Migration nach Italien: „Diciotti“ wird Salvini gefährlich
150 Migranten dürfen das Rettungsschiff Diciotti in Catania verlassen. Die italienische Justiz ermittelt nun gegen den Innenminister.
Erst in der Nacht zum Sonntag durften sie vor Bord gehen, nachdem laut Salvini Albanien, Irland und die katholische Kirche in Italien sich zu ihrer Aufnahme bereiterklärten. Vor Anhängern im norditalienischen Pinzolo sagte Salvini, es eine Schande, dass gegen ihn ermittelt werde. Schließlich habe er die Rechte der Italiener verteidigt. In Rom befragte derweil ein Staatsanwalt mehrere Mitarbeiter des Innenministerium. Offiziell richteten sich dessen Ermittlungen gegen Unbekannte.
Die Regierung hatte den überwiegend aus Eritrea stammenden Migranten an Bord des seit Montag in Catania liegenden Küstenwachenschiffs tagelang verboten, an Land zu gehen, solange keine Aufnahmezusagen anderer EU-Staaten vorlägen. Die Opposition und Bürgerrechtler kritisierten dies scharf. Der für eine strikte Einwanderungspolitik stehende Rechtspopulist Salvini blieb dennoch hart und erklärte, er betrachte die Angriffe gegen sich als „Ehrenauszeichnung“.
Am Samstag wurde dann zunächst 13 Migranten nach einer ärztlichen Untersuchung erlaubt, von Bord zu gehen. Es war das erste Mal, dass sie wieder festen Boden unter den Füßen hatten, seitdem sie mindestens zehn Tage zuvor in Libyen aufgebrochen waren, um nach Europa zu gelangen. Sie wurden anschließend in ein Krankenhaus in Catania gebracht. Italienische Medien berichteten, es bestünde in drei Fällen Verdacht auf Tuberkulose und in zweien auf Lungenentzündung. Mediziner vor Ort bestätigten dies nicht.
Die 137 übrigen Migranten verließen die „Diciotti“ schließlich in den frühen Morgenstunden am Sonntag. Sie wurden in ein Aufnahmezentrum in der sizilianischen Stadt Messina gebracht. Das Nicht-EU-Mitglied Albanien hat angeboten, 20 Migranten zu übernehmen. Irland ist bereit, 20 bis 25 der Migranten aufzunehmen. Der Rest soll auf Diözesen verteilt werden.
„Die Kirche hat ihr Herz und ihren Geldbeutel geöffnet“, sagte Salvini. Auf den Steuerzahler kämen „null Kosten“ zu. Ministerpräsident Giuseppe Conte übte schwere Kritik an der EU. Diese habe Italien hängenlassen. Es sei gegen das Solidaritätsprinzip verstoßen worden. Er drohte damit, den derzeit debattierten mehrjährigen EU-Etat Italiens Unterstützung zu entziehen.
Italien beklagt sich seit längerem, dass es in der Europäischen Union die Hauptlast der Migration trage. Seit 2014 erreichten mehr als 650.000 die italienische Küste.
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