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Linke und die Debatte um den IslamUms Kuscheln geht es nicht

Islamkritik dient oft nur der Bestätigung rassistischer Diskurse. Der Fokus der Debatte ist einseitig. Eine Replik auf Ahmad Mansour.

„Den“ Islam gibt es nicht Foto: Drachenhonig/photocase

„Wir sind nicht eure Kuscheltiere“, schrieb vor drei Wochen der Psychologe und Autor Ahmad Mansour in einem vielbeachteten taz-Essay. Er als Muslim finde, dass Muslime in die offene Debatte integriert gehörten. Die unter manchen Linken und Liberalen verbreitete „Kultursensibilität“ sei absurd und teils rassistisch.

Bei Letzterem hat er ganz recht: Der nur scheinbar freundliche Gedanke „Das ist halt deren Kultur“ ist falsch. Andersartigkeit kann man auch ohne nationale „Kulturen“ respektieren. Es gibt genauso wenig „die Araber“, wie es „die Deutschen“ gibt, das kann ich als „Deutsch-Araber“ aus eigener Erfahrung bestätigen. Der Multikulturalismus geht aber letztendlich davon aus.

Diesem Konzept von „Kultur“ habe ich beispielsweise zu verdanken, dass mir in Liebesangelegenheiten wegen meiner dunklen Augen „Glutäugigkeit“, also besondere Leidenschaftlichkeit, zugeschrieben wird, was an sich ganz praktisch ist. Doch einmal davon abgesehen, dass solche Zuschreibungen irgendwann an der Realität und ihren Ambivalenzen zerplatzen, hat das Vorurteil vom „glutäugigen Orientalen“ auch eine Schattenseite: nämlich die des von Emotionen und Trieben gesteuerten Arabers. So eng liegen „positive“ kulturelle Vorurteile und Rassismus oft zusammen.

Debatten sind wie Märkte

Hat Mansour also recht, wenn er meint, dass man sich mit der Kritik an Menschen mit arabischem und türkischem Hintergrund nicht zurückhalten solle, dass Aufklärung hier nicht haltmachen dürfe? Nicht ganz. Denn öffentliche Debatten sind Märkten ähnlich: Beide bringen im Idealzustand sehr positive Effekte hervor, in der Realität werden sie stark durch Machtverhältnisse und andere Umstände verzerrt.

Ein herrschaftsfreier und rational geführter Dialog hat das Potenzial, auf allen Seiten kulturelle Normen und Wertvorstellungen in Frage zu stellen. Mit der Zeit kann das dazu führen, dass repressive Wertvorstellungen über Bord geworfen werden. Gäbe es da nicht den Rassismus.

Der Politikwissenschaftler Floris Biskamp widmet sich in seinem neuen Buch „Orientalismus und demokratische Öffentlichkeit“ ebendiesem Problem. Er legt dar, dass die „Sprechsituation“ in einer Debatte ungeheuer relevant ist, so wie es eben auch relevant ist, ob gerade zwischen gleichwertigen Diskutanten debattiert wird oder ob eine Person gemobbt wird. Die Art und das Ausmaß, in dem zur Zeit beispielsweise Kritik an „dem Islam“ geübt wird, ist zu einem Großteil irrational und verzerrt durch antimuslimische und ausländerfeindliche Ressentiments. 57 Prozent der Deutschen empfinden den Islam als bedrohlich.

Die Argumentationen sind durchzogen von Halbwissen und Pauschalisierungen

Die letzten Mitte-Studien der Uni Leipizig besagen, dass etwa 34 Prozent der Deutschen glauben, ihr Land sei in gefährlichem Maße überfremdet, und volle 41 Prozent finden, man solle Muslimen die Einwanderung nach Deutschland verbieten. Die Kommentarspalten von Artikeln zum Thema werden beherrscht von frisch gebackenen Islamexperten, offensichtlich geschult durch die einseitige Lektüre von Autoren wie dem in deutschen Talkshows oft gesehenen Islamkritiker Hamad Abdel-Samad, dessen Bücher voll von Methodik- und Denkfehlern sind. Rechtskonservative Publikationen wie Cicero oder die Welt drucken unverhältnismäßig viele Artikel über von Migranten begangene Verbrechen oder die Rückständigkeit des Islam. Die Argumentationen sind dabei durchzogen von Halbwissen und unzulässigen Pauschalisierungen.

Bild: privat
Houssam Hamade

Jahrgang 1973, schreibt für verschiedene Zeitungen über Rassismus und Liebe, über kluge und weniger kluge Kapitalismuskritik. Er verfasst derzeit seine sozialwissenschaftliche Masterarbeit an der Humboldt-Universität zu Berlin.

Mehr von ihm unter: Houssamhamade.net

Eine unverzerrte und differenzierte Diskussion darf sehr wohl auch feststellen, dass in Teilen muslimischer Communities antiliberale und autoritäre Denk- und Verhaltensweisen überproportional und in spezifischer Weise anzutreffen sind. Das steht nicht in Frage. Aber die Debatte wird auf ungute Weise geführt. Es wird zu viel von „dem Islam“ oder „der Kultur“ „der“ Araber und Türken geredet. Und die gibt es, wie bereits erklärt, nicht. Man immunisiert sich dabei gegen den Rassismus-Vorwurf, indem man lobenswerte Ausnahmen wie einen Abdel Samad oder eben Ahmad Mansour hervorhebt. Diese dienen aber nur der Bestätigung der Regel.

Ähnlich wie Abdel-Samad beruft sich Mansour auf ein kurzsichtiges Verständnis von Aufklärung. Man muss nicht Horkheimer und Adorno lesen, um zu verstehen, dass im Konzept „Aufklärung“ ein regressives Element enthalten ist, weil es dazu verleitet, die Menschheit in „Aufgeklärte“ und „Barbaren“ zu unterteilen. Der unaufgeklärte Barbar muss, weil er irrational und gefühlsgelenkt – quasi glutäugig – ist, zu seinem Besten gezwungen werden. Genauso rechtfertigten die europäischen Kolonisatoren ihre Grausamkeiten und ihre Raffgier. Und diese Entgegensetzung von aufgeklärten Westlern und barbarischen Südlern durchzieht und verzerrt die gesamte Debatte über den Islam und Migration.

