piwik no script img

Landtagswahlkampf in NRWWer hat das schlimmste Deutsch?

In anderthalb Wochen wählt Nordrhein-Westfalen einen neuen Landtag. Der Blick auf die Wahlplakate ist ernüchternd.

Wer braucht denn die Plakate? Eben Foto: Oliver Berg/dpa

I n anderthalb Wochen wird in NRW gewählt. Wahlen im bevölkerungsreichsten Bundesland sind wichtig, weil es eben so reich an Bevölkerung ist und sonst auch nicht mehr aussagt. SPD und CDU liegen in den Umfragen so ziemlich gleichauf, die Grünen rangieren deutlich vor der gerade mit der CDU regierenden FDP.

Den Ton gibt allerdings eine andere Partei an. Den Sponti-Spaßbratzen-Slogan „Inhalte überwinden“ der (Satire-) PARTEI haben sich in NRW alle anderen Parteien zu eigen gemacht. Das gilt vor allem für die an so ziemlich jedem Mast zwischen Rhein und Weser baumelnden Wahlplakate. „Klimaschutz – gemeinsam bewegen“ heißt es bei den Grünen. Das ist lahm und auch noch schlechtes Deutsch. Haben Sie schon mal Klimaschutz bewegt? Die Grünen scheinen das geahnt zu haben. Deshalb steht auf dem Plakat nix von den Grünen als Partei, sondern bloß „Von hier an Grün“. Zur weiteren Tarnung ist das sogar noch lila hinterlegt.

Dabei ist Lila ja eigentlich die Farbe der neuen Partei Volt, die schwer auf Europa macht. In NRW kommt sie aber nicht über den Spruch „Wer neue Politik will, muss neue Politik wählen“ hinaus. Da fehlt jeder Inhalt, genauso wie bei der FDP. Die hat sich für budget­schonende 3,99 eine Phrasendreschmaschine gekauft und wirbt wahlweise mit „Freiheit bleibt systemrelevant“ oder „Wenn deine Oma online ist, kann Amt das auch“.

Bei der SPD haben sie dafür wieder zu lange bei schlechtem Rotwein Arbeiterlieder von Sonne, Freiheit und Morgenröte gesungen. Jedenfalls kam „Für Euch gewinnen wir das Morgen“ dabei raus. „Weil besser möglich“ lautet ein anderer SPD-Spruch.

Schön gestrichen

Dieser Wahlkampf ist offenbar auch ein Wettkampf ums schlimmste Deutsch. Da wirkt „Machen, worauf es ankommt“ (CDU) völlig unverdient sympathisch, weil es immerhin ein ganzer Satz ist. Wozu auch Inhalte? Obwohl, doch, da: „Einfach fair Luft­linie zahlen? eezy!“ wirbt ein anderes Plakat. Ach so, ist gar nicht zur Wahl. Ist Werbung vom Verkehrsverbund Rhein-Sieg für ÖPNV-Tarife.

Die intelligentesten Plakate hat ausgerechnet die Partei, die wenig Chancen hat, in den Landtag zu kommen. Die Linke wirbt mit kongenialem Durchgestreiche. „A̶r̶m̶u̶t̶“ heißt es da zum Beispiel oder „U̶n̶b̶e̶z̶a̶h̶l̶b̶a̶r̶e̶ ̶M̶i̶e̶t̶e̶n̶“ oder, weil ÖPNV so schön ist, „fährt immer s̶e̶l̶t̶e̶n̶e̶r̶“.

„Wer braucht denn die Plakate? Die millionenschweren Ausgaben und die nachfolgenden Kosten wegen Vandalismus sollten für den Klimaschutz umbudgetiert werden“, fordert die Mitbewohnerin.

Wie schrieb ein kundiger WDR-Kollege neulich? NRW-Wahlkämpfe litten oft „an einer gewissen Überakzentuierung des Banalen“. Wie wahr! Die PARTEI hat das übrigens schon immer gewusst und deshalb auch das Plakat „Wahlplakate verbieten!“ im Repertoire.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Steffen Grimberg
Medienjournalist
2000-2012 Medienredakteur der taz, dann Redakteur bei "ZAPP" (NDR), Leiter des Grimme-Preises, 2016/17 Sprecher der ARD-Vorsitzenden Karola Wille, ab 2018 freier Autor, u.a. beim MDR Medienportal MEDIEN360G. Seit Juni 2023 Leitung des KNA-Mediendienst. Schreibt jede Woche die Medienkolumne "Flimmern und rauschen"
Mehr zum Thema

12 Kommentare

 / 
  • Achtung:

    Wer wählt, schenkt der Partei seiner Wahl sozusagen 5 € Wahlkampfkostenerstattung.

    Ich möchte aber bitte umsonst wählen. Also gratis. Kann ich aber nicht.

