Landtagswahl in Österreich: Erfolgslauf der FPÖ geht weiter
Mit einem historischen Ergebnis gewinnt die FPÖ die Wahl in der Steiermark. Die Schockwellen werden auch bei den Regierungsverhandlungen in Wien spürbar sein.
Als wichtigste Themen bei der Wahl galten Inflation, Zuwanderung sowie der Bereich Gesundheit und Pflege. Unter anderem die Zusammenlegung mehrerer Spitäler in ein neues „Leitkrankenhaus“ sorgte für viel Unmut weit über die betroffenen Gemeinden hinaus. Doch auch der Frust, dass die FPÖ auf Bundesebene keinen Regierungsbildungsauftrag vom Bundespräsidenten erhalten hatte, wurde oft als Motiv genannt. Auch der bisherige ÖVP-Landeshauptmann Christopher Drexler führte sein schlechtes Ergebnis auf diese Entwicklung zurück. Bereits im Vorfeld hatte er auch seine eigene Partei kritisiert, mit FPÖ-Bundesparteichef Herbert Kickl nicht verhandeln zu wollen. Eigene Fehler und Versäumnisse sah Drexler hingegen nicht.
Das Ergebnis ist auch überregional von Bedeutung, da die Steiermark mit ihren 1,3 Millionen Einwohner:innen nicht nur das viertgrößte Bundesland Österreichs ist, sondern auch das erst zweite, in dem je die FPÖ gewann. Bisher gelang die Blaufärbung eines Bundeslandes bloß Jörg Haider, der das zuvor rote Kärnten Anfang der 1990er eroberte und damit zu einem Pionier der europäischen Rechtsradikalen wurde. Seit 2013 wird Kärnten wieder von der SPÖ regiert. Als Juniorpartner sitzt die FPÖ hingegen bereits in mehreren Landesregierungen.
In der Steiermark, seit 1945 hauptsächlich von der ÖVP beherrscht, ist eine Fortführung der bisherigen ÖVP-SPÖ-Koalition schon rein rechnerisch nicht mehr möglich. Laut Landesverfassung geht der Regierungsbildungsauftrag zudem zwangsläufig an den Wahlsieger, weswegen nun FPÖ-Spitzenkandidat Mario Kunasek am Zug ist. Zwar ist auch eine Mehrheit gegen ihn möglich, etwa wenn ÖVP und SPÖ noch die Neos oder Grünen mit ins Boot holen. Angesichts des so eindeutigen Wahlsiegs und der politischen Großwetterlage ist aber deutlich wahrscheinlicher, dass Kunasek der künftige Landeshauptmann sein wird.
Vom Verteidigungsminister zum Landeshauptmann?
Der 48-Jährige begann seine Karriere beim Bundesheer und kam 2008 auf einem FPÖ-Ticket in den Nationalrat. Nach Jahren als FPÖ-Wehrsprecher war er von 2017 bis 2019 Bundesverteidigungsminister, bevor die Koalition mit der ÖVP am Ibiza-Skandal zerbrach. Daraufhin kehrte Kunasek zurück nach Graz, wo er die steirische FPÖ-Landtagsfraktion anführte.
Seit mittlerweile drei Jahren wird jedoch, neben anderen, auch gegen Kunasek ermittelt: Die FPÖ Graz steht im Zentrum eines Finanzskandals, bei dem bis zu 1,8 Millionen Euro veruntreut worden sein könnten. Die Affäre kam Ende 2021 durch eine Selbstanzeige des ehemaligen FPÖ-Finanzreferenten ins Rollen. Kunasek beteuerte am Wahlabend einmal mehr, dass sich die Vorwürfe gegen ihn in Luft auflösen würden. Anklagen gibt es bis dato keine, es gilt die Unschuldsvermutung.
Auf Bundesebene wird noch immer koalitionsverhandelt
Anders als im Bund haben im Vorfeld der Wahl weder die steirische ÖVP noch SPÖ ausgeschlossen, mit der FPÖ zu koalieren. Kunasek wolle bereits an diesem Montag Gespräche mit den anderen Parteien aufnehmen. Zu erwarten ist, dass die neue Landesregierung deutlich vor der neuen Bundesregierung fixiert sein wird.
Zurzeit verhandeln im Bund ÖVP, SPÖ und Neos an einer bisher nie dagewesenen Dreierkoalition. Ihr Zustandekommen ist fraglich, da die ideologischen Unterschiede der drei Parteien größer kaum sein könnten. Sollten die Verhandlungen scheitern, könnte die ÖVP doch noch in Verhandlungen mit dem Wahlsieger Herbert Kickl (FPÖ) treten.
Klar ist: Das steirische gestrige Ergebnis gibt den Freiheitlichen weiteren Rückenwind im Bund. Schon jetzt macht die FPÖ massiv Stimmung gegen die aktuellen Verhandlungen. Unter Druck steht vor allem auch die ÖVP, der bei der Gemeinderatswahl in ihrem Kernbundesland Niederösterreich im Januar herbe Verluste drohen. Dann könnten sich weitere beträchtliche Landesteile blau einfärben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen