Lösung für den Checkpoint Charlie: Entspekuliert
Jahrelang ging nichts mehr am ehemaligen Grenzübergang. Nun sichert sich das Land zwei Grundstücke für einen Stadtplatz und einen Erinnerungsort.
Nun aber scheint der Gordische Knoten am ehemaligen Grenzübergang durchtrennt. Am Checkpoint Charlie, freute sich am Dienstag Finanzsenator Daniel Wesener (Grüne), „gibt es nun endlich Bewegung“.
Seit Monaten schon verhandeln Weseners Verwaltung und der Insolvenzverwalter über einen Verkauf zweier Teilflächen, auf denen ein Stadtplatz und ein „Bildungs- und Erinnerungsort“ entstehen sollen. Beide Nutzungen sind Teil eines Bebauungsplans, den der Senat 2019 und das Abgeordnetenhaus Anfang 2020 beschlossen hat. Nach dem Beschluss, der auch bedeutet, dass nicht die gesamte leerstehende Fläche bebaut werden darf, ist der damalige Investor Trockland abgesprungen.
„Der Erwerb der beiden Flächen ist für das Land Berlin eine große stadtentwicklungspolitische Chance“, freut sich Wesener und kündigt an, der „Verantwortung gegenüber diesem geschichtsträchtigen Ort“ gerecht werden zu wollen.
Brandbrief als Wachmacher
Tatsächlich hat es der Senat mit dieser Verantwortung lange Zeit nicht so ernst genommen. Es bedurfte erst eines Brandbriefes des Landesdenkmalamtes und der Architektin Theresa Keilhacker, um das Land Berlin als Player in die Debatte um die Zukunft des Ortes zurückzubringen.
Das war 2018. Der taz hatte Keilhacker, die inzwischen Präsidentin der Berliner Architektenkammer ist, gesagt: „Der Senat muss sein Vorkaufsrecht nutzen, um am Checkpoint Charlie eine andere Entwicklung zu ermöglichen.“
Bis dahin sah alles nach einer typischen „Berliner Lösung“ aus. Weil es einen Letter of intent des Investors Trockland gab, in einem der Gebäude das vom Senat geplante Museum des Kalten Krieges unterzubringen, waren weder der damalige Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) noch Kultursenator Klaus Lederer (Linke) besonders erpicht, das Vorkaufsrecht zu ziehen. Ein Gamechanger war dann die Unterschutzstellung des Checkpoint Charlie zum Denkmal. Die Weite der ehemaligen Grenzanlagen sollte auch in Zukunft erkennbar sein. Der Bebauungsplan von 2020 ist damit auch ein Erfolg für all diejenigen gewesen, die eine „andere Entwicklung“ für möglich hielten.
Nun also hat sich das Land die Flächen für Platz und Erinnerungsort gesichert. Zustimmen müssen noch der Senat und das Abgeordnetenhaus. Der Rest der Flächen soll gemeinsam mit einem Investor entwickelt werden. Geplant sind 200 bis 300 Wohnungen, von denen ein Drittel bezahlbar sein muss. Die Baufläche beträgt 45.000 Quadratmeter, von denen fast zwei Drittel westlich der Friedrichstraße liegen. Dort ist auch ein Hochhaus mit einer Höhe von bis zu 60 Metern möglich. Der Bildungs- und Erinnerungsort, zu dem auch das Museum des Kalten Krieges gehört, ist auf der östlichen Seite der Straße vorgesehen.
Weil der Bebauungsplan nur die zu bebauende Fläche festlegt, aber keine Architektur, soll es im Anschluss an den Kaufvertrag einen Architekturwettbewerb geben. Damit soll, wie es Theresa Keilhacker gefordert hat, „ein lebendiges gemischtes Quartier in Verbindung mit der neu zu gestaltenden Flaniermeile Friedrichstraße“ entstehen.
Museum oder nicht?
Gut möglich, dass der Wettbewerb aber auch neue Diskussionen mit sich bringt. Der stadtentwicklungspolitische Sprecher der Grünen, Julian Schwarze, kann sich zum Beispiel vorstellen, dass ein Bildungs- und Erinnerungsort auch ohne Neubau entstehen kann. „Die bisherige Ausstellung zeigt, dass man da auch mit Open-Air-Elementen arbeiten kann“, sagt Schwarze der taz. Die Kulturverwaltung betont demgegenüber noch einmal die historische Bedeutung des Ortes „als Schauplatz der deutschen Teilung und als Brennpunkt des weltumspannenden Kalten Kriegs“. Dieser Mythos locke jährlich über vier Millionen Besucherinnen und Besucher aus der ganzen Welt an.
Ein „moderner, hochwertiger Bildungs- und Erinnerungsort“ sei deshalb wichtig. Dazu, so heißt es in der Stellungnahme des Hauses von Kultursenator Klaus Lederer, „bedarf es einer räumlichen Gestaltung des Ortes“. Im Klartext: Klaus Lederer hat das Museum noch nicht aufgegeben.
Einzelheiten sollen in einem Dialogverfahren geklärt werden. Dabei sollen nicht nur städtebauliche Fragestellungen diskutiert werden, heißt es in der Kulturverwaltung, sondern auch die Aspekte Kultur, Denkmalschutz, Tourismus, Verkehr und Freiraum.
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