Lars Eidinger und Aldi: Muss das weg?

Schauspieler Lars Eidinger posiert mit einer 550 Euro teuren Aldi-Tüte vor einem Obdachlosenbett und erntet einen Shitstorm. Zu Recht?

Schauspieler Lars Eidinger sitzt auf einem Kaugummi-Automat und hat eine Tasche in der Hand

„So laufe ich immer rum“, sagte Eidinger auf die Kritik an diesem Foto Foto: Benjakon

Ein Pro und Contra

Ja, Lars Eidinger ist der Discounter unter den Schauspielern. Nach dem Motto „Hauptsache billig“ hat er so manche Geschmacklosigkeit im Sortiment. Denn any publicity is good ­publicity, und Eidinger braucht die Aufmerksamkeit wie andere eine warme Mahlzeit und ein Dach über dem Kopf.

Eidinger lebt in einer Kunstblase, in der es nur Requisiten und Statisten gibt. Kein Wunder, dass er glaubt, das 550 Euro teure Aldi-Tüten-Replikat und sein Shooting vor einer Obdachlosenschlafstätte seien ein Geniestreich. Mit dieser Aktion ästhetisiert er aber nur das Elend anderer und verhält sich schlimmer als ein paar rich kids beim Ausflug in eine Absturzkneipe. Er wolle Widersprüche aufzeigen, aber Antworten habe er nicht. Jaja, die Welt ist schlecht und er ein Kind ihrer Verhältnisse. Also alles kein Problem? Doch. Es ist ein Unterschied, ob man diesen Widerspruch zeigt, um etwas zu verändern, oder, weil man vor allem Profit daraus schlagen will.

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Und lieben Gruß an alle, die das jetzt als ironische Kunst abfeiern: So ein Luxusbeutel, der in limitierter Auflage verkauft wird, ist keine Kunst, sondern Kommerz und damit ähnlich exklusiv wie eine ironische Perspektive auf die Welt.

Anna Fastabend

Nein, dem Schauspieler lässt sich nur eines vorwerfen: Ideenklau. Schon 2006 trug Louis Vuitton eine andere Plastiktüte in die Modewelt: die als „Polenkoffer“ bekannte schwarz-rot-weiß karierte Riesentragetasche aus PVC. Der Grafikdesigner Rehberg verkauft diese seit 2016 aus „vegetabil gefärbtem Ziegenleder“ für 1.850 Euro. Schon 1992 warb Benetton mit Mafia-, Aids-, und Bürgerkriegsopfern. Schon immer war die Aldi-Tüte Kunst. Gestaltet vom Maler Fruhtrunk hängt sie in zig Museen.

Wer Eidinger vorwirft, Elend zu ästhetisieren, gucke an sich selbst herab: Der Sneaker war einst ein Armeleuteschuh, die edle Trainingsjacke einst Accessoire arbeitsloser Bierdosentrinker. Allein, dass die Medien den Künstler Eidinger baten, sein Kunstwerk zu interpretieren, aber keiner einen Obdachlosen nach seiner Deutung des Eidinger’schen Kunstwerks fragte, spricht Bände über die Doppelmoral, in der wir alle leben.

Was wirklich cheesy wäre? Wenn Lars Eidinger angekündigt hätte, er wolle sich nicht in die eigene Tasche wirtschaften, sondern den Erlös seiner Ledertüte den Obdachlosen spenden. Es hätte denselben Zweck: Aufmerksamkeit. Nur moralisch gut getarnt.

Doris Akrap

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