Linke will in Karlsruhe klagen: Der alte Bundestag darf das
Eine Klage der Linkspartei würde Klarheit bringen: Ja, der alte und noch amtierende Bundestag darf für ein Sondervermögen das Grundgesetz ändern.
D ie Linkspartei hat eine Organklage beim Bundesverfassungsgericht angedroht. Sie will nach Karlsruhe gehen, falls der Alt-Bundestag doch noch eine Grundgesetzänderung beschließt, für die es im Neu-Bundestag keine Zweidrittelmehrheit mehr gibt. Konkret geht es um eine massive Erhöhung des Bundeswehr-Sondervermögens im Grundgesetz, also um eine neue Ausnahme von der Schuldenbremse für Militärausgaben, die natürlich auch den Gesamthaushalt entlasten würde.
Eine Klage der Linken wäre gut und begrüßenswert. Schließlich gibt es bisher keine Rechtsprechung zur Frage, ob kurz nach der Wahl noch schnell das Grundgesetz geändert werden kann. Und wenn die Linke die Klage (voraussichtlich) verliert, dann hätte das derzeit diskutierte Manöver von CDU/CSU, SPD und Grünen zumindest deutlich an Legitimität gewonnen.
Formal ist der alte Bundestag jedenfalls zweifellos noch im Amt, bis der neue Bundestag spätestens 30 Tage nach der Wahl, also am 25. März, zusammentritt. Damit hat der Alt-Bundestag grundsätzlich alle Kompetenzen; er könnte Gesetze beschließen oder Gesetze abschaffen, eine neue Nationalhymne beschließen – oder eben auch das Grundgesetz ändern.
Aber verstößt es nicht gegen das geltende Demokratieprinzip, wenn der alte Bundestag etwas beschließt, was im neuen Bundestag aufgrund der neuen Mehrheiten nicht mehr beschlossen werden könnte? Ein klares Nein. Es ist gerade das Wesen einer Verfassungsänderung, etwas festzuschreiben, was längerfristig gelten soll – auch in Zeiten mit anderen Mehrheiten. So könnte der Bundestag ganz eindeutig und unstreitig vor einer Bundestagswahl noch das Grundgesetz ändern, auch wenn anhand der Umfragen bereits klar ist, dass im neuen Bundestag keine Zweidrittelmehrheit mehr gegeben wäre.
Eine Erhöhung des Bundeswehr-Sondervermögens wäre auch nicht zu kompliziert für eine Grundgesetzänderung zwischen Tür und Angel. Schon jetzt ist in Artikel 87a ein Sondervermögen von 100 Milliarden Euro vorgesehen. Um dieses auf 200 oder 400 Milliarden Euro zu erhöhen, müsste wohl nur eine Ziffer ersetzt werden. Das sollte auch binnen weniger Tage möglich sein.
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