    Und dann kommt für das schöne Geld so ein Quatsch auf Plakaten raus...Haben wir das wirklich verdient?

    Ist das eigentlich demokratisch, dass so die Partei mit den meisten Stimmen auch am meisten Knete erhält? Ich meine, die können uns dann mit noch mehr Plakaten, Werbespotz, Kugelschreiber usw. vollballern. Die kleinen Parteien nicht.

  • 9G
    93851 (Profil gelöscht)

    Exakt:



    „Wer braucht denn die Plakate? Die millionenschweren Ausgaben und die nachfolgenden Kosten wegen Vandalismus sollten ....umbudgetiert werden“...(Zitat)

    "Dreck lass nach", würde ich sagen: Papierverschwendung! Umweltverschandelung!



    Unnötige Steuergeld-Verprasserei!

    Fazit: Weg mit dem Beamtenstatus!



    Was Politikerin den Ars... geschoben kriegen, sieht man auf so dummen Plakatwerbungen ja nicht.....

  • "Machen, worauf es ankommt" ist KEIN ganzer Satz.

    Wahlplakate sind für mich wie Anschreiben bei einer Bewerbung. Da ist ein schlimmes Deutsch schon ein Ausschlusskriterium. Aber die Ansprüche sind in letzter Zeit auch sehr gesunken. "Immerhin ein ganzer Satz" ist da echt Luxus, ebenso wie Wörter ohne Sonderzeichen oder Großbuchstaben mitten im Wort.

  • 1G
    164 (Profil gelöscht)

    Mein lokaler CDU-Kandidat wirbt auf Plakaten, die unten einen QR-Code haben, neben dem "Erweck mich zum Leben" steht. Ich weiß nicht ob das an mein Mitleid appelliert oder das Eingeständnis darstellt, dass die Union wieder einen Untoten ins Rennen schickt.

    • @164 (Profil gelöscht):

      Der Düsseldorfer CDU-Kandidat schreibt nur lapidar "Ihr Abgeordneter im Landtag". Soll mir das etwas sagen? Vielleicht nur, dass er käuflich ist (will ja meiner sein).



      Langweiliger geht's kaum.

      Mich haben Wahlplakate jedenfalls noch nie umgestimmt. Höchstens die Stimmung vermiest, weil wieder eines im Weg herumstand.

  • Korrekt.

    “ Die intelligentesten Plakate hat ausgerechnet die Partei, die wenig Chancen hat, in den Landtag zu kommen. Die Linke wirbt mit kongenialem Durchgestreiche. „A̶r̶m̶u̶t̶“ heißt es da zum Beispiel oder „U̶n̶b̶e̶z̶a̶h̶l̶b̶a̶r̶e̶ ̶M̶i̶e̶t̶e̶n̶“ (*)oder, weil ÖPNV so schön ist, „fährt immer s̶e̶l̶t̶e̶n̶e̶r̶“.“

    Deswegen wähl ich ☕️ ☕️ & *Mieten-Kalle - parteilos beie Linke - vor Ort.



    &



    Thomas Kutschaty - das issen Guter - Woll.

    unterm—— servíce & see you & 🎷🎶🎶 -



    www.facebook.com/l...10154581886230683/

    🎡 & Ende der Werbeeinblendungen

    • @Lowandorder:

      Interessant und informativ. Danke.

  • Ja, alles richtig, aber:

    "Wer hat das schlimmste Deutsch?"

    Wer wo im Glashaus sitzt und so, wa?

    • @Oliver Korn-Choodee:

      Das war sicher ironisch gemeint, wa?

  • Wie wahr! Habe mir schon einen extra dicken Edding gekauft und kommentiere nun auf den Plakaten. Als Rentner hat man ja Zeit ...

    • @Christian Lange:

      Ja wie? Mal von Rentier zu Rentier!



      In Echt - Edding am Dom!?

      Schade - Edding!



      Dann sanns aber denn doch nicht der seit längerem schmerzlich vermißte -



      Plakate jeglicher Couleur mit scheißenklugen Sprüchen - Anmerkungen etc in schweinemäßig gut lesbarer Schreibschrift verzierende kölsche Mitbürger?! - Nein?!



      Echt Schade das aber auch die •

      Anyway - masel tov - 🖊 - 🙀🥳 -

  • Es ist wirklich ein Jammer, dass der deutsche Wähler Politiker die mit konkreten Aussagen im Wahlkampf auftreten meist abstraft. Frau Dr. Merkel hat das nach den ersten 2 Bundestags-Wahlkämpfen ganz schnell gelernt. Ab 2009 gab es deshalb nie wieder irgendeine handfeste Aussage, die nicht eine Woche später hätte locker wieder kassiert werden können. Mit konkreten Inhalten werden in diesem Land leider Wahlen eher verloren als gewonnen. Es ist ein Trauerspiel.