piwik no script img

Lithiumabbau im sächsischen ZinnwaldZukunft unter Tage

Rentabilitätsfragen bremsen die Akku-Selbstversorgung bei der Elektromobilität. Dabei könnte der Abbau des Trendmetalls längst begonnen haben.

Der sächsische Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) sieht sich unter Tage im Zinnwald um Foto: Robert Michael/dpa

Dresden taz | Erstaunliche zehn Jahre liegen erste Absichtserklärungen zurück, im alten Bergbaugebiet Zinnwald auf dem Kamm des Erzgebirges das Trendmetall Lithium abzubauen. Die taz spekulierte damals auch über ein neues „Berggeschrey“, jenem mit den ersten Silberfunden bei Freiberg 1168 beginnenden Boom, der Sachsens wirtschaftlichen Aufstieg begründete. Trotz gestiegener Nachfrage nach dem für Akkumulatoren wichtigen Leichtmetall ist die Euphorie inzwischen der Nüchternheit gewichen. Im Oktober 2021 prognostizierte die in Freiberg ansässige Deutsche Lithium GmbH einen Förderbeginn in Zinnwald frühestens 2025.

Schon länger sind aus Mobilgeräten wie dem Handy die besonders effektiven Lithium-Ionen-Akkus bekannt. Mit dem forcierten Ausbau der Elektromobilität ist deren Bedeutung als Energiespeicher enorm gewachsen. Für den Akku eines Elektroautos werden zehn bis zwölf Kilogramm des Alkali-Metalls benötigt. Gewonnen wird es meist aus Salzlaugen, seltener im Berg- oder Tagebau aus Silikaten.

Deutschland aber importiert derzeit seinen gesamten Lithiumbedarf. 80 Prozent der Weltproduktion kommen aus Chile, Argentinien und Australien; China holt auf. Auf dem fünften Kontinent wird das begehrte Metall relativ umweltschonend in Minen abgebaut. In Lateinamerika aber sind die Schäden durch verdunstende Salzlake immens. Salzrückstände werden in Lithiumkarbonat umgewandelt. Der enorme Wasserverbrauch führt zur Ausbreitung von Wüsten wie der Atacama-Wüste an der Pazifikküste. Lebensgrundlagen der indigenen Bevölkerung werden zerstört.

Solche Folgen wären in Deutschland nicht zu befürchten. Im Osterzgebirge würde Lithium auf klassische Weise im Berg gewonnen, wofür zu geschätzten Kosten von 30 Millionen Euro ein Stollen gebaut werden müsste. Allein auf sächsischer Seite werden 125.000 Tonnen Vorräte vermutet, auf tschechischer Seite etwa das Doppelte. Das Gestein enthält aber nur 0,3 Prozent Lithiumanteile, sein Abbau wäre weitaus uneffektiver als bei der weltweiten Konkurrenz.

Unter dem Rhein

Ähnlich schonend könnte die Anwendung eines im Karlsruher Institut für Technologie KIT entwickelten Verfahrens verlaufen. Aus ohnehin für die Geothermie genutzten warmen Tiefengewässern unter dem Oberrheingraben könnten als Nebenprodukt lithiumhaltige Salze gewonnen werden. Bis zu 200 Milligramm pro Liter werden erwartet. Abraum fällt nicht an, und der Flächenverbrauch wäre minimal. Derzeit betreibt Vulcan Energie nach der Methode der KIT-Wissenschaftler eine Modellanlage. Pläne sehen einen großtechnischen Betrieb ab 2024 vor.

Doch wie rentabel sind solche deutschen Versuche, vom Weltmarkt unabhängiger zu werden? Firmen wie die schwäbische ACI, die ihre Fühler nach Bolivien ausgestreckt hatte, wurden im Vorjahr von der dortigen Regierung gestoppt. Bei Nachfragen nach der Wirtschaftlichkeit solcher Abbauvorhaben unter vergleichsweise schonenden, aber deshalb auch teureren Bedingungen in Deutschland fällt die geringe Auskunftsbereitschaft auf.

Seit Oktober ist die Zinnwald Lithium Plc hundertprozentiger Gesellschafter der Deutschen Lithium GmbH. Der bisherige Geschäftsführer Prof. Armin Müller möchte deshalb keine Auskunft mehr geben. Die 2019 erstellte Machbarkeitsstudie zu Zinnwald wurde im vergangenen August von der Webseite genommen. Auch an der Bergakademie Freiberg blieben Nachfragen erfolglos.

Prof. Herd

Gesprächsbereit zeigt sich hingegen der Geologe Rainer Herd von der BTU Cottbus. Grundsätzlich findet der Professor die Auslotung einheimischer Rohstoffpotenziale gut. Die Coronakrise habe gezeigt, dass vollständige Abhängigkeiten von Importen nicht ratsam seien. Der Staat habe auch die Pflicht, solche Erkundungen wissenschaftlich zu begleiten. Die wirtschaftlichen Aspekte seien zwar nicht sein Fachgebiet, stünden bei Abbauprojekten aber klar im Vordergrund.

In diesem Zusammenhang verweist Professor Herd auf die hohen Vorlauf­investitionen in eine Erschließung, die sich auch nach zehn Jahren noch rentieren müssten. Dem stehen die starken Schwankungen der Weltmarktpreise entgegen. So meinte auch Professor Müller von der Deutschen Lithium in einem Zeitungsbeitrag vom Juni dieses Jahres, „dass es im Schnitt von hundert Rohstoffprojekten nur zwei bis zum tatsächlichen Abbau schaffen, und das in einem Zeitraum von 13 bis 15 Jahren“. Auch das Sächsische Wirtschaftsministerium will Chancen und Rentabilität eines Abbauprojektes wie auf dem Erzgebirgskamm nicht bewerten. Pünktlich zu Weihnachten 2021 schwärmte aber Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) mit Blick auf die überarbeitete Rohstoffstrategie Sachsens tatsächlich von einem „neuen Berggeschrey“.

