Lebenszeichen von russischem General: „Lebendig, gesund, zu Hause“
Ein Foto des verschwundenen Generals Surowikin ist aufgetaucht. Es wäre das erste Lebenszeichen seit Ende Juni.
Ein Paar schlendert bei sommerlichem Wetter an einer von Efeu bewachsenen Wand entlang. Der Mann trägt Freizeitkleidung, ein Baseballcap und eine Sonnenbrille. Darunter steht: „General Sergei Surowikin ist wieder draußen. Lebendig, gesund, zu Hause, mit der Familie, in Moskau. Das Foto ist von heute.“
Besagte Aufnahme nebst Begleittext postete die russisch-israelische TV-Moderatorin und oppositionelle Aktivistin Xenija Sobtschak am Montagabend auf ihrem Telegram-Kanal. Woher sie das Foto hat, teilte sie nicht mit. Laut einem Bericht des russischen Kommersant soll es sich bei der Frau im Foto um Surowikins Ehefrau Anna handeln. Eine ähnliche Information verbreitete der ehemalige Chefredakteur des Radiosenders Echo Moskwy, Alexei Wenediktow, fast gleichzeitig in den sozialen Netzwerken. „Im Urlaub und zur Verfügung des Verteidigungsministeriums“, heißt es dort.
Sollte das Foto echt und aktuell sein, so wäre das seit knapp zweieinhalb Monaten das erste Lebenszeichen von Surowikin. Der 56-jährige Armeegeneral war seit 2017 Oberbefehlshaber der Luft- und Weltraumstreitkräfte (WKS) der Russischen Föderation. Von Oktober 2022 bis Januar 2023 war er Kommandeur der gesamten Interventionstruppen in der Ukraine. In diese Zeit fallen regelmäßige und gezielte Angriffe auf Einrichtungen der kritischen Infrastruktur des Landes, unter anderem zur Energieversorgung.
Auch der Rückzug aus der südukrainischen Stadt Cherson sowie aus dem dortigen Gebiet rechts (westlich) des Dnipro erfolgte unter Surowikins Führung. Im vergangenen Januar wurde er durch den Armeegeneral und Chef des Generalstabs der russischen Streitkräfte, Waleri Gereassimow, ersetzt und zu einem von dessen Stellvertretern ernannt.
Letzte Bewegtbilder waren am 24 Juni
Die vorerst letzten Bewegtbilder, auf denen Surowikin zu sehen war, verbreitete das russische Verteidigungsministerium in der Nacht zum 24. Juni. In dieser Videobotschaft wendet sich der Militär an die Mitglieder der privaten Söldnerarmee Wagner und fordert sie auf, ihren Aufstandsversuch abzubrechen. Wenige Stunden zuvor hatte Wagner-Chef Ewgeni Prigoschin seine Truppen Richtung Moskau in Marsch gesetzt. Bereits am nächsten Tag ließ er die Aktion stoppen.
Zu diesem Zeitpunkt hatten in verschiedenen Medien schon längst Berichte über angeblich enge Beziehungen zwischen Surowikin und Prigoschin kursiert, was den Verdacht nährte, Ersterer sei in die Meutereipläne von Anfang an eingeweiht gewesen.
Für das plötzliche Verschwinden Surowikins waren ganz verschiedene Erklärungen im Umlauf. Mal hieß es, er sei abgesetzt worden, mal verlautete, er sei in Untersuchungshaft und sitze im Moskauer Gefängnis Lefortowo ein. Die New York Times (NYT) berichtete jetzt, dass Surowikin bereits kurz nach dem Ableben Prigoschins bei einem Flugzeugabsturz am 23. August auf freien Fuß gekommen sei. Das will die NYT aus gut unterrichteten Quellen erfahren haben, die dem russischen Verteidigungsministerium nahestehen sollen.
Am Montag hatten Journalist*innen Verteidigungsminister Sergei Schoigu bei einer Pressekonferenz nach Sergei Surowikin gefragt – unter anderem, ob gegen ihn ermittelt werde. Schoigu weigerte sich, darauf zu antworten. Der nächste Versuch erfolgte am Dienstag – diesmal gegenüber Kremlsprecher Dmitri Peskow. Der ließ nicht einmal Fragen nach Surowikin zu.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Scholz bezeichnet russischen Raketeneinsatz als „furchtbare Eskalation“