Ein weiteres Problem ist der einseitige Fokus der Debatte. Wie Biskamp darlegt: Wenn die Probleme im Islam immer und immer wieder thematisiert würden, während andere religiöse oder kulturelle Traditionen und andere Bevölkerungsgruppen weitestgehend unproblematisiert bleiben, trügen „auch die genauesten und differenziertesten Redebeiträge über Islam und Musliminnen zum Problem bei: Die überproportional thematisierte Gruppe wird haargenau kritisch und differenziert durchleuchtet und gerade dadurch marginalisiert.“

Je barbarischer der andere ist, desto aufgeklärter wirkt man selbst

Die eigene Gruppe wird dabei gereinigt von allen „barbarischen“ Impulsen, so wie nach der Silvesternacht von Köln viele Deutsche, die für den Feminismus bisher nur Verachtung übrig hatten, plötzlich zu wilden Streitern für Frauenrechte wurden. Frauenfeindlich sind die anderen. Und je barbarischer der andere ist, desto aufgeklärter wirkt man selbst. Um aus dieser Falle auszubrechen, so Biskamp, solle man statt ständig allgemeine Debatten über „den Islam“ zu führen, sich auf konkrete Fragen konzentrieren und diese präzise diskutieren.

Gerade Mansour neigt aber zu Ungenauigkeiten und dient damit der Rechten ungewollt als Zuspieler von Argumenten, die darum (fälschlicherweise) als besonders objektiv gelten, weil er selbst arabischer Herkunft ist. Das beginnt schon mit dem Titel seines Buches „Generation Allah“: Das darin enthaltene Bild beschwört eine ganze Generation von irrationalen und gefährlichen Menschen herauf.

Wer solche Bilder kreiert, muss sie präzise belegen. Aber im Buch findet man kaum genaue Zahlen, dafür viele Anekdoten und die bedrohliche Aussage, dass die Generation Allah nach seinen „Beobachtungen“ wachse. Eine lapidare „Beobachtung“ reicht aber nicht aus, um verallgemeinerte Erkenntnisse zu formulieren. Auf Grund seiner an sich sehr zu begrüßenden Tätigkeit als Präventionsarbeiter gegen Salafismus wird er berufsbedingt ständig auf „Problemkinder“ treffen, was seine Wahrnehmung beeinflusst.

Die jungen Migrantentöchter und Migrantensöhne, die ich kenne, scheinen mir jedenfalls nicht zu dieser „Generation Allah“ zu gehören, werden aber durch solche Zuschreibungen stigmatisiert. Stigmatisierungen und damit verbundene Vorurteile sind ein wesentlicher Faktor in einem von französischen und amerikanischen Wissenschaftlern unlängst nachgewiesenen Teufelskreislauf aus Ausgrenzung und Integrationsverweigerung.

Nicht religiös gefestigt

Generell lässt sich sagen, dass Mansours Kernargument der wissenschaftlichen Diskussion hinterherhinkt. Die meisten Attentäter sind nämlich eben gerade keine gefestigten Muslime, sondern haben seit Kurzem die Religion für sich entdeckt, wie verschiedene Studien zeigen. Wer über Terrorismus spricht, kommt um diese Fakten nicht herum und muss sie mindestens ansprechen.

Um es zu betonen: Sicher hat Mansour recht, wenn er sagt, dass Salafisten einen zu großen Einfluss auf Jugendliche haben und dass über diesen Einfluss gesprochen werden, er zurückgedrängt werden muss. Aber die unreflektierte Bezugnahme auf die Aufklärung und die Vorzüge einer offene Debatte sind naiv. Die Rechte fordert „offene“ Debatten über „den Islam“ und „die Kultur“ von Migranten – ähnlich wie reichere Länder gerne lautstark freie Märkte fordern: weil es ihnen nützt.

Die Antwort kann selbstverständlich nicht sein, nicht kritisch miteinander zu reden. Aber man sollte sich Verzerrungen und Ungleichheiten bewusst machen und mit diesem Wissen nach fairen Verhältnissen streben, die eine solide Grundlage für offene Debatten bieten. Leute wie Mansour sollten sich klarmachen, dass es auch gute Gründe haben kann, dass manche Linke „plötzlich nicht mehr so nett“ sind, wenn sie mit seinen Thesen konfrontiert werden.

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49 Kommentare

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  • ---Fortsetzung---

    Verständlicherweise möchten die Migranten nicht für immer in ihren Unterkünften bleiben, sie drängen auf den Wohnungsmarkt, und hier sind sie wieder die Konkurrenz zu den Bürgern, die für sich und ihre Familien auf bezahlbaren Wohnraum angewiesen sind. Größere Nachfrage bedeutet steigende Mieten - die Dummen sind wieder die Geringverdiener und sozial Schwachen.Fazit: Ich ärgere mich masslos über diejenigen, die - in gut bezahlten , sicheren akademischen Berufen, wohnend im schicken Einfamilienhaus, die Kinder betreut durch Kinderfrauen oder in privaten Kitas - meinen, nur sie hätten den Durchblick und die politisch korrekte Einstellung, während das "dumme Volk" in dumpfem Rassismus verharrt. Ein bisschen weniger Abgehobenheit, ein bisschen mehr Reflexion über die Probleme, die den Großteil unserer Bevölkerung bewegt täten gut!

    • @Bille:

      Warum wohl hat sich die deutsche Wirtschaft so begeistert über die Zuwanderung gezeigt?

      Der Wert von Immobilien und Besitz steigt, und der Wert von Arbeit sinkt. Die Risiken und Kosten trägt der Staat, sprich der Steuerzahler.

      Informieren Sie sich mal über die Ziele der neoliberalen Bertelsmann Stiftung. Die fordert eine halbe Million Zuwanderung pro Jahr, und mischt in der Politik kräftig mit.

      Wer glaubt, dass es hier um Humanität geht ist naiv. Merkel hat das Schicksal der Flüchtlinge oder der Syrienkrieg noch nie interessiert. Das war vor der "Flüchtlingskrise" so, und zeigt sich auch aktuell am Türkei Deal oder an den Deals mit afrikanischen Diktatoren. Auch könnte man mit dem Geld was in D aktuell ausgegeben wird vor Ort viel mehr helfen, und man hätte die Unterstützung für Flüchtlingslager nicht kürzen müssen.

