Leipziger Erklärung der Linkspartei: Linke will gegen Spaltung kämpfen
Führungsriege der Linkspartei distanziert sich in Leipzig indirekt von Sahra Wagenknecht und bekennt sich zum Selbstverteidigungsrecht der Ukraine.
![Bei der Klausur der Partei Die Linke in Leipzig sitzen die Führungsköpfe Amira Mohamed Ali, Martin Schirdewan, Janine Wissler und Dietmar Bartsch nebeneinander vor einer roten Wand. Die Partei- und Fraktionsvorstände der Linken aus Bund und Ländern trafen sich in Leipzig um die künftige Linie der Partei abzustecken Bei der Klausur der Partei Die Linke in Leipzig sitzen die Führungsköpfe Amira Mohamed Ali, Martin Schirdewan, Janine Wissler und Dietmar Bartsch nebeneinander vor einer roten Wand. Die Partei- und Fraktionsvorstände der Linken aus Bund und Ländern trafen sich in Leipzig um die künftige Linie der Partei abzustecken](https://taz.de/picture/5969862/14/31733208-1.jpeg)
Dabei befindet sich die Linke in einer existenziellen Krise: Zermürbt vom Dauerstreit um die frühere Bundestagsfraktionsvorsitzende Sahra Wagenknecht und vier Landtagswahlen, bei denen die Partei mehr oder weniger deutlich unter der Fünfprozenthürde landete.
Das scheint inzwischen auch das führende Personal der Partei begriffen zu haben. Die Linkspartei sei „eine historische Errungenschaft“, die aber heute „in Gefahr“ sei, heißt es in einer von den Mitgliedern des geschäftsführenden Parteivorstands, der Bundestagsfraktionsspitze, dem Präsidium des Bundesausschusses sowie allen Partei- und Fraktionsvorsitzenden in den Ländern namentlich unterzeichneten „Leipziger Erklärung“.
Zu oft biete die Linkspartei „ein Bild der Zerstrittenheit und gegensätzlicher Antworten“, schlechte Wahlergebnisse und Verlust von Mitgliedern seien „deutliche Alarmzeichen“, heißt es in dem dreiseitigen Papier weiter, auf das sich die Teilnehmer:innen am Samstag auf der internen Klausurtagung verständigt haben. Relevante Gruppen in der Gesellschaft fühlten sich von der Partei nicht mehr angesprochen. Die innerparteilichen Konflikte mündeten „aktuell in einem zerstörerischen Gegeneinander“. In der Öffentlichkeit werde „sogar über die Bildung eines alternativen Parteiprojekts spekuliert“. Die 53 Unterzeichner:innen seien „dagegen bereit, für unsere gemeinsame Partei zu kämpfen, das historische Projekt einer geeinten, pluralen sozialistischen Partei zu verteidigen und weiterzuentwickeln“.
Bekenntnis zum alten Gründungskonsens
Jenseits solcher Lippenbekenntnisse werden in der „Leipziger Erklärung“ einige inhaltliche Pflöcke eingeschlagen, die als deutliche Distanzierung vom Kurs Wagenknechts und ihres Anhanges zu verstehen sind. Beispiel Ukrainekrieg: Die Linkspartei verurteile den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands, der zu unermesslichem Leid, Tod und Zerstörung geführt habe, und fordere „den sofortigen Rückzug der russischen Truppen“, ist da zu lesen. Und: „Wir bekennen uns zum Selbstverteidigungsrecht der Ukraine und fordern die volle Wiederherstellung der ukrainischen Souveränität.“ Solche Töne sind von Wagenknecht nicht zu hören.
Als Abgrenzung von ihrer prominenten ehemaligen Frontfrau ist auch das Bekenntnis zum alten Gründungskonsens zu verstehen: „Linke einigend, demokratisch und sozial, ökologisch, feministisch und antipatriarchal, offen und plural, streitbar und tolerant, antirassistisch und antifaschistisch, eine konsequente Friedenspolitik verfolgend“, zitiert die „Leipziger Erklärung“ aus den „Programmatischen Eckpunkten“, auf die sich die PDS und die WASG 2007 verständigt hatten. Für eine solche Partei wollten die Unterzeichner:innen kämpfen. Bemerkenswert: Damit knüpfen sie an das Treffen der „progressiven Linken“ am Wochenende zuvor in Berlin an. Auch in der dort verabschiedeten Erklärung findet sich ebendieses Zitat aus den Anfangszeiten.
Als Warnung ist die Feststellung zu verstehen, die Linke sei zwar eine plurale Partei, aber „Pluralität ist nicht Beliebigkeit“. Ob das Eindruck bei Wagenknecht hinterlassen wird, die als einfache Abgeordnete ohne Funktion in der Bundestagsfraktion und ohne Parteiamt in Leipzig nicht dabei war, ist allerdings zweifelhaft. Schon in mehreren Gesprächen, die im Vorfeld mit ihr unter anderem von der Partei- und Fraktionsführung sowie dem Parteigranden Gregor Gysi geführt worden sind, hatte sie keinen Zweifel daran gelassen, dass sie keine Perspektive für die Partei mehr sieht.
Die Parteivorsitzende Janine Wissler zeigte sich dennoch zuversichtlich. „In Leipzig haben wir geschlossen gezeigt, dass wir bereit sind, um unsere Partei zu kämpfen und das historische Projekt einer pluralen sozialistischen Partei zu verteidigen und weiterzuentwickeln“, sagte sie.
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