Landwirte in Honduras: Palmöl-Bauern hoffen auf ein deutsches Gesetz
Palmöl-Bauern reichen eine Beschwerde auf Basis des Lieferkettengesetzes ein. Ihre Unterstützer fordern, dass es nicht abgeschafft wird.
Auf seiner Tour nach Münster, Köln, Bremen, München und Berlin will Rivas die Beschwerde präsentieren, die er beim Bundesamt für Wirtschaft (Bafa) eingereicht hat. Darin sind heftige Beschuldigungen dokumentiert: Einem honduranischen Unternehmen wird die Ermordung von Bauern vorgeworfen, um an deren Land zu kommen. In letzter Konsequenz würden davon auch Firmen in Deutschland profitieren, die hier Produkte mit Palmöl verkaufen, so der Vorwurf.
Für die Entwicklungsorganisation Romero-Initative, die Rivas unterstützt, hat das Ganze eine bundespolitische und europäische Dimension. Denn Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) will das Lieferkettengesetz, auf dem die Beschwerde basiert, und eine entsprechende EU-Richtlinie aushebeln, was Beschwerden gegen Menschenrechtsverstöße erschwerte und hiesige Unternehmen teilweise oder ganz aus ihrer Verantwortung entließe.
Die aus den Früchten der Ölpalme gewonnene Flüssigkeit dient als Rohstoff unter anderem für Reinigungsmittel und Speiseöl. Honduras ist mittlerweile ein großer Produzent. Im Norden des Landes, wo Yoni Rivas und zahlreiche bäuerliche Kooperativen arbeiten, betreibt auch die Firma Dinant große Plantagen.
Sicherheitsfirmen sollen getötet haben
Es herrscht Konkurrenz um Anbauflächen. Vor diesem Hintergrund führt die Beschwerde mehrere Fälle zwischen 2023 und 2025 auf, bei denen Sicherheitsfirmen, die mit Dinant angeblich kooperierten, Landwirte getötet und Einwohner vertrieben haben sollen.
Juristisch richtet sich die Beschwerde gegen die international tätigen Handelsfirmen Archer Daniels Midland Company (ADM) und Cargill Incorporated, die Palmöl von Dinant gekauft und an deutsche Firmen weiterveräußert hätten.
Das grundsätzliche Argument: ADM, Cargill, deutsche Weiterverarbeiter und Einzelhändler seien mitverantwortlich für die Verstöße gegen die Menschenrechte der Landwirte in Honduras, weil sie nichts dagegen unternahmen. ADM und Cargill weisen die Vorwürfe zurück. Genannt wird unter anderem der Chemiekonzern BASF SE, der nach entsprechenden Hinweisen allerdings kein Palmöl von Dinant mehr beziehe.
Die Kritiker fordern nun, das Bundesamt für Wirtschaft solle den Handel von ADM und Cargill durchleuchten und Druck auf die Firmen ausüben. Gegenüber der taz äußern will sich die Behörde nicht. Das Lieferkettengesetz ist seit zwei Jahren in Kraft, die ähnliche Richtlinie der EU wurde vor einem Jahr beschlossen. Beide würde Bundeskanzler Merz gern abschaffen, was aber mit der SPD nicht zu machen ist.
Manche Unternehmen kooperieren
Auf EU-Ebene plädiert Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen dafür, die Richtlinie abzuschwächen. Offiziell soll das dazu dienen, Unternehmen, die in der augenblicklichen Stagnation schon genug Probleme hätten, von Bürokratie und Kosten zu entlasten. Deshalb ist momentan insgesamt unklar, wie ernsthaft das Bundesamt neue Beschwerden bearbeitet.
Noch aber sagt Dominik Groß von der Romero-Initiative: „Die Ergebnisse vieler Unternehmensbeschwerden und die anschließende Kommunikation mit den Firmen bewerten wir als positiv.“ Ein Grund dafür: Manche Unternehmen reagieren kooperativ und versuchen, die Missstände in ihren Lieferketten zu lindern.
Teilweise in diese Richtung weist auch eine aktuelle Untersuchung der Organisationen Brot für die Welt, dem European Center for Constitutional and Human Rights ECCHR und Misereor. „Das Lieferkettengesetz zeigt Wirkung – aber nur, wenn es konsequent durchgesetzt wird“, sagte Annabell Brüggemann, leitende Rechtsberaterin beim ECCHR.
Kritik äußerten die Organisationen am unzureichenden Zugang der BeschwerdeführerInnen zum Bundesamt und der mangelnden Transparenz der Behörde. Nur in wenigen Fällen habe sich die Situation der betroffenen Beschäftigten im Ausland verbessert.
Ohne Gesetz ist die Rechtslage unsicher
In die Debatte schalteten sich zudem 90 europäische ÖkonomInnen mit einer öffentlichen Erklärung ein. „Die EU-Richtlinie verursacht nur geringe Kosten, sie wird der europäischen Wettbewerbsfähigkeit nicht schaden, sondern setzt die richtigen Anreize zu einer zukunftsorientierten Spezialisierung“, sagte der Wiener Wirtschaftsforscher und Mitinitiator Johannes Jäger.
Eine Gruppe internationaler JuristInnen warnte zudem vor Rechtsunsicherheit für Unternehmen, sollte die EU ihre Richtlinie abschwächen. Denn wegen unklarer Regeln könnten auf Firmen mehr Prozesse zukommen. „Das wäre schlecht fürs Geschäft und für Investitionen“, sagte Thom Wetzer, Juraprofessor der Universität Oxford, dem Spiegel.
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