    • @Bille:

      Es spricht aber dagegen, dass "den Migranten" meistens übelste Gruppeneigenschaften unterstellt werden. Was halt eben rassistisch ist. Die Sache mit der Konkurrenz hat schon was für sich, das sollte schon diskutiert werden, damit hast du recht. Allerdings zeigen Studien, dass die Zuwanderung in der Regel dazu führt, dass diese die untersten Stellen in der Gesellschaft einnehmen, und die Einheimischen sich damit verbessern. Aber so was dringt leider auf Grund des Rassismus vieler Menschen nicht durch.

      • @Bim:

        Du hast recht insofern, als öfter diese rassistischen pauschalen Ablehnungen zu hören sind. Diese beziehen sich aber in der Regel nicht auf "Migranten" allgemein, sondern zum einen darauf, dass diese Menschen, wie nicht nur von rechter Seite zu hören ist, häufig keine Kriegs- oder Krisenflüchtlinge, sondern zu einem Teil Wirtschaftsflüchtlinge sind und sich in Deutschland ins "gemachte Nest" setzen, obwohl sie niemals in die Sozialkassen eingezahlt haben. Wenn du mir dazu ein Gegenargument nennen kannst, würde ich es gern hören. Kein ernstzunehmender Mensch fordert ja, dass z.B. die sogenannten"Gastarbeiter" und ihre Nachkommen oder die Menschen aus Sri Lanka, die hier seit Jahren schuften, aus dem Land gewiesen werden sollen, DAS wäre ausländerfeindlich bzw. rassistisch! -

        Zum anderen gibt es bei einem großen Teil der Bevölkerung Vorbehalte gegen den Islam bzw. Muslime. Das ist m.E. nicht rassistisch, sondern realistisch, wenn man sich anschaut, was schon seit langem in Afghanistan, Irak, Syrien etc. vor sich geht und wie viele terroristische Angriffe von islamischer Seite es in den letzten Jahren gegeben hat. Man kann niemandem ansehen, ob er ein Islamist oder bloß ein Muslim ist, daher würde ich sagen, die Vorsicht ist verständlich. -

        Hast du mal mitgekriegt, wie im Ausland weltweit über die deutsche Willkommenspolitik geurteilt wird? Da ist noch nicht mal der Ansatz von Verständnis zu finden! Demnach wären also alle Menschen weltweit Rassisten, mit Ausnahme der deutschen Linken und Liberalen ? Das zu glauben, wäre wohl reichlich hochmütig!

        • @Bille:

          Vorsicht wäre verständlich. Aber der Großteil der Argumente, die so auftauchen, sind nicht vorsichtig sondern rassistisch. Ehrlich gesagt werde ich selbst ganz schön "vorsichtig" wenn jemand behauptet, er würde das nicht sehen. Du kennst schon die hunderttausend erfundenen Geschichten über Verbrechen durch Flüchtlinge. Und Sarrazin und die Afd kennst du auch, oder?

           

          Das mit den Sozialkassen, naja, das kann ich verstehen, das hat aber erst mal nichts mit dem unglaublichen Ausmaß an Vorurteilen und Dummheit zu tun, die uns gerade von Innen, nicht von Außen, hereinbrechen. Ganz abgesehen möchte ich darauf hinweisen, dass unser Reichtum auf der Ausbeutung durch andere Länder beruht. Aber das wollen national verblendete Augen nicht sehen. Und die Kriege in diesen Ländern werden angefeuert durch die westliche Politik und durch Waffenlieferungen.

           

          Gegen "vorsichtige" Einwände hat hier niemand etwas, aber gegen maps, auf denen Verbrechen durch Flüchtlinge aufgelistet werden, die zum Großteil nicht stimmen, und wenn Leute sich daran aufgeilen, wie aufgeklärt sie im Gegensatz zu den Ausländern sind, obwohl sie das gar nicht sind.

           

          Ich stimme dir zu, wenn du sagst, es ist alles schon keine leichte Aufgabe, aber dass hier Rassismus keine Rolle spielen soll ist absurd.

          • @Bim:

            Wie ich schon in einem anderen Beitrag schrieb, ist der Vorwurf "Rassist" mittlerweile zu einem "Argument" gegen jede Kritik an der Flüchtlingspolitik geworden. Natürlich gibt es etliche Rassisten in Deutschland, aber mit denen sind wir bisher immer gut fertiggeworden. Ich war in der Vergangenheit immer sehr froh, dass in Deutschland im Vergleich mit anderen europäischen Ländern die rechts-nationale Anhängerschaft gering war.

            - Dass die heutigen Zustände in einigen islamischen Ländern von der westlichen Politik mit verursacht worden sind, ist mir natürlich klar. Hör dir doch im diesem Zusammenhang mal den Rap-Song von Blumio an "Zweimal Unrecht ergibt kein Recht". -

            Was du über die "hunderttausend ERFUNDENEN Geschichten über Verbrechen durch Flüchtlinge" schreibst, erinnert mich ein bisschen an die Leute, die bis heute den Holocaust leugnen, weil für sie einfach nicht sein kann, was nicht sein darf! Das kann ich nicht ernst nehmen. An diesem Punkt ist jede weitere Diskussion sinnlos.

            • @Bille:

              Du widersprichst dich. Entweder gibt es viele Rassisten oder nicht. In Deutschland gibt es sehr viele. Mal die "Mitte-Studien" gelesen? Und Welches war der bisher größte Sachbuchbestseller? Ganz recht, Sarrazins rassistischese und dümmliches "Deutschland schafft sich ab".

               

              Es geht nicht darum, dass zwei Unrechte etwas richtig machen, sondern dass das Gejammer darüber, dass die Leute in Deutschland die ärmsten der Welt sind (extrem weit verbreit) absurd ist. Selbst wenn wir nicht wesentlich beteiligt wären, wäre es trotzdem eine moralische Pflicht den fliehenden Menschen zu helfen.

              Vielleicht meinst du es nicht so, aber hast du gerade die Flüchtlinge als ein Problem, vergleichbar mit dem Holocaust verglichen? Und was heißt das, die Flüchtlinge bringen Tod und Chaos über Deutschland? Mich wundert langsam nicht mehr, dass das Problem nicht siehst. Ich will dir aber nichts unterstellen. Was wolltest du sagen? Hast du Fakten, die solche Behauptungen untermauern oder nur viele, viele Anekdoten aus deinem Umfeld, das so überhaupt gar nicht rechts ist?

