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MDR-Doku-Serie „Generation Crash“Die Scham der Eltern

In der MDR-Serie „Generation Crash“ schildern sieben Nachwendekinder ihr Aufwachsen in Ostdeutschland. Eine Zeit geprägt von Angst, Gewalt und Scham.

Soziologin Katharina Warda spricht in „Generation Crash“ von ihren Ängsten und Punk als Rettung Foto: Schulz & Wendelmann/MDR

Eine Zeit, geprägt von Angst, Gewalt und Scham. Rennen musste man können, damals im Ostdeutschland der neunziger und der nuller Jahre, um nicht aufs Maul zu bekommen. In diesen Punkten sind sich die sieben Prot­ago­nis­t*in­nen der zweiteiligen MDR-Dokumentation „Generation Crash – Wir Ost-Millennials“ einig. Sie alle sind in den achtziger Jahren in der DDR geboren, direkt hinein in den Crash des Realso­zia­lis­mus.

In „Generation Crash“ werden die gelebten Erfahrungen der sieben Nachwendekinder zu einer losen Oral History dieser Zeit verwoben. Das funktioniert deswegen so gut, weil die subjektiven Perspektiven eine Möglichkeit des Austauschs, auch über die Sicht von PoC und queeren Personen auf die Nachwendezeit bieten. Durch die Collage der wechselnden Interview-Sequenzen und eingespieltem Archivmaterial entwickelt sich ein interessanter Dialog über die Ursachen von Angst und Scham.

Da ist zum Beispiel Apolda, Kleinstadt in Thüringen und ehemaliges Zentrum der DDR-Textilindustrie. Anna Stiede, Politikwissenschaftlerin und geboren in Jena, erzählt davon, dass nach der Abwicklung des Betriebs die Zahl der Mit­ar­bei­te­r*in­nen radikal von über 10.000 auf wenige Hundert geschrumpft wurde. In einem Einspieler spricht eine verzweifelte Textilarbeiterin über ihre Suizidgedanken. Etwas Ähnliches, erzählt Stiede, passierte in Bischofferode, wo Mit­ar­bei­te­r*in­nen des dortigen Bergbaubetriebs sogar in den Hungerstreik traten.

Finanzielle Not und Identitätsverlust

All das sind Erkenntnisse, die Stiede erst in den letzten Jahren hatte. In ihrer Kindheit war kein Raum für Reflexion. Die Eltern und Großeltern wollten nicht sprechen. Und ohnehin stand an erster Stelle der Selbstschutz. Ihre Wege durch die Stadt, sagt Stiede, seien von Angst geprägt gewesen. Auch die Soziologin Kathrin Warda, geboren in Wernigerode, schildert ähnliche Erfahrungen. Sie erzählt, dass sie sich in Büschen versteckte, wenn sie auf gefährliche, also gewaltbereite rechte Gruppen traf. Die Eltern reagierten darauf mit dem Vorschlag, einfach zu Hause zu bleiben. Es gab, sagt Warda heute, keinen souveränen Umgang mit der Situation, die für viele finanzielle Not und einen Identitätsverlust bedeutete. Zugeben wollte das niemand. Zu weinen, sagt Hendrik Bolz, Autor und Musiker, geboren in Leipzig, war keine Option. Angst sei dadurch kompensiert wurden, selbst tätig zu werden. Heißt: jemandem die Nase zu brechen.

Die Doku

„Generation Crash – Wir Ost-Millennials“, in der ARD-Mediathek

In „Generation Crash“ wird der Prozess der Auseinandersetzung von Bolz, Stiede, Warda und den anderen mit den Nachwendejahren offengelegt, die bis heute gesamtgesellschaftlich wirken. Für die Doku gehen sie an Orte zurück, die sie aus guten Gründen verlassen haben, treffen alte Bekannte, stellen sich ihren Emotionen. Sie brechen mit der Scham der Elterngeneration. Viele andere verdrängen dagegen weiter. Stiede erinnert sich an den „Obernazi“ aus ihrer Schule. Der erzählte stolz, wie er den Kopf einer Person auf den Bordstein legte. Eine Erfahrung, die sie bis heute beschäftige. Vor Kurzem habe sie den Mann, laut eigener Aussage mittlerweile Neonazi-Aussteiger, damit konfrontiert. Der, sagt Stiede, habe sich angeblich nicht erinnern können.

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16 Kommentare

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  • Ich frage mich, ob das nur ein rausgepickter Zeitpunkt ist und das nicht zwangsläufig mit der Wende zu tun hatte. Bzw. dadurch evtl. nur verstärkt wurde. Denn mein Mann ist in der DDR groß geworden (Jahrgang 70) und was er aus seiner Kindheit und Jugend erzählt, die deutlich früher begann als ´89 deckt sich hinsichtlich Gewalterfahrungen unter Jugendlichen. Er musste auch immer rennen, zumindest als er noch kleiner war als die Aggressoren. Nur, weil er rote Haare hatte bzw. es gab immer einen Grund.

