Linke Selbstverteidigung: Schreien, schieben, boxen!
Mit Nazis reden? Damit ist jetzt Schluss. Um sich auf die nächste Begegnung mit Nazis vorzubereiten, geht unsere Kolumnistin zum Boxtraining.
L inks, rechts, links, rechts, links. Ich haue meine Hände in die Luft. Mit über dreißig Frauen stehe ich in einem stinkenden Raum, der Boden ist grau gepolstert, als erstes Lied läuft „Eye of the Tiger“ (ja, wirklich). Dazu sollen wir diagonale Haken schlagen, gleichzeitig springen die Füße abwechselnd vor und zurück „Handgelenke anspannen“, sagt die Trainerin. Wie soll das gehen? Wahrscheinlich sehe ich aus wie eine Heuschrecke, die Hampelmänner macht. Ich konzentriere mich aufs Atmen, weil ich sonst losprusten muss. Was mache ich hier?
Im August war Christopher Street Day in Bautzen. Rund 700 Neonazis marschierten gegen die queere Demonstration auf. Sie schwenkten Reichskriegsflaggen und skandierten ekelhafteste Sprüche. Eine Woche später versuchten Rechte in Leipzig das gleiche. Aggressive Neonazi-Mobs, meiner Kollegin macht das Angst: „Mit Nazis reden, vielleicht ist das jetzt vorbei“, sagt sie. Stattdessen sollten wir lieber lernen uns für den Ernstfall zu verteidigen.
Ich bin 1,63 Meter, 51 Kilo Kampfgewicht. Wenn mich jemand umhauen will, haut er mich um. Da bin ich mir ziemlich sicher. Zwar habe ich letztens nach regelmäßigem Pilatestraining meinen Trizeps entdeckt, aber der wird nicht reichen. Also gehe ich zum Boxtraining.
Mein rechtes Bein ist das starke. Aber ich beginne mit links, mit Front-Kicks. Ich soll mich in die Auslage stellen, das heißt: starkes Bein nach hinten, schwächeres nach vorne – und mit dem vorderen Bein in den Bauch der Frau gegenüber kicken. Ich habe noch nie jemanden getreten. Was, wenn ich ihr wehtue? Mir ist die Situation unangenehm. Also grinse ich sie an, während ich kurz oberhalb ihres Bauchnabels tippe, da wo die Leggings aufhört. Hoffentlich geht das bei einer Naziwampe besser.
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Mit dem Boxkissen habe ich kein Mitgefühl. Kick nach vorne, Treffer, meine Fußsohle klatscht genau auf die eingerissene Stelle in der Mitte des Kissens. Mit rechts fühlt sich mein Tritt fast schon gefährlich an.
Immer lauter schreien als Nazis!
Dann sollen wir uns gegenseitig durch den Raum schieben, eine Übung für die Selbstbehauptung. Ich fasse meine Übungspartnerin an den Schultern, stemme mich gegen sie und schiebe sie nach vorn. Schwerer als gedacht. Im nächsten Schritt sollen wir schieben und gleichzeitig schreien, am besten aus dem Bauch heraus, da kommt auch die Kraft her. Ich hole tief Luft, suche nach dem Lautstärkeregler meiner Stimme. Viel zu kehlig schreie ich ihr ins Gesicht und schiebe. Ich bin überrascht: Sie lässt sich durch das Schreien einfacher wegschieben. Als würde sie plötzlich sieben Kilo weniger wiegen.
Dann die dritte und letzte Stufe, wir sollen beide schreien. Ahhhhhhhhh, als würde eine Sirene heulen. Die Trainerin verlässt den Saal, um ihre Ohren zu schonen. Ich drücke die Schultern meiner Partnerin von mir weg, mein Körper stemmt sich gegen ihren Widerstand, aber sie hat die Kilos wieder drauf. Es ist, als würde ich durch Honig waten. Nachdem ich sie geschätzt zwölf Meter über die Matte geschoben habe, ächze ich nach Luft.
Wenn wir uns mit unserer Stimme wehren und schreien, macht das einen spürbaren Unterschied, lerne ich. Das Schieben fällt leichter, aber es ist auch einfacher standzuhalten.
Was heißt das? Immer lauter schreien als Nazis!
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