              Und nochmal: Du solltest an deiner Rechtsblindheit arbeiten. Hast du noch nicht mitbekommen, dass gerade überall in Deutschland Gerüchte über Flüchtlinge in die Welt gesetzt werden. Einen Teil hat beispielsweise die "Hoax-map" aufgedeckt.

              http://hoaxmap.org/

              • @Bim:

                Eigentlich wollte ich ja nicht mehr...

                Aber die Unterstellung, ich würde Flüchtlinge mit dem Holocaust vergleichen, kann ich dann doch nicht so stehen lassen. Ich habe aber tatsächlich DICH mit den Leuten verglichen, die den Holocaust leugnen, weil es einfach nicht in ihr Weltbild passt, dass so etwas in Deutschland passiert ist. In deinem Fall wäre es dann die Blindheit auf dem linken Auge, die dich an die moralische Integrität aller Flüchtlinge glauben lässt.

                Zum Schluss noch: was hat Politik mit Moral zu tun ? Schlimm finde ich die Gutgläubigen, die das glauben und durch ihre Naivität und Vertrauensseligkeit genau das Gegenteil erreichen. In der heutigen Situation sieht das z.B. so aus, dass der Aufwind, den die AfD gerade erfährt, nicht aus einem grundsätzlichen Rassismus (nochmal: es gibt diese Art von Rassisten bei uns, aber das ist eine kleine Minderheit) kommt, sondern aus der Verzweiflung vieler Menschen über die "Wir schaffen das"-Politik, die ihre Sicherheit und ihre wirtschaftlichen Standards in Gefahr sehen.

                So, jetzt ist aber wirklich Schluss!

                • @Bille:

                  Kollege, Argumente sind dir aber auch wirklich völlig egal. Ob es Beispiele sind oder wissenschaftliche Studien, alles egal. Und die Implikationen deiner Aussagen willst du auch nicht in Frage stellen, was? Freut mich.

              • @Bim:

                *widersprichst dir

  • Ich habe gerade den Artikel von Hamade und sämtliche Kommentare dazu gelesen und kann nur staunen, wie hyperintellektuell und fern von jeder Lebensrealität hier debattiert und schwadroniert wird ! Ist jemandem hier schon mal der Gedanke gekommen, dass die kritische oder auch ablehnende Haltung zur deutschen Flüchtlingspolitik und auch zur Gruppe der Flüchtlinge kein "Rassismus" ist, wie es so verächtlich unterstellt wird, sondern dass ganz konkrete Probleme, Ängste und Ärgernisse ausschlaggebend sind ?

    Nur einige Beispiele: Seit Jahren war und ist in unserem Land auf allen Ebenen "Sparen" angesagt: die Qualität von Schulen und Kitas leidet unter einem horrenden Personalmangel, Straßen, Brücken und öffentliche Gebäude sind marode, Theater, Schwimmbäder, Jugendzentren werden geschlossen etc. Nun ist plötzlich -und offenbar ohne Limit - Geld vorhanden, um die eingetroffenen Migranten (unter denen auch ein Teil Flüchtlinge sind) unterzubringen, zu ernähren, kleiden, betreuen und unterrichten. Dies ist natürlich besonders befremdend für diejenigen Bürger, die sowieso schon wenig Geld haben und die letzten Jahre damit verbracht haben, Cent-weise um Lohnerhöhungen zu kämpfen. -

    Sollte es in einiger Zeit gelingen, einen Teil der Migranten fit für den Arbeitsmarkt zu machen, entsteht das nächste Problem - diese werden zur lohndrückenden Konkurrenz für diejenigen Arbeitnehmer, die in den einfacheren Berufen ihr Brot verdienen.

    Wieso ist eigentlich dieser Gedanke noch keinem der linken oder linksliberalen Menschen gekommen? Ich zumindest habe in den 70er Jahren in einer linken Organisation für bessere Arbeitsbedingungen und Löhne der "Arbeiterklasse" gekämpft! -

  • Danke für diese interessante Replik.

    Hier sind schon bei beiden, Mansour und Hamade Differenzierungen zusammengekommen.

    Ich denke, es wird noch längere Zeit kontroverse Sichtweisen und Selbstberichte geben.

     

    Wichtig ist mir: auch diejenigen, die seit 2010 in der Arabellion und im Iran schon länger für Demokratie, bzw. gegen die Diktatoren und gegen die Theokratie kämpfen und für individuelle Selbstbestimmung , tun dies nicht, weil sie einem westlichen Denkschema folgen.

     

    Es wird immer wieder etwas eigenes, drittes, anderes rauskommen, jenseits der Pole. Schauen Sie, wie Fatih Akin gegen das Minarett-Verbot in der Schweiz protestiert hat.

  • "Es wird zu viel von „dem Islam“ oder „der Kultur“ „der“ Araber und Türken geredet. Und die gibt es, wie bereits erklärt, nicht."

     

    Aha - erklären Sie mal Herrn Erdogan und seinen Wählern, dass es "die türkische Kultur" nicht gibt -einfach, weil ich mich über deren Reaktion beömmeln kann.

  • "Islamkritik dient oft nur der Bestätigung rassistischer Diskurse."

    Ich würde mal sagen falsche Zielgruppe hier bei den taz-Lesern.

     

    Aber gut, ich bin auch nur ein Mensch und damit nicht frei von Vorurteilen, bzw. Pauschalisierungen. (Rassismus ist für mich noch mal eine andere Hausnummer und ich finde es nicht gut, wie der Begriff derzeit immer mehr verwässert wird) Ich habe mir den Text genau durchgelesen und kann auch diese Sicht eines Moslems in Deutschland, der vermutlich nicht dem gängigem Klischee entspricht, weitestgehend nachvollziehen...

    An Ihrer Stelle würde mich das, was Sie beschreiben, auch stören, Herr Hamade.

     

    Was jetzt allerdings noch fehlt ist die deutsche, atheistische Sicht auf diese Debatte. Und da sind wir schon bei meinem Problem:

    Ich bin mir nicht sicher, ob ich meine Sicht hier schreiben dürfte! Das deutsche Grundgesetz ist für mich der wichtigste Leitfaden und ich habe mich bis vor einem Jahr auch als links verortet. Was dann passiert ist kann ich bis heute nicht fassen. Ich wurde für meine legitime Meinung abgeurteil, diffamiert, in die Rechte Ecke gestellt, mir wurde Rassismus unterstellt. Meine Leserkommentare wurden zensiert. Ich empfand das als ungerecht, beleidigend und undemokratisch.

