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Linke in BerlinParteiaustritte nach Antisemitismus-Streit

Fünf prominente Mitglieder der Berliner Linken, darunter Ex-Kultursenator Klaus Lederer, verlassen die Partei. Sie machen der Linken schwere Vorwürfe.

Klaus Lederer und Elke Breitenbach Foto: taz

Berlin taz | Im Zuge eines Streits über Antisemitismus in der Berliner Linken sind am Mittwoch prominente Mitglieder des Landesverbandes aus der Partei ausgetreten. Gemeinsam ihren Abgang verkündeten der ehemalige Vorsitzende und Kultursenator Klaus Lederer, Ex-Sozialsenatorin Elke Breitenbach, der ehemalige Fraktionschef im Abgeordnetenhaus Carsten Schatz, Ex-Stadtentwicklungssenator Sebastian Scheel sowie der finanzpolitische Sprecher der Abgeordnetenhausfraktion Sebastian Schlüsselburg.

Laut einer gemeinsamen Stellungnahme seien sie „an einem Punkt angelangt, an dem sich in – für unser Selbstverständnis zentralen – politischen Fragen unvereinbare Positionen verfestigt gegenüberstehen und eine nötige sachlich-inhaltliche Klärung nicht stattfindet“. Es sei ihnen Immer weniger möglich, sich für ihre inhaltlichen Positionen einzusetzen: „Dies erlebten wir nicht zum ersten Mal bei einer klaren Positionierung zum Antisemitismus, sondern z.B. auch bei der Frage der Solidarität mit der Ukraine.“

In einer ersten Reaktion äußerten sich die Fraktionschefs Anne Helm und Tobias Schulze: „Die Ankündigung des Austritts aus unserer gemeinsamen Partei bedauern wir sehr. Wir werden innerhalb unserer Fraktion in den Dialog treten, wie wir in Zukunft weiterhin gemeinsam den Aufgaben, die die Ber­li­ne­r:in­nen uns als soziale Kraft übertragen haben, gerecht werden.“

Erst am Dienstagabend hatte der Landesvorstand der Berliner Linken in einer Sondersitzung ohne Gegenstimmen eine Resolution zur innerparteilichen Debatte um Antisemitismus gefasst und die Partei zum Zusammenhalt aufgerufen. In dem Papier heißt es: „Wir stehen entschlossen gegen jeden Antisemitismus. Dies ist in der Breite der Partei Konsens.“ Zudem wurde sich darauf geeinigt, ein „konkretes Maßnahmenpaket gegen jeden Antisemitismus“ zu entwickeln, wie es in einer Mitteilung hieß.

Die außerordentliche Sitzung fand anderthalb Wochen nach dem Eklat auf dem Landesparteitag statt, den etwa zwei Dutzend Delegierte unter Protest verlassen hatten, darunter die nun Ausgetretenen. Hintergrund des Streits war ein von ihnen eingebrachter Antrag unter dem Titel „Gegen jeden Antisemitismus“, an dem es mehrere beantragte und beschlossene Änderungen gegeben hatte. Gestört hatte sich die Parteitagsmehrheit etwa an der Bezeichnung des Hamas-Terrors als „eliminatorischem Antisemitismus“, der, so die Argumentation an die Schoah gebunden sei, sowie der Forderung, jüdische Menschen „unter Einsatz rechtsstaatlicher Mittel zu schützen“.

Kompromissversuch gescheitert

Der Landesvorstand, dem keiner der fünf angehört, stellte sich auf der einen Seite hinter jene „Genoss:innen, die öffentlich oder intern angefeindet werden“. Öffentlich hatte es zuletzt massive Antisemitismus-Vorwürfe gegen Parteimitglieder aufgrund ihrer Positionierungen zum Israel-Palästina-Konflikt gegeben. Andererseits bemühte sich die Resolution um eine Abgrenzung: „Unsere Solidarität endet aber dort, wo das Massaker des 7. Oktober als Akt des Widerstandes gefeiert wird oder die Kriegsverbrechen der israelischen Armee bejubelt werden.“

Lederer und Co dagegen schrieben: Die beschlossene Resolution bliebe „weitgehend dem Modus treu, die zutage liegende Differenz verbal zu umschiffen. Auch zu den Ereignissen beim Umgang mit unserem Antisemitismusantrag auf dem Landesparteitag und in dessen Nachgang bleibt sie eher vage, von Konsequenzen ganz zu schweigen.“

Trotz des verkündeten Parteiaustritts wollen die fünf weiterhin der der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus angehören: „ Als undogmatische, demokratisch-sozialistische Linke arbeiten wir weiter an unseren Zielen und beziehen politisch Position.“

Mit Bezug auf die Ereignisse des Parteitages war vergangene Woche bereits der Ex-Fraktionschef Udo Wolf aus der Partei ausgetreten; ihm folgte, weniger auf diese Vorgänge fokussiert, der ehemalige Pankower Bürgermeister Sören Benn. Bundesweit für Aufsehen sorgte zudem der Austritt von Henriette Quade aus Sachsen-Anhalt.

