Lösung für die „Sea-Watch 3“: Salvinis Erfolg
Das NGO-Schiff darf in Italien anlanden. Der Gerichtshof für Menschenrechte hatte dem rechten Innenminister Salvini zuvor Aufwind gegeben.
Noch am Dienstag dagegen hatte die deutsche NGO Sea Watch, die das gleichnamige Schiff betreibt, vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) eine Niederlage erlitten. Sie hatte den EGMR in einem Eilverfahren angerufen, in der Hoffnung, das Gericht möge endlich Rom zwingen, den Landgang zuzulassen.
Doch der EGMR verpflichtete Italien nur darauf, Lebensmittel, Trinkwasser und medizinische Versorgung bereitzustellen. Damit wäre Italiens Innenminister Matteo Salvini, dem Chef der rechten Lega, ein weiterer Erfolg in seiner Politik der „geschlossenen Häfen“ sicher. Nach dieser weigert sich Italien, im Mittelmeer geretteten Flüchtlingen und Migranten Aufnahme zu gewähren.
Auch die Tatsache, dass Italiens Justiz Salvini jetzt im Gefolge der Blockierung eines Schiffs im vergangenen August wegen Freiheitsberaubung belangen will, bringt den Minister nicht aus der Ruhe. Am Dienstag trat der Immunitätsausschuss des Senats zusammen, der vom „Ministertribunal“ der sizilianischen Stadt Catania angerufen wurde.
Salvini bringt seine Koalitionspartner in Schwierigkeiten
In dem Fall geht es um das Schiff der italienischen Küstenwache „Diciotti“, eines Schiffs des Staates also. Das lag nach der Rettung von 177 Menschen tagelang im Hafen von Catania, während Salvini den Landgang der Flüchtlinge verweigerte. Erst nach zehn Tagen gab er nach.
Ursprünglich hatte Salvini erklärt, er werde sich gerne vor Gericht verantworten, doch am Dienstag vollzog er eine Kehrtwende. Er verlangt nun, der Immunitätsausschuss solle den Antrag des Gerichts abschmettern, denn er habe im übergeordneten nationalen Interesse gehandelt. In Schwierigkeiten bringt er damit vor allem seine Koalitionspartner vom Movimento5Stelle (M5S, die 5-Sterne-Bewegung).
Zu deren Markenkern gehört nämlich, dass Politiker sich Gerichtsverfahren stellen und nicht hinter ihrer Immunität verstecken sollen. Mehr noch: Das M5S fordert die Abschaffung der Immunität und gewährte deren Aufhebung regelmäßig in Fällen, in denen Parlamentarier aus den eigenen Reihen betroffen waren.
Die Lega fühlt sich durch Umfragen bestärkt
Das Movimento versucht sich aus dieser Zwickmühle mit der Erklärung zu retten, die gesamte Regierung habe im August 2018 Salvinis Entscheidung mitgetragen. Sie könnten so dem Antrag des Ministertribunals stattgeben, zugleich die Justiz aber dazu zwingen, auch gegen Regierungschef Giuseppe Conte und die anderen Minister ein Verfahren zu eröffnen.
Doch gegenwärtig scheint Salvini nicht geneigt, sich auf eine solche Lösung einzulassen. Unverblümt erklärten diverse Lega-Politiker seine Causa und das Nein zur Immunitätsaufhebung zur Koalitionsfrage. Sie tun dies aus einer Position der Stärke heraus: Die migrantenfeindliche Politik der Regierung wird von 56 Prozent der Bevölkerung gebilligt, und die Lega liegt in Umfragen derzeit bei 32 Prozent, während die Fünf Sterne auf 25 Prozent abrutschten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Ex-Mitglied über Strukturen des BSW
„Man hat zu gehorchen“
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!