    Der Vertrauensverlust und die Frustration vieler Deutscher ist tiefgreifend und nachhaltig. Das ist ein gravierendes Problem. Nicht nur für die Medien.

     

    Wenn jetzt munter weiter diskutiert wird, "was man aussprechen darf"...

     

    Ja, reden wir mal über Debatten und die Machtverhältnisse. Gerne. Wenn ich darf.

    • @karlei:

      Karlei, ihr Kommentar spricht mir "aus der Seele" ! Ich habe ähnliches erlebt, als ich im Januar, noch völlig schockiert von den "Vorfällen" in der Silvesternacht, in einem Literaturkreis, den ich schon seit Jahren besuche - lauter gebildete, liberale, intellektuelle Leute -ein paar kritische Äußerungen zur Flüchtlingsfrage von mir gab (Earendil - nein, meine Aussagen waren weder rechts noch rassistisch!) und zur Antwort bekam: "Was wollen Sie eigentlich, es gibt auch deutsche Vergewaltiger." - Die Debatte entwickelte sich dahingehend, dass ich dem Literaturkreis seither nicht mehr angehöre. - "Rassist" ist inzwischen ein Totschlag-Argument geworden, mit dem man jede Kritik abwürgen kann, die nicht zu 100 Prozent ins links-liberale Weltbild passt. Ist das dann eigentlich noch links oder liberal ?

    • @karlei:

      Ich kennen Ihre Leserkommentare zwar nicht, aber: Könnte es nicht doch sein, dass Ihre Aussagen als rechts und/oder rassistisch bewertet wurden, weil sie halt rechts und/oder rassistisch waren? Und zwar nicht nach Ihrem Gefühl, sondern ganz objektiv? Überreaktionen gibt es zwar immer mal, aber meiner Erfahrung nach haben sich die allermeisten Menschen, die sich in die rechte Ecke gestellt fühlten, selber dorthin bewegt.

      • @Earendil:

        Die Frage soll wohl ein Witz sein. Ich habe mit Rassismus nichts am Hut und tätige auch keine rassistischen Äußerungen.

        "Rassist" und "Nazi" sind üble Beleidigungen. Gerade für Deutsche ist das wohl der schlimmste Vorwurf. Die sollte man nicht leichtfertig verwenden.

        Im letzten Jahr wurde alle Aussagen, die Zweifel an der unbegrenzten Zuwanderung enthielten, von einem Großteil der Medien und Politik als rassistisch diffamiert und Leserkommentare wurden zensiert.

        Wenn Sie darauf hingewiesen haben, dass auch Terrorsiten unter den Flüchtlingen sein könnten: Rassist!

        Der Zentralrat der Juden, Schuster, der sich besorgt über den weitverbreiteten Antisemitismus unter den Flüchtlingen gezeigt hat, wurde dafür hart angegriffen. Und viele weitere Beispiele.

        Nach "Köln" wurde es etwas besser, und seit der vergangenen "Terrorwoche" darf man auch wieder mehr sagen - wie traurig ist das denn, dass erst so was passieren muss!

        Weite Teile der Linken haben während der "Flüchtlingskrise" ihr antidemokratisches und autoritäres Gesicht gezeigt. Und das Schlimme ist, sie dominieren die öffentliche Debatte.

    • @karlei:

      Der beste Beitrag hier.

      • @Justin Teim:

        da ist - LEIDER - sehr, ZU viel dran!

  • "Die eigene Gruppe wird dabei gereinigt von allen „barbarischen“ Impulsen, so wie nach der Silvesternacht von Köln viele Deutsche, die für den Feminismus bisher nur Verachtung übrig hatten, plötzlich zu wilden Streitern für Frauenrechte wurden. "

     

    Ich sehe keinen Widerspruch. Ich bin ja auch nicht gegen "Männerrechte", nur weil ich den Maskulinismus für bekloppt halte.

     

    Der moderne Feminismus, wie er in Gestalt von Frau Stokowski oder Frau Sulkowicz in Erscheinung tritt, hat nichts mit Frauenrechten zu tun.

  • "Linke und die Debatte um den Islam"

     

    Linke sind eben auch nur Menschen und Menschen verbindet nichts mehr als ein gemeinsamer Feind: "Der Westen", Kapitalismus

    ;-)

    • @karlei:

      So, dann erklären Sie mal, was Kapitalismus ist. Tauschen Sie Ihr Müsli gegen die Taz oder wie bezahlen Sie?

  • 3G
    33324 (Profil gelöscht)

    "Wenn die Probleme im Islam immer und immer wieder thematisiert würden, während andere religiöse oder kulturelle Traditionen und andere Bevölkerungsgruppen weitestgehend unproblematisiert bleiben, trügen „auch die genauesten und differenziertesten Redebeiträge über Islam und Musliminnen zum Problem bei ..."

     

    Gegen mehr Differziertheit in der Debatte wird kaum jemand etwas haben können, doch sind es keine Buddhisten oder Hinduisten, die vollbesetzte Verkehrsmaschinen in Hochhäuser jagen, die die Besucher eines Pariser Kulturclubs mit Maschinenpistolen niedermähen, die wehr- und ahnungslose Besucher einer Freudenfeier am Strand von Nizza zu Dutzenden mit dem LKW überfahren und dabei töten, die einen katholische Geistlichen bei der Morgenandacht enthaupten, die versuchen, chinesischen Touristen in der Regionalbahn mit der Axt den Kopf zu spalten und sich in der Besuchermenge eines Musikabends in der fränkischen Kleinstadt Ansbach in die Luft jagen und versuchen, dabei möglichst viele Menschen mit in den Tod zu reißen. Es sind eben keine Buddhisten oder Hinduisten.

    • @33324 (Profil gelöscht):

      Dann schauen Sie doch mal, was Hindus in Indien und Buddhisten in Myanmar den Muslimen dort so alles antun.

      • @Ruhig Blut:

        Genau. - Was dem Islam sein Djihad ist, ist dem Buddhismus sein Mahakala.- Es geht immer um die wörtlich: " Beseitigung von Störungen und Hindernissen" auf dem Wege zur Entfaltung der einzig richtigen Religion.

      • 3G
        33324 (Profil gelöscht)
        @Ruhig Blut:

        Sollte Ihre Behauptung wahr sein, rechtfertigt dies für Sie die vorgenannten terroristischen Taten mit durchgängig unschuldigen Opfern ?