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24 Kommentare

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  • Ich habe jetzt immer noch nicht genau verstanden, wofür die fünf Ausgetretenen stehen und welches Problem sie mit der Meinung des Parteivorstands haben. Wenn dessen Haltung ist, weder den 7. Oktober zu bejubeln, noch die Maßnahmen der israelischen Regierung kritiklos zu unterstützen, dann sehe ich da kein Problem. Das wäre zumindest auch meine Linie.

    Mich stört allerdings die Formulierung, dass die fünf "der Linken schwere Vorwürfe machen". Denn das klingt so, als wäre der das Problem und nicht die fünf.

  • Klaus Lederer war weit über die Parteigrenzen anerkannt als Kultursenator Berlins, so mein anekdotischer Eindruck.



    Ich denke, hier war "Antisemitismus" nur der letzte Tropfen einer inneren Entfremdung.

    PS: Normale Kritik an Netanyahu, dem Zionismus oder dem Staat Israel hat erst mal gar nichts mit Antisemitismus zu tun. Im Gegenteil, da krampfhaft wegzusehen, wäre eine ungesunde Philo-Variante.

    Das wäre erst problematisch, wenn ganz andere Maßstäbe angelegt werden oder gegen "die" Juden geraunt würde. Und dann müssen wir alle gegenhalten. Übrigens natürlich auch bei anderen Gruppen entsprechend.

    Universalismus hilft auch hier, um das Leid von jüdisch-israelischen Zivilisten genauso wie das von christlich/muslimisch-palästinensischen Zivilisten wahrzunehmen. Das schließt sich nicht aus.

    Schade also um Klaus Lederer, der hoffentlich auf die politische Bühne zurückkehrt.



    Den offensichtlichen Versuch, die Linke weiter zu schwächen, indem man sie da spaltet, hätte der begnadete Politiker aber nicht zwingend mitmachen müssen.

  • "Zutage liegende Differenzen" sind auf Parteitagen immer "verbal umschifft" worden. Umso mehr, wenn es um diffuse Begrifflichkeiten ging, die keine praktische Relevanz hatten. Dass es diesmal anders ist, hat nur damit zu tun, dass sich die Machtverhältnisse zwischen den Berliner Bezirksverbänden zuletzt deutlich verschoben haben. Es ist ein Sturm im Berliner Wasserglas, der nur so tut, als würde er auf der weiten See ausgetragen.

  • Das finde ich von Außen schwer zu beurteilen.



    Antisemitismus ist für mich auch indiskutabel, aber ist das wirklich das Problem, oder eine Formulierung?



    Klar ist jedenfalls, dass von dem Aufbruch der Linken, der von dem Parteitag ausging, nicht mehr viel übrig scheint.



    Die neue Parteispitze muss nun umgehend an die Öffentlichkeit und die Lage erklären.



    Mit Aussitzen wird das nicht zu retten sein.



    Das ist eine traurige Entwicklung.

    • @Philippo1000:

      Der Streit um die eine Formulierung ist natürlich eher einer ums Goldene Kalb bzw. der berühmte Tropfen zuviel aus Sicht der "Abtrünningen". Dahinter steckt mehr, würde ich sagen: Es geht um die grundsätzliche Frage, von welcher Seite aus man die Exzesse sowohl im Nahen Osten alsauch hierzulande betrachtet, konkreter ob man sich im Grenzbereich bereitwillig einer wirklich harten Linie gegen Antisemitismus verschreibt oder eher schaut, möglichst das propalästinisische Lager nicht zu sehr zu vergrätzen, WENN man sich schon mal anders als israelkritisch äußert. Es ist das ewige "Ja, aber...", das Jedem aufstoßen muss, der an einem bestimmten Punkt nur ein uneingeschränktes, entschlossenes "Ja." für vertretbar hält.