Ähnlich vage sind die Prognosen, wie stark der Lithiumbedarf wirklich ansteigen wird. Die Elektromobilität entwickelt sich noch nicht wie gewünscht, und mit Natrium-Ionen-Akkus oder der sogenannten Feststoffbatterie werden bereits Speicheralternativen entwickelt. Das Darmstädter Öko-Institut kalkuliert im Modelljahr 2030 einen weltweiten Bedarf von 240.000 Tonnen Lithium für die Elektromobilität. Es tritt zugleich dem Irrtum entgegen, die heute bekannten Reserven von 15 Millionen Tonnen stellten bereits das verfügbare Limit dar. Das gilt auch für andere begehrte Rohstoffe wie Kobalt, Nickel, Kupfer oder Graphit. Ein Recycling von Lithium gilt technisch als schwierig und teuer.

Unbeirrt will aber das kanadische Rohstoffunternehmen Rock Tech Lithium im brandenburgischen Guben an der Neiße erstmals „einen geschlossenen Kreislauf für Lithium schaffen“, wie Unternehmenschef Dirk Harbecke im Oktober 2021 ankündigte. Nach 470 Millionen Euro Investitionen und erhoffter Förderung könnte hier schon ab 2024 Lithiumhydroxid für eine halbe Million Elektrofahrzeuge produziert werden. Ganz gewiss wird der Rohstoff dafür noch nicht aus Deutschland stammen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • 4G
    47202 (Profil gelöscht)

    "KIT - Pläne sehen einen großtechnischen Betrieb ab 2024 vor."

    Warum nicht sofort damit beginnen. Das ist eine einmalige Chance, die Energieknappheit deutlich zu entschärfen.



    Saubere Energie - ohne Abfall bei der Lithiumgewinnung.

    Mio Autos könnten mit den Lithiumbatterien betrieben werden.



    Wo sind die Autofirmen?



    Kommt in die Gänge!

  • "Ein Stollen gebaut".

    Da muss ich doch als Alter Ruhrpottler schwer protestieren:



    ,,eine Strecke aufgefahren" heißt das richtig ..!! wenn das Bergwerk schon besteht und das Ganze nicht zum Tage durchschlägig ist (nur dann wär's nämlich ein Stollen ;-) )

  • 9G
    97627 (Profil gelöscht)

    Recycling, schwieriger und teurer. Immer schön die Wegwerfmentalität kultivieren.

  • 0G
    05989 (Profil gelöscht)

    Im Moment wird der Bedarf für Lithium anhand eines angenommenen Ausrüstungspfades mindestens praktisch aller PKWs und Haushalte mit der dominanten aktuellen Batterietechnologie geschätzt. Das dürfte bei Weitem zu viel sein.

    Schon die LFP-Akkus (Lithium-Eisenphosphat oder LiFePo4) brauchen erheblich weniger Lithium (China setzt massiv auf LFP auch in Mobilitätsanwendungen, Tesla hat ebenfalls LFP-Einsatz angekündigt) und aktuell sieht das so aus, als ob Natrium-Akkus beiden wichtigen Lithium-Technologien den Rang ablaufen könnte. Natrium-Akkus sind mit vergleichbaren Leistungsdichten angekündigt, bestehen aber nicht nur im Wesentlichen aus einem der am häufigsten vorkommenden Elemente, das auch noch weitgehend unschädlich ist, sondern lassen sich deshalb auch sehr gut recyclen oder verwerten.

    Wir stehen mit den Akkutechnologien vielleicht nicht am Anfang, aber wir sind da noch lange nicht am Ende und deswegen bin ich total entspannt hinsichtlich des Lithiums.

    Mit dem dann wieder sinkenden Bedarf wird auch der Preis fallen und die Förderung auf Regionen beschränkt bleiben, wo die sehr preisgünstig möglich ist. Man muss ein Auge darauf haben, dass der Preis nicht maßgeblich von Ausbeutung von Mensch und Natur bestimmt wird, aber Lithium wird wahrscheinlich nicht der bestimmende Rohstoff des 21. Jahrhunderts.

    Meiner Meinung nach wichtiger, weil unausweichlich: Alle Akkutechnologien brauchen sogenannte Separatoren und Gehäuse. Das sind nichts anderes als Kunststoffe und die machen fast die Hälfte des Akkugewichts aus. Die werden zwar relativ lange genutzt, wenn man dennoch 100+ Kilo Kunststoffe pro Haushalt (ob das nun Akkus im Auto, stationär oder gemeinschaftlich genutzte Puffer im Stromnetz sind) nutzen wird, die man heute nicht so nutzt, dann muss man schon über eine bessere Kreislaufwirtschaft diskutieren. Da muss man eine Menge Obstbeutel und Microfaser-Unterhosen einsparen...

  • Die schöne neue Welt der Klimaneutralität wird viele menschliche "Kollateralschäden" und weitere ökologische Schäden verursachen. Das ist der Preis dafür, dass die Menschen in den wohlhabenden Ländern entweder ihr schönes Leben nicht einschränken wollen und die Ärmeren dieser Welt ebenfalls ein besseres Leben anstreben. Und das bedeutet immer mehr Recourssenverbrauch auf Kosten der Natur.



    Die "Vordenker", die sich mit Zukunft des Kapitalismus beschäftigen, haben schon längst erkannt, dass Investitionen in Kriegs- und Vernichtungstechnologien die Garantie für ein "Weiter so" sein werden. Und die Multimilliardäre in den USA denken schon längst darüber nach, ob sie sich eine Demokratie noch leisten wollen.