        • @33324 (Profil gelöscht):

          Buddhisten gg. Muslime z. B. hier: http://www.taz.de/!5200854/ und hier: http://www.zeit.de/2013/21/myanmar-buddhisten-muslime

          Hindus gg. Muslime z. B. hier: http://www.bpb.de/internationales/asien/indien/44485/hindunationalisten

          Christliche Terroristen z. B. hier: http://www.sueddeutsche.de/politik/die-untaten-der-lords-resistance-army-haende-und-koepfe-abgehackt-1.479302

           

          Sie haben doch mit der Vergleicherei angefangen. Irgendwelche Unbeteiligten umzubringen ist niemals gerechtfertigt, was für eine unsinnige Frage. Genau unsinnig wie der Versuch, andere Unbeteiligte für irgendwelche Verbrechen kollektiv haftbar zu machen.

          • 3G
            33324 (Profil gelöscht)
            @Ruhig Blut:

            Es ging nicht darum, Moslems kollektiv haftbar zu machen. Die eigentliche Frage war, wieso ein Großteil der Linken eine offene Debatte über die gesellschaftlich problematischen Facetten des Islam in Deutschland scheut.

            • @33324 (Profil gelöscht):

              Na wohl doch, weil sie den Rechten nicht in die Hände spielen wollen. Und sicherlich auch, weil manche von ihnen Scheuklappen aufhaben. Aber die Gefahr von ersterem ist nun wirklich nicht von der Hand zu weisen. Sehr guter Kommentar dazu die Antworten unten von EARENDIL an VELOFISCH.

          • 3G
            33324 (Profil gelöscht)
            @Ruhig Blut:

            Verehrtes Ruhiges Blut, ging es Ihnen in den letzten Wochen und Monaten nicht auch häufiger so ? Man hört in den Medien von einem fürchterlichen Unglück, bei dem Menschen umgekommen sind. Nach kurzer Zeit stellt sich heraus, dass es sich wohl um einen Terroranschlag handelt. Als links denkender Mensch hofft man dann inständigst, dass dieser um Himmels willen nicht schon wieder einen islamistischen Hintergrund hat, da man schon ahnt, wer von solchen Nachrichten politisch profitieren wird. Bis einen schlussendlich leider abermals die Bestätigung dafür einholt. Es ist einfach ernüchternd.

            • @33324 (Profil gelöscht):

              Yep, und ich befürchte stark, dass da noch viel mehr kommen wird. Die einzige Lösung, die mir einfällt, besteht darin, erstens die Lebensumstände in den Milieus, aus denen diese Attentäter stammen, zu verbessern, und zweitens den ideologischen Drahtziehern das Handwerk zu legen; hier, aber auch in Ländern wie Saudi-Arabien. Wie letzteres am besten zu bewerkstelligen ist, weiß ich leider nicht.

              Was ich aber weiß ist, dass diese religiösen Irren darauf abzielen, die Gesellschaft zu spalten und Muslime und Nichtmuslime gegeneinander aufzuhetzen. Und wenn wir nicht differenzieren sondern Muslime unter Generalverdacht stellen, spielen wir denen damit in die Hände.

              Das heißt nicht, dass wir ihre und andere Religionen nicht kritisieren oder sie gar mögen sollten, überhaupt nicht. Aber Muslime sind eben kein uniformes Kollektiv, sondern genauso unterschiedliche Menschen mit einem religiösen Defekt wie Hindus, Buddhisten und Christen auch. Sie verdienen genauso unvoreingenommen behandelt und respektiert zu werden, nicht wegen ihrer Religion, sondern weil sie eben ganz normale Leute sind.

              • @Ruhig Blut:

                Nebenbei sind auch alle großen Religionen extrem divers (und in sich verstritten).

        • 3G
          33324 (Profil gelöscht)
          @33324 (Profil gelöscht):

          Gewalt ist von keiner Seite akzeptabel und man sollte diese auch thematisieren dürfen. Ein Verschweigen behindert die Aufarbeitung und schafft nur Misstrauen. Viele Menschen in Frankreich oder Deutschland fragen sich derzeit, wo denn die auch von Muslimen veranstalteten Lichterketten gegen die von Islamisten begangenen terroristischen Straftaten sind ?

  • Ja, öffentliche Debatten ähneln Märkten. Aber schlimmer ist, dass Aufklärung zum knallharten Geschäft verkommen ist. Zu einem Geschäft, in dem es eine ganz klare Priorität gibt: Das eigene finanzielle Überleben in einer Welt voller (zum Teil unfair agierender) Konkurrenten.

     

    Wenn Aufklärung nur ein Geschäft unter vielen ist, sorgen die herrschenden Machtverhältnisse für Verzerrungen, die jede gute Absicht in ihr Gegenteil verkehren müssen. Wenn beispielsweise Ahmad Mansour oder die Welt an einer öffentlichen Debatte über Migration teilnehmen, dann sitzen (unsichtbar und unhörbar für Außenstehende) auch die Leute mit in der Runde, die einerseits auf Verkaufszahlen und anderseits auf Werbeeinnahmen schielen. Die aber brauchen Formulierungen wie "die Araber", "die Deutschen" oder "die Kultur", an denen uralte Klischees und Vorurteile hängen. Die Masse will schließlich belogen sein, sonst kann sie sich nicht wahrnehmen.

     

    Ich kenne leider keine entsprechenden Statistiken. Die Empirie allerdings sagt mir, dass es bereits den einen oder anderen Leser, die eine oder andere Leserin gibt, die mit der „Aufklärung“ wie sie derzeit betrieben wird von "den Medien" nicht einverstanden sind. Diese Leute hätten es ganz gerne sehr viel detaillierter, fundierter und konkreter. Nur sind sie nicht die Masse, die die Massenmedien brauchen. Und reich sind solche Leute auch nicht. Sie können Masse also finanziell nicht gut ersetzen.

     

    Die Masse aber bleibt, befürchte ich, ganz gern unaufgeklärt. Nur so nämlich gerät sie nicht in Konflikte mit der Welt und ihren Regeln. In Konflikte, von denen sie nicht glaubt, dass sie sie bestehen kann. Weil sie, so paradox das vielleicht klingt, allein auf weiter Flur steht. Die Massen glauben nicht an sich beziehungsweise ihresgleichen. Den Glauben hat man ihnen längst gewaltsam ausgetrieben im Interesse größerer Gewinne. Dass die mal etwas kosten würden, war so angeblich nicht vorherzusehen.