  • Ich frage mich schon lange, ob es nicht besser wäre, die Energie in eine neue linke Partei zu stecken. Zumindest habe ich den Eindruck, dass die Streitereien zu Antisemitismus, Ukraine-Krieg und Gaza/Israel immer weiter gehen. Das ergibt für mich auch den Eindruck, dass man den offiziellen Positionen der Linke nicht trauen kann. Wenn die Ukraine auf die Linke vertraut hätte, wäre sie schon längst Geschichte. Israels Existenz wird permanent bedroht.



    Die Partei scheint andere Parteien immer wieder moralisch übertrumpfen zu wollen (grüner als die Grünen, sozialer als die SPD, konsequenter für Frieden als alle Anderen), scheitert aber an einem Teil der Mitglieder, die davon nicht besonders überzeugt scheinen.

  • Die Haltung des BSW zu Israel ist der Hauptgrund, weshalb ich ihn nicht wähle. Das Problem hat man von der Linken mit in die neue Partei gerettet.

    • @Michael84:

      Meiner auch. Zweiter Grund das "Bündnis" nicht zu wählen, ist für mich die verklärte Sicht auf Russland und Putin.

  • Wer hätte gedacht, dass sich die Linke mal wegen fehlender Klarheit zerlegt? Da wird wohl bald nur noch ein Kaderkern übrigbleiben. Das allerdings wäre dann schon fast wieder typisch für eine sich selbst sozialistisch lesende Gruppierung.

    • @vieldenker:

      ... und die Arbeit auf kommunaler Ebene wird übrig bleiben. Da geschieht viel.

  • Es gibt zwei Linke, eine antisemitische und eine progressive.

    Natürlich gab es innerhalb der Linken schon immer Antisemitismus, am bekanntesten ist wohl Stalin gegen Trotzki, die Anfeindungen von Antikommunisten gegen die Bolschewiki, in denen es viele Juden gab, Trotzki als roter Teufel voran.

    In der Bundesrepublik lässt sich die Spaltung der LInken in einen antisemitischen, mit den Arabern sympathisierenden Teil und einem israelfreundlichen, vor dem Hintergrund der Schoa und der Aufarbeitung des Unrechts befleißigten Teil, anhand eines Datums festmachen: Am Sechs-Tage-Krieg 1967. Seinerzeit und im Gefolge der Anschläge und der Entführungen der PLO begannen viele Linke mit den Terroristen zu sympathisieren. Das reichte dann bis zur RAF, die von der PLO ausgebildet wurde.

    Diese unheimliche Allianz setzt sich mit der Solidarität der Terrordiktatur der Hamas fort.

    Für der Geschichte verpflichtete Linke wie Klaus Lederer bleibt hier nur die Möglichkeit auszutreten, um sich angemessen zu distanzieren.

    Auch wenn die Antisemiten, so geschehen auf dem Parteitag, eine weitere Diskussion wünschen: Antisemitismus ist keine Meinung. Deswegen diskutiert man nicht, sonder sagt "Stopp!"

    • @rakader:

      Lesen Sie sich bitte noch mehr und breiter ein, dann verstehen Sie, dass man durchaus universalistisch die Rechte und das Leiden der Palästinenser wahrnehmen kann und das von Israelis.



      Dann schaffen Sie auch die Differenzierung von Israel Netanyahu Juden deutlich besser als jetzt noch.

    • @rakader:

      Wenn Sie schon auf den Sechs-Tage-Krieg und seine Folgen verweisen, dann müssen Sie auch daran erinnern, dass eine der Folgen die bis heute anhaltende völkerrechtswidrige Besetzung des WJL durch Israel ist. Auch wenn evident ist, dass die arabische/palästinensische Seite ein erhebliches Maß an Mitverantwortung für die verfahrene Situation trägt, so kann Israel doch nicht ganz aus der Verantwortung genommen werden. Und jetzt sieht es so aus, als wenn die israelische Rechte in Gaza Fakten gemäß ihrer völkisch-nationalen Agenda schaffen will.



      Wenn Sie also innerlinke Kritik an diesen Zuständen pauschal als Antisemitismus diskreditieren, befinden Sie sich gewaltig auf dem Holzweg. Da hilft auch der historische Verweis auf Trotzki nichts - die Rede von der „jüdisch-bolschewistischen Gefahr“ wurde seinerzeit von der politischen Rechten in Umlauf gebracht (von Konservativen bis hin zu den Nazis), um die sozialistische Bewegung insgesamt zu diskreditieren. Dass sich Stalin natürlich auch alter antijüdischer Ressentiments in der russischen Bevölkerung bediente, um seine politische Agenda voranzutreiben, steht auf einem anderen Blatt. Differenzierung wäre hier angebracht..

