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Landesparteitag der Linken in BerlinZwischen Krise und Krisen

Die Linke kritisiert Rechtsausleger in den eigenen Reihen und die Bundesregierung. Sie bekommt Unterstützung von einem prominenten Ex-Mitglied.

Hat keinen Platz für Schwurbeleien: Berlins Linken-Chefin Katina Schubert beim Parteitag Foto: dpa

Berlin taz | Es kommt selten vor, dass ein gerade ausgetretenes Mitglied einen derart prominenten Auftritt auf einem Parteitag erhält – und auch noch viel Applaus bekommt. Ulrich Schneider ist der dritte Redner auf dem Treffen der Berliner Linken an diesem Samstagmorgen; er weiß um seine Besonderheit. Und so beginnt der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands seinen Gastbeitrag mit einem Blick zurück. Er sei wirklich hart in der Sache und „kein Kind von Traurigkeit“, betont Schneider. „Aber was ich im Bundestag zu hören bekam, war zu viel, da war Schluss.“

Schneider hatte kurz nach dem Auftritt von Sahra Wagenknecht in der Bundestagsdebatte Anfang September sein linkes Parteibuch aus Protest zurückgegeben. Am Samstag begründet er das mit der „verächlich machenden und verachtenden Sprache, mit der man auf niemanden mehr zugehen kann“. Kurz darauf betont er: „Ich bleibe immer Linker, ob in der Partei oder außen.“ Denn die Notwendigkeit für eine solidarische Politik sei nie so groß gewesen wie derzeit: „Wir befinden uns in der allergrößten Krise in Deutschland seit 1945. Aber das haben noch nicht alle verstanden.“

Schneider umreißt damit das Themenspektrum dieses Parteitags zwischen Krise (in der Partei) und Krisen (von Corona bis Energie). Dabei gilt der Berliner Landesverband als relativ immun gegen die rechtspopulistischen Positionen Wagenknechts. Seit 2002 regiert man mit kurzer Unterbrechung im Land mit, an der Spitze standen und stehen stets Un­ter­stüt­ze­r*in­nen eines pragmatischen Kurses. Auf dem Parteitag selbst gibt es zwar auch Russland-Fans, aber sie bilden eine überschaubare Minderheit.

Und dennoch hat Wagenknecht mit ihrer Rede, in der sie von einem „Wirtschaftskrieg gegen Russland“ gesprochen hatte, den die Ampelregierung „vom Zaun gebrochen“ habe, auch viele Berliner Linken in die Verzweiflung getrieben. Man weiß: die bundespolitischen Fehltritte könnten der in Hauptstadt bisher weitgehend stabilen Linken schaden.

Applaus für Schirdewan

So ist die Spannung groß, wie Co-Parteichef Martin Schirdewan mit dem Affront parteiöffentlich umgehen wird. Es ist seine erste Rede überhaupt auf einem Landesparteitag, seit er im Juni in Erfurt an die Linkenspitze gewählt wurde. Auf dem 47-Jährigen ruhen viele Hoffnungen, die Linke im Bund raus aus den innerparteilichen Querelen zu führen.

Schirdewan versucht, das soziale Profil der Partei in den Vordergrund zu stellen, fordert noch zur Bewältigung der Energiekrise eine Übergewinnsteuer, die Wiedereinführung der Vermögenssteuer, eine Vermögensabgabe für Superreiche, einen Strom- und Gaspreisdeckel. „Die Ampelregierung lässt die Leute im Stich, aber wir nicht.“

Erst am Ende kommt Schirdewan zur zweiten K-Frage. Man brauche die Energiewende, um Putin „die Rote Karte zeigen zu können“. Als er vom „völkerrechtswidrigen Angriffskrieg“ spricht, diesen Reizworten für den Wagenknecht-Flügel, blickt er ein bisschen bang in die Reihen vor ihm. Aber auch er bekommt Applaus.