  • 6G
    6474 (Profil gelöscht)

    "Wenn die Probleme im Islam immer und immer wieder thematisiert würden, während andere religiöse oder kulturelle Traditionen und andere Bevölkerungsgruppen weitestgehend unproblematisiert bleiben"

     

    ^^ein durchaus interessanter artikel und wenn es nur die talkshows im öffentlich rechtlichen fernsehen gebe, dann könnte ich dem herrn hamade durchaus zustimmen. allerdings empfinde ich es so, als ob die probleme des islams(jetzt habe ich es doch gesagt) lange überhaupt nicht in der linken thematisiert wurden.

    ich möchte mal auf ein paar dinge hinweisen: demnächst ist wieder das wacken-festival, dort läuft jede 2te person mit einem umgedrehten kreuz oder pentagram durch die gegend und niemand interessiert das mehr im jahre 2016. wenn die piusbrüder mal wieder demonstieren, finden sich dort immer eine menge gegendemonstranten ein, bei unserem deutschen hitlerjugendpapst sind massig leute aus der kirche ausgetreten und orthodoxe juden sieht man in deutschland gefühlt alle paar lichtjahre mal in der öffentlichkeit.

     

    ich finde schon das sich heutzutage im islam eine menge probleme ballen, die woanders eher akzentuiert erscheinen

    • 6G
      628 (Profil gelöscht)
      @6474 (Profil gelöscht):

      'allerdings empfinde ich es so, als ob die probleme des islams(jetzt habe ich es doch gesagt) lange überhaupt nicht in der linken thematisiert wurden.'

       

      Im Prinzip ist das immer noch der Fall, womit sich die Linke zumindest teilweise von ihrer guten alten Religionskritik verabschiedet hat. Meiner Meinung nach aus relativ naiven und dümmlichen Gründen. Übrigens ist auch das ein Indiz der Verarmung linker Debattenkultur, die nach meinem Eindruck immer hysterischer, einseitiger und unreflektierter wird.

      Nichtsdestoweniger hat der Autor natürlich an vielen Stellen recht. Außerhalb der Linken ist 'der' Muslim und 'der' Islam teilweise zum ultimativen Feindbild geworden ('der Islam ist keine Religion, sondern eine faschistische Ideologie' usw.). Muslime werden in völlig grotesker Weise nur noch als primitive und böse Barbaren wahrgenommen, die dem edlen Christenmenschen nach dem Leben trachten.

    • @6474 (Profil gelöscht):

      Da würde er Ihnen bestimmt nicht widersprechen.

  • "Auf Grund seiner an sich sehr zu begrüßenden Tätigkeit als Präventionsarbeiter gegen Salafismus wird er berufsbedingt ständig auf "Problemkinder" treffen, was seine Wahrnehmung beeinflusst."

     

    Ja, genau so ist es lieber Herr Hamade. Das sich einlassen und zugehen auf die Realität und das praktische handeln darin beeinflusst die Wahrnehmung und das denken. Zumal wenn man, wie Ahmad Mansour, selbst einmal als frustrierter Jugendlicher in den Fängen der Indoktrination verstrickt war und sich daraus zum Glück wieder befreien konnte. Vermutlich hatte er dabei Unterstützung. Ein Kumpel von mir war in jungen Jahren einer der vielen randalierenden Hertha-Fans, heute betreut er "schwer erziehbare" Jugendliche in einer pädagogischen Einrichtung. Manchmal macht es die Authentizität und das selbst erfahrene Wissen um die Gründe, Hintergründe und Zusammenhänge, die einem Autorität und Glaubwürdigkeit verschaffen. Richtig, Erfahrung prägt die Wahrnehmung.

     

    Wenn ich als Architekt aufregende Perspektiven, theoretische Konzepte und andere Visionen präsentiere kann ich mir der Gunst der akademischen Fachwelt und der Vernissagegäste sicher sein. Lasse ich mich jedoch auf die Baustelle und den Produktionsprozess mit all seinen Anstrengungen, Widrigkeiten und den dort gehäuft anzutreffenden "Problembären" ein dann interessiert sich "kein Schwein" dafür, allerdings entsteht dabei etwas, das (falls es auch wirklich gut gemacht ist) den Bewohnern oder anderen Benutzern später sehr nützlich und dienlich ist. Und auch die praktische Umsetzung kommt ohne die Theorie, die Planung nicht aus, nur dass sich die Theorie dabei nicht im Selbstzweck genügt.

    Was vom Tage übrig bleibt ist, ob man die Problemkinder befähigt hat, sich aus dem Teufelskreis von Frustration und Einflüsterung falscher Freunde erfolgreich selbst zu lösen.

  • "Denn öffentliche Debatten sind Märkten ähnlich: Beide bringen im Idealzustand sehr positive Effekte hervor, in der Realität werden sie stark durch Machtverhältnisse und andere Umstände verzerrt."

     

    Wow. Ich bin erstaunt, wie unverblümt hier in der taz das neoliberale Weltbild des "perfekten Marktes" propagiert wird, dessen Perfektion bloss deswegen unsichtbar ist weil durch einen nervigen Staat verzerrt.

    • @Ein Marxist:

      Ich verstehe den zitierten Satz anders. Die Machtverhältnisse sind ja nicht auf den Staat beschränkt, sondern umfassen auch die Marktteilnehmer selbst. Im marxistischen Klartext heißen diese Machtverhältnisse Klassenverhältnisse. Und die werden im (neo)liberalen Idealbild des Marktes eben regelmäßig ausgeblendet. Der Idealzustand des Marktes existiert nur als Hirngespinst liberaler Ideologie; seine Realität heißt Kapitalismus.

       

      (Ich gebe aber zu, dass "verzerrt" eher deine Lesart nahelegt... also wer weiß, wie's gemeint war.)

  • "Die Rechte fordert „offene“ Debatten über „den Islam“ und „die Kultur“ von Migranten – ähnlich wie reichere Länder gerne lautstark freie Märkte fordern: weil es ihnen nützt."

