Landkreis übernimmt Patenschaft: Fürsorge für verdächtigte Soldaten

Der Ortenaukreis übernimmt eine Patenschaft für ein Bataillon der Bundeswehr. Davon stehen einzelne Soldaten unter Rechtsterrorverdacht.

Soldaten mit Waffen.

Soldaten der Deutsch-Französischen Brigade Foto: Björn Trotzki/imago

OFFENBURG taz | Der baden-württembergische Ortenaukreis hat beschlossen, eine Patenschaft für das auf der anderen Rheinseite stationierte Jägerbataillon 291 zu übernehmen. Und das ist durchaus umstritten: Der Truppenteil der deutsch-französischen Brigade im elsässischen Illkirch-Grafenstaden war 2017 in die Schlagzeilen geraten, als zwei seiner Offiziere sowie ein weiterer Mann wegen mutmaßlicher rechtsterroristischer Anschlagspläne verhaftet wurden. Auch der damalige Kommandeur geriet zwischenzeitlich in den Fokus.

Wie die Bundesanwaltschaft auf taz-Nachfrage mitteilt, sind die Ermittlungen inzwischen abgeschlossen: Das Verfahren gegen Maximilian T. wurde mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt, der Student Mathias F. zu einer Bewährungsstrafe verurteilt.

Das Verfahren gegen Oberleutnant Franco A. vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main steht noch aus. Dem Offizier des Jägerbataillons wird vorgeworfen, Anschläge auf hochrangige Politiker geplant zu haben. Dafür solle er Sprengstoff, Waffen und Munition aus Bundeswehrbeständen abgezweigt haben.

Für die Anschläge aus einer völkisch-nationalistischen Gesinnung heraus habe Franco A. durch eine Tarnidentität als Asylsuchender aus Syrien Migrant*innen verantwortlich machen wollen. Die Anklage wirft dem Offizier des Jägerbataillons die Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat, Verstöße gegen das Kriegswaffenkontroll-, Waffen- und Sprengstoffgesetz sowie Betrug vor.

Verfahren gegen Soldaten weiterhin offen

Trotzdem wird das Landratsamt des Ortenaukreises nun – gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und der Linken Liste – für diesen Truppenteil eine Patenschaft übernehmen. Die Bundeswehr sei Bestandteil unserer demokratischen Gesellschaft, stellte Landrat Frank Scherer fest, die 600 Soldat*innen, von denen viele im Ortenaukreis wohnten, „Staatsbürger in Uniform“. „Schwarze Schafe oder braune“ gebe es überall und die „Einzelfälle von 2017“ würden ja bereits aufgeklärt.

„Die Linken in der Ortenau stellen sich strikt gegen eine Patenschaft für das Jägerbataillon“, erklärte dagegen Lukas Oßwald für die Linke Liste. Die Ortenau leiste auf diese Weise einen Beitrag zur Militarisierung des alltäglichen Lebens.

Für die Grünen brachte Kreisrätin Dorothee Granderath aus Lahr einen alternativen Vorschlag ins Spiel: „Ich sehe eine solche Patenschaft kritisch und finde sie vor allem verfrüht, solange die Vorwürfe gegen ehemalige Soldaten des Bataillons nicht vollständig aufgeklärt sind.“ Ihr sei „eine Partnerschaft mit einer deutsch-französischen Gesellschaft, die im Bereich ziviler Krisen- und Konfliktprävention tätig ist, sehr viel lieber.“

Die Patenschaft ermöglicht es dem Bataillon, sich zu Terminen wie dem Neujahrempfang in der zivilen Öffentlichkeit darzustellen. Als Gegenleistung erhält der Ortenaukreis Unterstützung bei der Durchführung von Veranstaltungen und Sanitätssoldaten zum Einsatz im Ortenau-Klinikum, wie es bereits im April der Fall war.

Das Bataillon könne sich der zivilen Öffentlichkeit zeigen

Es sei wichtig, solche Kontakte zu pflegen, sagte Landrat Scherer über eine solche Kooperation. Auch andere Einrichtungen hätten während der Pandemie den Einsatz von Sanitätssoldat*innen beantragt – „aber bei uns kommt er, bei anderen nicht. Mehr sage ich dazu nicht“, erklärt sich Scherer.

Was sich das Jägerbataillon von der Patenschaft verspricht, machte der ehemalige Soldat aus Illkirch deutlich, der das Verfahren beim Landratsamt angestoßen hat: „Eine Patenschaft ist eine einseitige Übernahme von Fürsorgepflichten, meine Damen und Herren: Sie übernehmen Fürsorge für dieses Bataillon!“ Und das Bataillon habe ja gezeigt, dass es Fürsorge brauche.

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Illustration: taz/Infotext-Berlin (Montage)

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