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Literaturnobelpreis für Louise Glück„Unverkennbare poetische Stimme“

Die US-amerikanische Poetin Louise Glück erhält in diesem Jahr den Nobelpreis für Literatur. Als Favoritin wurde sie im Vorfeld nicht gehandelt.

Louise Glück und Barack Obama im Jahr 2016 bei einer Preisverleihung im Weißen Haus Foto: Sven Simon/imago images

Stockholm taz/dpa/afp | Knapp 200 Kan­di­da­t*in­nen waren wieder im Rennen um den Literaturnobelpreis 2020. Bekommen hat ihn nun die amerikanische Poetin Louise Glück.

Das gab Mats Malm, Sekretär der Schwedischen Akademie, am heutigen Donnerstag, 8. Oktober, bekannt. Glücks erstes Gedichtbuch erschien im Jahr 1968 unter dem Titel „Firstborn“. Die 77-Jährige wird „für ihre unverkennbare poetische Stimme“ ausgezeichnet, mit der sie „mit strenger Schönheit die individuelle Existenz universell“ mache, sagte Mats Malm. Glück erhält neben der Auszeichnung ein Preisgeld, das in diesem Jahr bei 10 Millionen schwedischen Kronen und damit derzeit rund 950.000 Euro liegt.

Der Vorsitzende des Nobelpreiskomitees, Anders Olsson, würdigte Glücks „offene und kompromisslose“ Stimme, die „voller Humor und beißendem Witz“ sei. Ihre 12 Gedichtsammlungen seien „von einem Streben nach Klarheit geprägt“. Er verglich die amerikanische Poetin mit Emily Dickinson. Olson sagte weiter, dass er die Preisträgerin bereits kontaktiert habe. Sie sei positiv überrascht gewesen. In Deutschland erschienen von Louise Glück bislang die Gedichtbände „Averno“ aus dem Jahr 2007 und „Wilde Iris“ von 2008.

Von den nominierten Au­to­r*in­nen für den Literaturnobelpreis 2020 sollen 37 Personen zum ersten Mal in der Auswahl für den Preis gewesen sein. Eine große Verleihungszeremonie im Dezember, wie sonst üblich, soll es 2020 nicht geben.

In den letzten Jahren gab es um die Verleihung des Literaturnobelpreises noch deutlich mehr Berichterstattung als für gewöhnlich. Im Jahr 2018 war aufgrund von schwerwiegenden #Metoo-Vorwürfe an Jean-Claude Arnault, den Ehemann von Akademiemitglied Katarina Frosten, die Vergabe ausgesetzt worden. Ende 2018 wurde Arnault wegen Vergewaltigung zu zweieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt.

No­bel­preis­trä­ge­r*in­nen 2018 und 2019

Besonders schwerwiegend für die schwedische Akademie war außerdem, dass das Paar Arnault/Frosten beschuldigt wurde, Namen von No­bel­preis­trä­ge­r*in­nen im Vorfeld der Verleihungen ausgeplaudert zu haben. Das ist angesicht der Wetten, die jedes Jahr auf die Preis­trä­ge­r*in­nen abgeschlossen werden, ein lukratives Geschäft. Im Zuge der Aufklärung musste die Juryvorsitzende Sara Danius gehen, und die schwedische Akademie verkündete, die Preisvergabe in dem Jahr auszusetzen, „um das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Akademie wieder herzustellen, bevor der nächste Preisträger verkündet werden kann“. Das erklärte damals der Interimsvorsitzende Anders Olsson.

Somit war 2018 niemand mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet worden. Im vergangenen Jahr wurden daher gleich zwei Preis­trä­ge­r*in­nen bekannt gegeben: Die polnische Schriftstellerin Olga Tokarczuk erhielt rückwirkend den Preis für das Jahr 2018. Den Literaturnobelpreis 2019 erhielt der österreichische Schriftsteller und Übersetzer Peter Handke. Das sorgte für Kontroversen und Proteste. Auch seine Nobelpreis-Dankesrede wurde von vielen Seiten kritisiert. Der Österreicher hatte sich im Jugoslawien-Konflikt stark mit Serbien solidarisiert und nach Ansicht seiner Kri­ti­ke­r*in­nen serbische Kriegsverbrechen bagatellisiert.

Weniger Aufmerksamkeit bekam durch die Handke-Kontroverse die Nobelpreisträgerin Olga Tokarczuk. In der Begründung der Jury wurde ihre „narrative Vorstellungskraft, die, in Verbindung mit enzyklopädischer Leidenschaft, für das Überschreiten von Grenzen als eine neue Form von Leben steht“, gewürdigt. Die polnische Schriftstellerin und Psychologin verwendete ihr Preisgeld von neun Millionen schwedischen Kronen (rund 830.000 Euro) für eine Stiftung zur Förderung von Literatur und Übersetzungen und für ökologische und Tierrechtsfragen.

Bekanntgabe des vierten Nobelpreises in dieser Woche

Die Auszeichnung für Literatur ist in dieser Woche der vierte vergebene Nobelpreis. Am Montag, 5. Oktober, haben drei Forscher aus den USA und Großbritannien für die Entdeckung des Hepatitis-C-Virus den Medizinobelpreis erhalten. Der deutsche Astrophysiker Reinhard Genzel bekam zusammen mit zwei Kollegen für seine Forschungen zu Schwarzen Löchern den Physik-Nobelpreis zuerkannt worden, und der Preis für Chemie ging in diesem Jahr an die Wissenschaftlerinnen Emmanuelle Charpentier und Jennifer A. Doudna aus Frankreich und den USA für die Erfindung der Gen-Schere. Am Freitag wird der Friedensnobelpreis vergeben, am Montag wird die Auszeichnung für Wirtschaftswissenschaften bekannt gegeben.

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2 Kommentare

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  • 9G
    97075 (Profil gelöscht)

    "In Deutschland ist Louise Glück für die Gedichtbände „Averno“ aus dem Jahr 2007 und „Wilde Iris“ von 2008 bekannt." Bekannt ? Sehr gewagt. Ich behaupte mal, dass außer einem Sehr kleinen exklusiven Zirkel niemand Louise Glück kannte. Außer den beiden Auszügen von Ulrike Draesner übersetzt in winziger Auflage gibt es da nicht viel. Und die Dame schreibt seit 1962....

  • oh oh, hat DT schon Protest getwittert? Jemand der von BO einen Preis bekommen hat, kann keinen Nobel bekommen. Aber vielleicht wartet er noch bis morgen.