      • @Abdurchdiemitte:

        Immer auf dem "völkerrechtswidrig" herumzureiten hilft wenig, wenn es um Überlebensängste geht: Schauen Sie sich eine Karte von Israel OHNE die besetzten Gebiete, insbesondere die West Bank, an, und erklären Sie mir, wie Sie das verbleibende Land verteidigen wollen würden, wenn es von den lieben Nachbarn mal wieder militant für unerträglich gehalten wird. Die Gedächtnisse sind lang im Nahen Osten (auf ALLEN Seiten), und um den Israelis das Gefühl zu geben, dass sie aufhören können, in diesen Kategorien zu denken, weil ihre Nachbarn sie garnicht ins Mittelmeer kippen wollen, ist WEIT mehr Vertrauensbildung nötig als bislang erfolgt. Und aus dieser Sicht ist eben auch die Bevölkerung der besetzten Gebiete als die potenzielle Streitmacht zu sehen, die das "Ins-Meer-Kippen" mit der größten Überzeugung betreiben würde - wenn man sie die Mittel dazu anhäufen ließe.

        Sicher gibt es extreme Elemente, die sich dieses Gefühl der Dauerbedrohung zunutze machen und die militärische Übermacht ihres Landes über die Nachbarn bewusst aus der Abwägung rausnehmen. Aber den fruchtbaren Boden auf den das fällt, haben die Vernichtungsphantasten überall um Israel herum sich wirklich selbst zuzuschreiben.

        • @Normalo:

          Wir leben nicht mehr in den Zeiten von Sechstage- und Jom-Kippur-Krieg. Das zu behaupten heißt, den Verlautbarungen einer rechten israelischen Regierung aufgesessen zu sein: stabiler Frieden mit Ägypten und Jordanien, ein Saudi-Arabien, das sehr gerne ohne vom Problem Palästina eingeschränkt zu werden, die Beziehungen zu Israel normalisieren würde (anders als vor über 20 Jahren bei der saudischen Friedensinitiative: Normalisierung im Austausch für einen palästinensischen Staat) um sich ganz auf das Ringen mit dem Iran konzentrieren zu können. Syrien, das vor 2011 trotz des besetzten Golan inaktiv war und seitdem vom Bürgerkrieg zerrissen ist, und der Libanon, noch länger vom Bürgerkrieg geprägt und immer am Rande des Gescheiterten Staates entlangtaumelnd. Bedrohliche Gegner? Was bleibt sind zwei Milizen, für deren Entstehung (im Fall der Hisbollah) und Stärke (im Fall der Hamas) Israel Mitverantwortung trägt. Und der Iran? Ohne Hisbollah und Hamas eine leicht zu beherrschende militärische Bedrohung.

    • @rakader:

      Was für ein einfaches binäres Weltbild: Entweder man ist für die Palästinenser, damit antisemitisch, terroristisch und für die RAF oder man ist "progressiv" und unterstützt Israel, wer auch immer dort regiert und was die auch immer treiben.



      Mag das hier auch etwas sehr verkürzt sein, so scheint dieses Entweder-Oder auch die (Ex-)Genoss:innen anzutreiben, die jetzt leider Die Linke verlassen haben. Schade!

    • @rakader:

      Ok wer oder was genau ist den in der Linken antisemitisch?

  • Breitenbach auch, das tut am meisten weh. Schade, dass die fünf (und andere) die Toleranz verloren haben für Meinungen, die nicht 100%ig den ihren entsprechen. Dann werden auf einmal minimale Unterschiede im Antragstext zu unüberbrückbaren Welten. Ich finde gut, dass Menschen, die in der Linken organisiert sind, ein ganz, ganz kleines bisschen Bewusstsein auch für das palästinensische Leiden in den politischen Diskurs tragen (nicht nur wahlweise "selbst Schuld" oder "leider unvermeidbar").

    • @My Sharona:

      Ich und viele andere haben immer und immer wieder unsere Trauer und Solidarität mit allen Opfern von Krieg und Terror zum Ausdruck gebracht und auch die israelischen Kriegsverbrechen angeprangert. Das hat aber nichts an den roten Dreiecken auf unsere Türen und den "Du hast deine Seite gewählt und wirst dafür bezahlen." Nachrichten im Postfach geändert.

      Das geht am Thema vorbei. Antisemitismus ist nicht logisch - es ist ein gefährlicher Wahn, der sich im Kollektiv verbreitet und immer zu Gewalt und Morden führt wenn er sich dort ungehindert ausbreiten kann. Oder sogar noch befeuert wird.

