurück verbaut

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron gilt als Sowohl-als-auch-und-zugleich-Politiker. Der Ausgang der Stichwahl scheint ihn nichts mehr anzugehen.

Präsident Emmanuel Macron schaut nach rechts, hinter ihm grünes, unscharfes Buschwerk

Emmanuel Macron am Tag der Bastille: Gab es da womöglich einen verborgenen Plan, der für uns einfache Gemüter nicht sofort erkennbar ist? Foto: Aurelien Morissard/reuters

Sorgenvoll fragt man sich in Frankreich, aber auch im benachbarten Europa, was Präsident Emmanuel Macron sich gedacht haben mag, als er wie aus einem großen Ärger über seine Niederlage bei der Wahl der EU-Abgeordneten die Nationalversammlung auflöste und seinen verdutzten Landsleuten Neuwahlen anordnete. Denn es ist offensichtlich, dass dies für ihn so ziemlich der ungünstigste Moment war, um alles aufs Spiel zu setzen.

Gab es da womöglich einen verborgenen Plan, der für uns einfache Gemüter nicht sofort erkennbar ist? Vergeblich sucht man auch in den Zeitungen und Analysen von Experten der französischen Politik eine rationale oder wenigstens plausibel erscheinende Erklärung. „Der Wahlpoker vom 9. Juni mit der Ankündigung der Auflösung (der Nationalversammlung) ist eine totale Pleite“, konstatiert ein Leitartikel von Le Monde, in dem alle noch möglichen Optionen abgewogen werden, die ­Macron nach den Stichwahlen vom Sonntag haben wird.

Seit der ersten Runde hat der Präsident nichts zu seiner Rechtfertigung gesagt. Als ob ihn das jetzt alles gar nichts mehr angehen würde. In einer publizierten kurzen Mitteilung wünschte er zwar eine „breite nationale“ Einheit der demokratischen Kräfte, die „klar“ hinter der Republik stehen. Doch wie meistens mit diesem Sowohl-als-auch-und-zugleich-Politiker ist nichts klar, vor allem nicht die Antwort auf die entscheidende Frage, wen er zu den aufrechten Demokraten zählt und wen nicht.

Im Vorfeld der ersten Wahlrunde hatte er aus einer sehr kurzfristigen taktischen Überlegung die Linke pauschal als „antiparlamentarisch“ und „antisemitisch“ verleumdet. Indem er seine Landsleute in dieser exzessiven Weise vor der Wahlunion seiner linken Gegner warnte, hat er sich selber den Weg zurück in die politische Rationalität verbaut. Denn mit welcher Legitimität und Glaubwürdigkeit kann er jetzt, bloß ein paar Tage danach, die ihm verbliebenen Anhänger des Macronismus zu einer Abwehrfront mit dieser verteufelten Linken gegen die extreme Rechte aufrufen?

Und dann auch noch: Wie sollen die Franzosen und Französinnen ihrem Staatschef vertrauen, der laut der Verfassung das letzte Bollwerk der Demokratie ist, in seinem scheinbar unüberlegten Handeln aber Voraussicht nach einen monumentalen und geradezu grotesk anmutenden Irrtum begangen hat?

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Frankreich-Korrespondent der taz seit 2009, schreibt aus Paris über Politik, Wirtschaft, Umweltfragen und Gesellschaft. Gelegentlich auch für „Die Presse“ (Wien) und die „Neue Zürcher Zeitung“.

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