Landtagswahl im September: Heißer Herbst in Brandenburg
Am 1. September wählt Brandenburg einen neuen Landtag. Auf einem Parteitag bekräftigt die AfD das Ziel, stärkste Partei zu werden.
Eigentlich ist Brandenburgs Wappentier ein roter Adler. Doch als Symbol für eine Dominanz der Sozialdemokraten in dem Bundesland dürfte das Federvieh bald nicht mehr herhalten können. Die seit 1990 ununterbrochen regierenden Sozialdemokraten wirken angeschlagen, und eine Mehrheit für die rot-rote Regierungskoalition scheint ausgeschlossen. Brandenburg steuert auf eine der spannendsten Landtagswahlen seit der Wiedervereinigung zu. Es zeichnet sich schon jetzt ab, dass sich die politischen Kräfteverhältnisse deutlich verschieben werden.
Die AfD könnte bei der Wahl am 1. September sogar als stärkste Kraft in den Landtag einziehen. Die Partei stieg am Wochenende in den Wahlkampf ein. Sie stellte auf einer Hauptversammlung in einem Sporthotel in Rangsdorf ihre Landesliste zusammen. Die Abstimmung endete am Sonntag nach Redaktionsschluss. 87 Mitglieder bewarben sich um die 40 Plätze auf der Landesliste der Partei, die neben den Direktmandaten für den Einzug von Kandidaten in den Landtag entscheidend ist. Sie stellten sich am Samstag bei einem Redemarathon auf dem Parteitag den mehr als 300 AfD-Mitgliedern vor. Die Partei hat in Brandenburg rund 1.600 Mitglieder.
Ambitionen auf die Spitzenkandidatur hatte Landespartei- und Fraktionschef Andreas Kalbitz. Doch der Parteitag nahm die ursprünglich angesetzte Wahl des Spitzenkandidaten von der Tagesordnung. Auf Platz eins der Landesliste wird stattdessen stehen, wer die meisten Stimmen bekommt. In seiner Bewerbungsrede für die Spitzenkandidatur hatte Kalbitz am Samstag deutlich gemacht, dass seine Partei auch Regierungsverantwortung übernehmen wolle.
Zum Auftakt hatte der AfD-Bundesvorsitzende und Brandenburger Ehrenvorsitzende Alexander Gauland seine Partei auf einen Sieg bei der Landtagswahl im Herbst eingestimmt. „Am 1. September wird es den Wechsel geben – wir gehen als stärkste Partei in den neuen Landtag“, sagte Gauland unter dem Beifall der Parteimitglieder. „Wir haben ein klares Ziel: Der SPD-Filz von mehr als 30 Jahren muss beendet werden.“ Er sprach sich auch gegen den Ausstieg aus der Braunkohleverstromung in der Lausitz aus. „Das Märchen vom menschengemachten Klimawandel glauben wir nicht.“ Kalt- und Warmzeiten habe es in der Erdgeschichte immer gegeben. „Der Klimawandel ist natürlich.“
Brandenburg wählt im Herbst ebenso wie Sachsen und Thüringen einen neuen Landtag. Bei der Wahl am 1. September sind vier Parteien nahezu gleichauf.
Laut einer Forsa-Umfrage liegen SPD und AfD bei 20 Prozent. Es folgen die CDU mit 19 Prozent und die Linke mit 18 Prozent. Die Grünen kämen der Umfrage zufolge mit 12 Prozent auf ihr bisher bestes Ergebnis. Die FDP könnte mit 5 Prozent in das Landesparlament zurückkehren.
Bei der vorangegangenen Umfrage lagen SPD und AfD etwas besser bei 23 Prozent. Im Großen und Ganzen hat sich der Trend fortgesetzt. Würde das Wahlergebnis tatsächlich so ausfallen, wäre eine Koalition aus drei oder sogar vier Parteien nötig. (taz)
Die SPD wirkt in Brandenburg personell ausgezehrt. Außerdem musste Ministerpräsident Dietmar Woidke im vergangenen Jahr mit der Kreisreform ein zentrales politisches Projekt kassieren. Auch den von ihm selbst in seiner Zeit als Innenminister angeschobenen Personalabbau bei der Polizei musste er rückgängig machen. Dennoch ist Woidke weiterhin der bekannteste und populärste Politiker im Land und in der Partei unangefochten.
Auch die mit der SPD regierende Linke steht vor einem schwierigen Wahlkampf. Eigentlich hatte sie mit Diana Golze eine Spitzenkandidatin aufgebaut. Doch Golze musste als Gesundheitsministerin nach einem Skandal um gefälschte Krebsmedikamente zurücktreten. Sie tritt nun nicht mehr zur Wahl an. Stattdessen sollen die Landtagsabgeordnete Kathrin Dannenberg und der Gewerkschaftsfunktionär Sebastian Walter die Partei in den Wahlkampf führen. Endgültig entscheidet darüber eine Landesvertreterversammlung am 26. Januar. Inhaltlich sorgt derzeit das neue Polizeigesetz für Unmut. Die Linken hatten die SPD-Pläne für die Gesetzesverschärfung zwar entschärft, die Novelle insgesamt aber mitgetragen. Nun gibt es deshalb die ersten Parteiaustritte, wie die Potsdamer Neuesten Nachrichten berichteten.
Grüne im Aufwind
CDU-Partei- und Fraktionschef Ingo Senftleben möchte erklärtermaßen Ministerpräsident werden. Mit seiner Kampagne gegen die rot-rote Kreisreform hatte er die Landesregierung erfolgreich unter Druck gesetzt – nun soll mit der Kampagne gegen Straßenausbaubeiträge Ähnliches gelingen. Im Falle eines Wahlsieges ist eine Koalition mit der AfD für Senftleben ausgeschlossen, eine mit den Linken nicht. Entsprechende Überlegungen hatte Senftleben bereits vor einem Jahr geäußert. Innerparteilich war er dafür heftig kritisiert worden – auch von Annegret Kramp-Karrenbauer. Kürzlich bekräftigte Senftleben jedoch seinen Standpunkt in einem Interview mit der Märkischen Oderzeitung.
Die Grünen gehören derzeit zu den Gewinnern. Sie profitieren vom Bundestrend. Die Bundesvorsitzende Annalena Baerbock kommt aus Potsdam und absolviert wie ihr Co-Vorsitzender Robert Habeck Termine in Brandenburg. Sie suchen derzeit noch in einer Urwahl ihr Spitzenduo. Fraktionschefin Ursula Nonnemacher gilt als Favoritin. Auch Landeschef Clemens Rostock und Ex-Landeschef Benjamin Raschke gelten als aussichtsreich.
Die FDP will im September wieder in den Landtag zurückkehren. Über die Spitzenkandidatur soll im Februar entscheiden werden. Die Freien Wähler könnten es hingegen wohl nur in den Landtag schaffen, wenn sie wie 2014 ein Direktmandat gewinnen und die 5-Prozent-Hürde außer Kraft setzen.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krise bei VW
Massiver Gewinneinbruch bei Volkswagen
VW-Vorstand droht mit Werksschließungen
Musterknabe der Unsozialen Marktwirtschaft
Verfassungsgericht entscheidet
Kein persönlicher Anspruch auf höheres Bafög
Kamala Harris’ „Abschlussplädoyer“
Ihr bestes Argument
Zu viel Methan in der Atmosphäre
Rätsel um gefährliches Klimagas gelöst
Nahostkonflikt in der Literatur
Literarischer Israel-Boykott