    Dieser Vergleich ist interessant. Ich sehe drei Aspekte:

    a) Wer gute Waren hat, fordert offene Märkte. Wer gute Argumente hat, fordert eine offene Debatte.

    b) Der Westen fordert scheinbar offene Märkte aber nur dort wo die eigenen Produkte konkurrenzfähig sind. Analog gibt es viele, die die generell eine offene Debatte fordern aber nicht in den Bereichen, in denen sie keine guten Argumente haben.

    c) Umwelt-, Sicherheits- und soziale Standards sind wichtig. Sie werden aber teilweise auch als Marktabgrenzung missbraucht. Ähnlich sieht es mit der Ausgrenzung vergifteter (z.B. rassistischer) Argumente aus. Sie ist wichtig, wird aber auch missbraucht um Argumente auszugrenzen wenn die eigenen Argumente schwach sind.

     

    Wir sollten unseren geistigen Protektionsmus hinterfragen denn nicht selten kaschiert er eigene schwache Argumente. Gleichzeitig sollten wir aber unsere Standards nicht absenken. Beides voneinander abzugrenzen ist nicht einfach - wird aber in der aktuellen Debatte nicht einmal versucht.

    • @Velofisch:

      "a) Wer gute Waren hat, fordert offene Märkte. Wer gute Argumente hat, fordert eine offene Debatte."

       

      Dieser Satz zeigt m.E. ein völlig unzureichendes Verständnis von Machtstrukturen, sowohl in Märkten als auch in Debatten. Mit den Worten von Hamade: " Öffentliche Debatten sind Märkten ähnlich: Beide bringen im Idealzustand sehr positive Effekte hervor, in der Realität werden sie stark durch Machtverhältnisse und andere Umstände verzerrt."

       

      Offene Märkte fordert, wer die größere Marktmacht zu haben glaubt. Das kann etwas mit besseren Produkten zu tun haben, muss es aber keineswegs, schon gar nicht aussschließlich. Ebenso ist es mit offenen Debatten: Die fordert oft ein, wer die größere Diskursmacht zu haben glaubt. Auch das muss nichts mit besseren Argumenten zu tun haben.

       

      Beispiel: Es findet sich wohl kaum ein anderes Land, in dem der freie Diskurs so beliebt ist wie in den USA. Dort wird die politische Debatte gerade von einem Präsidentschaftskandidaten dominiert, der zu irgendeiner konsistenten Argumentation weder willens noch fähig ist. Würden sich im öffentlichen Diskurs einfach die besseren Argumente durchsetzen, würde nach Trump kein Hahn krähen.

       

      Argumentieren und rassistische Positionen ausgrenzen muss/kann/soll übrigens überhaupt kein Widerspruch sein. Wenn z.B. Herr Höcke über k- und r-Strategien referiert, kann man das sowohl argumentativ als faktischen Unfug zurückweisen als auch rassistischen Denkmustern zuweisen. Diese Zuweisung muss ja ebenfalls argumentativ begründet werden, gerade in weniger plakativen Fällen, und das wird ja auch gemacht. Wenn Rechte sich darüber beklagen, argumentlos als rassistisch ausgegrenzt zu werden, haben sie meiner Erfahrung nach meistens nur das Argument nicht verstanden.

      • @Earendil:

        Letztlich geht es hier genau darum, inwiefern man nicht argumentbasierte Diskursmacht („Sprechsituation“) ausblendet oder nicht. Mansours Anliegen sind ja größtenteils berechtigt, aber er liegt falsch, wenn er glaubt, im luftleeren Raum – quasi in einem rein vernünftigen Diskurs – argumentieren zu können. Das andere Extrem, Probleme auszublenden, weil sie in der Debatte von rechten Rassisten benutzt werden könnten, ist natürlich genauso falsch. Was hilft? Wenn überhaupt etwas: genaue Problemansprache, Differenzieren, Verzicht auf oberflächliche Verallgemeinerungen. Leider alles wenig spektakulär und damit schlecht geeignet, die Debattenhoheit zu gewinnen.

        • @Earendil:

          Sehr gut dargelegt!

    • @Velofisch:

      Starker Beitrag, danke schön!

  • Das "Problem" ist, dass ein intellektueller Diskurs meist keine unüberbrückbaren Standpunkte beschreibt, da er abwägt, relativiert, Kauslalitäten nennt und letztlich Übereinstimmungen hervorbringen kann.

    Das Problem ist diesen Diskurs dahin zu tragen wo die Themen der Politik und die Wahlen entschieden werden oder die Entscheider oder die Quertreiber sitzen. Emotionen kommen hinzu.

    Hier sind ja / nein Entscheidungen beliebt und zunehmend wird von Volksabstimmungen gefaselt um über wichtige Dinge wie Zuwanderer ja / nein und wieviel o.ä. zu entscheiden.

     

    Daher sehe ich eine weitere Verhärtung der Standpunkte und sehe auch in DE eine Entwicklung hin zu Sicherheitsapparat und Restriktion. Sozusagen dem Mehrheitswillen geschuldet.

  • 2G
    2730 (Profil gelöscht)

    Schon die Floskel von Christian Wulff: "Der Islam gehört zu Deutschland" ging seinerzeit völlig an der relevanten Fragestellung vorbei. Einen säkularen Staat hat weder zu interessieren noch zu attestieren, ob eine Religion, "zu ihm gehört".

    Was den säkularen Staat aber brennend zu interessieren hat: Ob bestimmte Verhaltensweisen, insbesondere die Akzeptanz der Grundwerte "zu Deutschland gehören".

    Nicht der Islam oder das Christentum oder der südwestantarktische Pantheismus sind das Problem, sondern die Menschen, die glauben, im Namen der jeweiligen Glaubensrichtung gegen die Menschenrechte verstoßen zu können.

     

    Es ist deswegen auch nicht sinnvoll, eine Religion unter Rechtfertigungszwang zu stellen,

     

    Die jeweiligen Anhänger können sich selber überlegen, ob sich ihre bezogene Religion schon allein aus Gründen der Glaubwürdigkeit dagegen wehren sollte, durch die jeweiligen Täter in Mittäterschaft genommen zu werden, schon allein deshalb, um sich angesichts der Opfer keine "klammheimliche Freude" unterstellen lassen zu müssen.

     

    Andererseits: Diese unsägliche Diskussion hier geht m.E. an den relevanten Problemen vorbei. Ich kann mich auch nicht erinnern, dass jemals derart viele religionsphilosophische Ergüsse in der taz zu lesen waren. Muss das wirklich sein?