Landtagswahl in Niedersachsen: Der Stresstest geht weiter
Stephan Weil hat der SPD mit zukunftsorientierter Politik den Rücken freigehalten. Die Erleichterung in Berlin dürfte aber nur kurz währen.
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E in Pflichtsieg für die SPD: beliebter Landesvater, Krise, blasser Gegenkandidat. Dennoch ist der Wahlsieg der Sozialdemokraten in Niedersachsen nicht selbstverständlich und dürfte mancher Genoss:in im Berliner Willy-Brandt-Haus heimliche Seufzer der Erleichterung entlockt haben. Uff. Stephan Weil hat der SPD gegen den Bundestrend und einen anschwellenden Populismus von rechts den Rücken freigehalten. Die Erleichterung in Berlin dürfte dennoch nur kurz sein.
Kann ich meine Rechnungen bezahlen, muss ich frieren, geht mein Unternehmen pleite, ist der Arbeitsplatz sicher? Diese Fragen bewegen aktuell die Menschen in Niedersachsen und in ganz Deutschland. Hätten die Niedersächs:innen vor allem über die Krisenpolitik der Ampel abgestimmt, dann hätte die SPD diese Wahl eigentlich verlieren müssen.
Doch erstens erweckt die Union im Bund auch nicht den Eindruck, sie könne es besser. Und zweitens hat Weil im Wahlkampf früh und konsequent auf das Thema Energie gesetzt, hat eigene Ideen ins Spiel gebracht, wie Preise gedeckelt werden können, und verkörpert generell nicht jene Rückwärtsgewandtheit, die Union und FDP derzeit ausstrahlen.
Während beide die Kernkraftdebatte wiederbeleben, eine Quelle, die derzeit noch 6 Prozent zum deutschen Strommix beiträgt, schaut Weil nach vorn, propagiert den Ausbau der Erneuerbaren, setzt auf grünen Wasserstoff und will Niedersachsen so zum Energieland Nummer eins machen. Eine ähnliche Strategie verfolgt übrigens Präsident Joe Biden in den USA, der mit dem Inflationsbekämpfungsgesetz 430 Milliarden Dollar in grüne Infrastruktur pumpt.
Doch wer glaubt, dass die Ampel diese Impulse aus Niedersachsen nun dankbar aufnimmt, irrt. Denn mit einer FDP, die das dritte Mal in Folge eine Landtagswahl verloren hat, bleibt das Regieren in Berlin ein zähes Geschäft. Die verzweifelt-aggressive Sinnsuche der Liberalen setzt sich fort, ihre Antworten lauten derzeit: Kernkraft und Schuldenbremse. Der Stresstest für die Ampel geht also weiter.
Ein Warnschuss für den schwindenden Rückhalt in der Bevölkerung für die Sanktionen gegen Russland ist der Erfolg der AfD. Dass die Rechtspopulisten trotz Krach und Skandalen viertstärkste Kraft werden, war leider erwartbar und ist auch der Selbstmarginalisierung der Linken geschuldet.
Wohin eine Gesellschaft driftet, entscheidet sich jedoch nicht an den politischen Rändern, sondern in der Mitte. Es wird darauf ankommen, welchen Ton die Union künftig setzt. In Niedersachsen steht sie vor dem Machtverlust. Dies und die jüngsten Äußerungen von Friedrich Merz lassen leider nichts Gutes erahnen. Es bleibt alles wacklig.
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