Legalisierung von Abtreibungen: Die vorerst letzte Möglichkeit nutzen
Die Ampel ist gescheitert, damit droht ihrem Projekt „Weg mit dem § 218“ das Aus. SPD- und Grünen-Abgeordnete legen nun einen Gesetzentwurf vor.
D ie Zeichen für das Recht auf körperliche Selbstbestimmung standen in dieser Legislatur so gut wie lange nicht. Erstens forderten zwei von drei Regierungsparteien die Abschaffung des Paragrafen 218 in ihren Wahlprogrammen. Zweitens halten es mehr als 80 Prozent der Bevölkerung für falsch, dass eine Abtreibung, zu der sich eine Person nach Beratung entscheidet, rechtswidrig ist. So hält es eine repräsentative Umfrage des Familienministeriums fest.
Und drittens prüfte eine eigens von der Bundesregierung eingesetzte Kommission die Möglichkeiten der Regulierung des Schwangerschaftsabbruchs außerhalb des Strafgesetzbuchs. Die Empfehlung der Kommission für die Frühphase der Schwangerschaft war eindeutig: Die grundsätzliche Strafbarkeit von Abtreibung ist aus völker-, verfassungs- und europarechtlicher Perspektive „nicht haltbar“. Die Ampel ignorierte das.
Auf den letzten Metern vor den Neuwahlen bringen Abgeordnete von SPD und Grünen nun auf eigene Faust einen Gesetzentwurf zur Legalisierung von Abbrüchen bis zur zwölften Woche ein. Dieser Minimalkonsens schöpft längst nicht aus, was die Kommissionsempfehlungen hergeben. Eine Pflichtberatung etwa bliebe bestehen. Und trotzdem: Dieser Minimalkonsens ist die einzige Möglichkeit, eine Legalisierung derzeit Wirklichkeit werden zu lassen.
In einer nach rechts driftenden Gesellschaft gehören Frauenrechte zu den ersten Errungenschaften, denen Gefahr droht. Kommt in dieser Legislatur kein Recht auf legale Abtreibung in den ersten drei Monaten, kommt es in der nächsten mit noch größerer Sicherheit nicht. Reproduktive Rechte sind derzeit gefährdeter als je in den vergangenen 30 Jahren.
Wenn die Abgeordneten jetzt nicht handeln, rückt das Recht auf legale und sichere Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland auf Jahre in unerreichbare Ferne. Die Empfehlungen der Kommission würden eingemottet, das historische Zeitfenster wäre verpasst. Auf den letzten Metern dieser Legislatur gilt: Nehmt, was ihr kriegen könnt. Besser die kleine Version – als gar keine.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Grünes Wahlprogramm 2025
Wirtschaft vor Klima
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren
Tod des Fahrradaktivisten Natenom
Öffentliche Verhandlung vor Gericht entfällt
Foltergefängnisse in Syrien
Den Kerker im Kopf
Parteiprogramme für die Bundestagswahl
Die Groko ist noch nicht gesetzt
Ministerpräsidentenwahl in Sachsen
Der Kemmerich-Effekt als Risiko