    • @J.An:

      Das kann ich nicht bestätigen! Ich bin in der Platte in Magdeburg groß geworden (BJ71) und mußte nicht rennen oder mich verstecken. Klar gab es immer die Großen, die man lieber in Ruhe gelassen hat, aber haben auch Respekt vor der staatlichen Autorität gehabt. Im Freibad gab es keinen Stress und ich hatte auch keine Angst mit dem Fahrrad im Dunkeln vom Training zu kommen. Wenn es wirklich mal ernst wurde, hat der ABV eingegriffen und die Ordnung wieder hergestellt. Etwas was ich heute mit der Polizei vermisse.

      • @Traktourist:

        Grad ne rothaarige Kollegin (58) gefragt und sie sagte, dass die wegen ihrer roten Haare immer angegangen wurde.

  • Hab ich als Ossi, Baujahr 1978, ab 1990/1991 in Jena (Lobeda West) gewohnt, gar nicht wahrgenommen.



    Ich wurde nicht gejagdt, oder habe solche Szenen beoachtet oder aggressive/gewalttätige Gruppen, außerhalb von Fußballveranstaltungen, wahrgenommen.

    Bin ich da jetzt die einzige Ausnahme?

    Mobbing in meiner neuen Schule habe ich mitbekommen. Zwar nicht mir gegenüber aber wegen dem Verhalten der Klasse und der Lehrer habe ich die Schule wechslen müssen, weil es mich depressiv machte (zusammen mit dem Verlust meiner alten Schulfreunde und dem gewohnten Zusammenhalt der Klasse).

    Die Existenzängste durch Jobverlust habe ich bei meiner Mutter schon bemerkt auch wenn sie versuchte es gegenüber uns Kindern sich nicht anmerken zu lassen. Als es dann mal durchsickerte, dass wir kein Geld mehr haben und sie nicht weiß wie es weiter gehen soll, da bekam ich auch Angst.



    Allerdings bekam sie Unterstützung von ihrer Mutter und einem Freund und machte sich erfolgreich selbstständig.

  • "Na wie in den 90ern als es hier noch keine Kriminalität gab und es auf den Straßen sicher war. Ach Sie meinen die Zeit als uns die Naziskins auf den Straßen gejagt haben und ihr nur zugesehen habt? Danach folgt meist betretenes Schweigen."

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    Na was erwarten Sie denn für ne Antwort ? "Ich möchte das wieder alles so wird wie vor dem Mauerfall" ? Oder eher "So wie es jetzt ist ist es einfach wunderbar, ich finde diese Zersetzung der Gesellschaft mit Finanzkrise 2008 und den Flüchtlingsströmen seit 2015 super, das beste Deutschland aller Zeiten" ?

    Machen Sie sich doch nichts vor. Ihr Gesprächspartner hat sich lediglich für einen Zeitraum mit den geringsten Kollateralschäden entschieden.

  • Wirklich eine sehr sehenswerte Doku...die mich sowohl nachdenklich, wie neugierig macht..

    Ich glaube es gibt noch sehr viele Geschichten aus der Zeit als ein ganzes Volk von den trügerischen Verheißungen des Westens überrollt wurde.mit all den Gefühlen, für die kein Raum war und wo so vieles verschwiegen wurde, da sich ja scheinbar niemand dafür interessierte..

    Die Zeit ist reif.. Ich möchte diese Geschichten hören, um besser zu verstehen...und auch damit am Ende zusammen wächst, was zusammen gehört...

    • @Wunderwelt:

      Kommt eigentlich noch jemand auf die Idee, dass es 50 Jahre DDR waren, von denen das angeblich zu dumme Volk die Nase bis unter die Haarspitzen voll hatte, das soviel kaputt gemacht hatten, dass an einen "normalen" Übergang im Traum nicht zu denken gewesen wäre?

      Es gäbe die DDR noch heute. Aber nur wenn irgendetwas - Irgendetwas! - darin so toll gewesen wäre, dass es dem angeblich ach so miesen, kalten, fürchterlichen "Westen" das Wasser hätte reichen können!

      Wieso soll "der Westen" für das Elend der Wende verantwortlich sein - und nicht die DDR - oder gar ihre Ex-BewohnerInnen?! Oder der Teil davon, der jetzt nicht mehr Es-Stasi, IM oder Ratsvorsitzender oder Kapo etc. genannt werden möchte...?!

      • @agtaz:

        "Wieso soll "der Westen" für das Elend der Wende verantwortlich sein - und nicht die DDR - oder gar ihre Ex-BewohnerInnen?! "



        Die Antwort steht u.a. in dem Buch "Der Verlust" von Anita Blasberg. Die Treuhand hatte die Mission "Plattmachen" und nicht "Blühende Landschaften".