      ARTE hat da grade eine sehr gute Doku-Serie drüber gemacht. Ist einen Blick wert.

    • @My Sharona:

      Da die Wut "propalästinensischer" Elemente in Deutschland und anderswo über Israels Politik sich zu nicht unerheblichen Teilen gegen die Existenz Israels insgesamt richtet und - noch schlimmer - auch messbar an Juden vor Ort entlädt, halte ich eine 100% konsequente Haltung in der Frage für durchaus geboten. Es sind nicht die Kufiya- sondern die Kippa-Träger, die sich seit dem 7. Oktober persönlich attackiert werden und in manche Gegenden nicht einmal mehr reintrauen können.

      Solange das so ist, hat aus meiner Sicht eine wirklich rasiermesserscharfe Kante zu den inakzeptablen Absichten und Mitteln des Widerstands insbesondere der Hamas richtigerweise Vorrang vor einer möglichst weitgehenden Solidarität mit dem Leid der Palästinenser. Antisemitismus darf hierzulande auf nichts Anderes treffen als entschlossenen, unzweideutigen Widerstand. Mit wohlfeiler "Ablehnung" ist es nicht getan (und mit mühsam an eigenem Antisemitismus vorbeiformulierter Schwurbelei, wie man sie leider bei "Antizionisten" häufig erlebt, schon garnicht). Pluralismus hat auch gewisse Grenzen.

      • @Normalo:

        Und übrigens zum Thema Antizionismus: ich betrachte das in erster Linie immer noch als eine innerjüdische Debatte - und würde es im Prinzip auch gerne dabei belassen. Wer sich als Nicht-Jude da in die eine oder andere Richtung positioniert, sollte das zumindest sensibel tun.



        Besonders schräg finde ich es jedoch, wenn jüdische Antizionisten - die aus religiösen oder politischen Motiven diese Position vertreten - öffentlich als Antisemiten diffamiert oder in deren Nähe gerückt werden. So z.B. bei Deborah Feldman wegen ihrer Herkunft aus der ultraorthodoxen Satmarer Sekte.



        www.juedische-allg...de/kultur/toxisch/



        Zumindest zeigt es von wenig historischer Kenntnis der Auseinandersetzungen zwischen zionistischen und nicht-zionistischen Gruppierungen in der jüdischen Diaspora. Oder von einseitiger Parteilichkeit, ganz wie Sie wollen.

      • @Normalo:

        Was Sie schreiben stimmt nicht. Hier ging es darum, dass einige nur eine historische Einordnung des 07.10.23 und der weltweiten öffentlichen Folgen gelten lassen wollten. Eine Einordnung, die auch unter Juden*Jüdinnen innerhalb und außerhalb Israels umstritten und umkämpft ist. Meine Vermutung ist, dass hier Menschen (und wie gesagt, bei einigen bedaure ich das sehr) eine Partei verlassen, die ihnen fremd geworden ist. Dabei ging es aber nur am Rande um die richtige Formulierung eines linken Anti-Anti-Semitismus, sondern um einen generellen Frust von arrivierten politischen Akteuren, deren politisches Handeln (und meistens nur Sprechen) eine Sehnsucht nach Anerkennung seitens des politischen, journalistischen und kulturellen Establishments "ausstrahlt" und die es als Angriff auf sich selbst verstehen, dass dieser generelle Politikstil von neuen (außerhalb der Linken gar nicht hörbaren) Stimmen kritisiert wird. Sören Benns Aussagen zu seinem Parteiaustritt illustrieren das perfekt.

    • @My Sharona:

      Mehr Toleranz für Antisemitismus?

      Sorry, aber da ging es nicht um minimale Unterschiede in Formulierungen.

      Da geht es um vom Grundsatz her andere Sichtweisen.

      Antisemitismus ist keine Meinung.

      • @rero:

        Redundante Krassheiten im Urteil machen das Urteil nicht richtiger.



        Die Frage, ob es sich beim 07.10.23 um "eliminatorischen Antisemitismus" gehandelt hat oder um eine andere verachtenswerte und zu bekämpfende Form des Antisemitismus, ist letztlich eine die a) von den Delegierten eines Parteitages nicht zu entscheiden ist, weil das nicht ihre Kompetenz darstellt und die b) auch komplett virtuell, im Sinne von folgenlos, ist. Als Lackmustest für irgendwas eignet sich die Frage nicht. Und sie sollte sich auch nicht eignen für das Generieren von Unterstellungen (Toleranz für Antisemitismus).