      • @agtaz:

        @AGTAZ, der Westen ist für die Art und Weise der Abwicklung des Ostens verantwortlich! Genauso, wie sie hier überheblich und ignorant die DDR-Bewohner verunglimpfen, hat sich die neue Obrigkeit aus 4. und 5. Reihe Westbeamten (mit 1500 DM Buschgeld unversteuert mntl.) aufgeführt und die dummen Ossis belehrt. Übrigens hat die DDR 40 Jahre bestanden 7.10.1949-2.10.1990... #Besserossi :-)

  • Ich, Westkind, habe diese Perspektive erstmals von einer Mitarbeiterin aus Bautzen gelernt. Das Leben war geplant, dann übernahmen Wessis den Betrieb, haben fast alle rausgeschmissen und ihr Lebensarbeitsplan war dahin. Damals hat die Politik es den Rechten zu leicht gemacht. War mir so damals nicht klar.

    • @larasu:

      Man darf nicht vergessen, dass sich das Gros der Menschen damals für den Westen entschieden hat. Das ist das eigentlich Spannende: Warum konnten sich die Kräfte nicht durchsetzen, die eine Alternative schaffen wollten? Warum war so wenig Fantasie und Initiative da, um etwas eigenes zu schaffen?

      Ich bin immer wieder fasziniert von der Treuhand oder von Menschen wie Thomas Kemmerich - er kam als Berater in den Osten und hat u.a. die Produktionsgenossenschaft der Friseure übernommen. Das ist so lustig, weil die Damen sicher auch allein als Genossenschaft weiter Haare geschnitten und damit für sich selbst gearbeitet hätten. Aber die Friseur Masson AG mit dem Vorstand Kemmerich ist natürlich die bessere Variante. Denn echt jetzt Produktionsgenossenschaft klingt ja schon so ostig. Da brauchte es einfach frischen Wind sowie Subventionen für Kemmerich & Co.

      • @Niemals:

        weil die Ossis keine Kredite zur Übernahme der Firmen bekommen haben! Das war in der Industrie und in der Landwirtschaft das Gleiche.

      • @Niemals:

        Mich wundert das nicht. Der Großteil der Ossis war kleinbürgerlich Spießig und die sind sehr eingeschränkt was Alternativen betrifft!

  • Die gesamte Nachwendezeit ist ein gesellschaftliches Tabu und wurde nie aufgearbeitet. Einen Dialog den ich aktuell mit AfD Wählern hier beinahe täglich führe geht ungefähr so. Welche frühere, bessere und sichere Zustände wollen Sie denn zurück? Na wie in den 90ern als es hier noch keine Kriminalität gab und es auf den Straßen sicher war. Ach Sie meinen die Zeit als uns die Naziskins auf den Straßen gejagt haben und ihr nur zugesehen habt? Danach folgt meist betretenes Schweigen.



    Wir haben damals in der Jugendarbeit hier um jede Seele gekämpft, da bei vielen Jugendlichen nur die Clique oder wo es die hübscheren Mädchen gab darüber entschied, ob sie bei den Glatzen landeten oder eben nicht. Es gab eben nur 2 Optionen altersgerecht zu rebellieren. Die Eltern waren ja zumeist durch die Transformation so beansprucht, dass Jugendliche kaum Orientierung aus der Familie erhielten. In diese Leerstelle sind die Rechten mit großem Mittelaufwand eingestiegen.



    Die Rolle der sächsischen CDU damals und ganz besonders die Herkunft der Gelder die in rechte Jugendzentren und Propaganda gewandert sind, sollte dringend aufgearbeitet werden.

    • @Šarru-kīnu:

      sehr guter Kommentar! Wir (beide Ossis) sind damals viel gependelt und haben immer Mitfahrer gesucht. Es waren fast nur junge Mädels, die echt genug hatten von ihren Freunden und dem Umfeld und sich im Westen eine eigene neue Existenz aufgebaut haben. Es sind damals leider sehr viele inteligente und begabte Leute aus dem Osten weggezogen und das macht sich auch heute noch bemerkbar...

      • @Traktourist:

        Schon klar.... nur noch Deppen im Osten. Gehts noch?



        Wer sich mal die Reportagen im Öffentlichen anschaut, wie und was die Treuhand abgewickelt hat, braucht sich nicht über die Zustände damals zu wundern. Und da sind wir wieder bei den Eltern der Wendezeit, welche den Blick auf Ihre Kinder verloren haben, weil sie selbst erst einmal mit der Situation klar kommen mussten. Ich würde gerne weiter diskutieren, aber über einen Chat kommt da vieles nicht so rüber. Ich bin übrigens Bj 1976 und in der DDR geboren, wohne noch dort und rege mich noch heute über die Lohndifferenz (eine Frechheit nach über 30Jahren) Ost/West auf.



        Und da gibt es noch viel mehr, was die Leute da antreibt.