Die Irrtümer der Wagenknecht-Linken

Zuvor hat Berlins Landeschefin Katina Schubert vom „imperialistischen Krieg Russlands“ gesprochen und betont: „Wer jetzt meint, mit der Inbetriebnahme von Nord Stream 2 und der Aufhebung von Sanktionen gegen den Angreifer Russland würde alles wie früher, irrt.“ Und während die Bundesregierung in der Energiekrise die „Armen schlicht im Regen stehen lässt“, handle die Berliner Landesregierung, an der die Linke beteiligt ist.

Bis zu 1,5 Milliarden Euro aus Landesmitteln stünden bereit, um Vorsorge zu treffen und Härten abzufedern. „Wir haben – als erstes Bundesland überhaupt – ein wirksames Entlastungspaket verhandelt.“ Was die Linke nicht anhalten werde, Proteste auf der Straße – von links – zu unterstützen und sich daran zu beteiligen.

Das sei auch dringend nötig, folgt man den Befürchtungen von Ulrich Schneider. Er warnt davor, dass Deutschland an und in diesen Krisen zerbrechen könnte. Und appelliert eindringlich, die Krisen nicht einzeln oder gegeneinander, sondern gemeinsam zu bewältigen. „Sorgt dafür, dass diese Krisen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Die schönste Rentenreform nutzt nichts, wenn die Lebensgrundlagen flöten gehen.“

Damit spielt er – wie mehrere Red­ne­r*in­nen – auf die erfolgreichen Proteste von Fridays for Future am Vortag an. Auch Schneider mahnt, ökosozial zu denken – was die Linke, wie selbst interne Kri­ti­ke­r*in­nen meinen, erst mühsam lernen muss. Auch der Parteitag am Samstag sei ein Beispiel dafür: Über einen Großteil der eingereichten Anträge zu diesem Thema würde nicht debattiert, kritisieren Redner*innen.

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7 Kommentare

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  • Ob es besonders klug ist, einen der gerade ausgetreten ist, eine Bühne zu geben sei dahingestellt.



    Wagenknecht hat immerhin eine Meinung, die sich von der Waffenbegeisterung der Ampel unterscheidet. Aber das soll für eine Linke ja nicht schwer sein, sollte man meinen.

  • Wenn Ulrich Schneider davon Spricht, dass 'Deutschland zerbrechen' würde, muss man ihn schon fragen, welches Deutschland er meint. Das sich jetzt deindustrialisierende wohl eher nicht, denn das bleibt ja mit den Menschen, deren Jobs schon seit langem immer mehr billigeren Automaten und Robotern weichen mussten, das muss sich jetzt von unten und solidarisch neu aufstellen, wenn die Renditejäger sich davon machen und nicht nur soziale Trümmer hinterlassen. Das eingebildete Deutschland die angebliche Weltmacht und das Vorbild nicht nur in Europa scheitert eh' schon an den überall präsentierten Stinkefingern bis in die EU, die unsere Aussenministerin so gerne zusammenhalten würde zum Nutzen ihrer Nation. Es wäre schon schön, wenn es Menschen gäbe, die Bilanz ziehen, wieweit uns dieser Kapitalismus, der gerade Fahnenflucht betreibt, in diese dramatische Lage gebracht hat und lernen, kleinere Brötchen zu backen und dabei alle mitzunehmen beim solidarischen Verteilen der Überbleibsel. Hungern und Frieren müsste niemand, wenn wir uns zusammenschließen. Tafel für Alle und notfalls vorübergehend Wärmestuben, bis wir uns von unten neu sortiert haben.

  • Bestürzend: keine Rede mehr vom Volksentscheid für die Vergesellschaftung der Wohnkonzerne: 59% der Berliner:innen stimmten für "Deutsche Wohnen & Co enteignen". Die Linkspartei nahm sich dieses Themas besonders an und drängte auf Beteiligung in der Hinhalte-Kommission. - Und nun kommt das auf dem Parteitag noch nicht einmal vor. Stattdessen Sprüche gegen Sahra Wagenknecht, weil sie das 2. Thema ansprach, das allen auf den Nägeln brennt.



    Weil das die Realos feiern, leiden sie unter Realitätsverlust: Was hat die Linkspartei in dem Jahr seit der letzten Wahl in Berlin bewegt? Seitdem schon wieder 2% verloren (Wahlumfrage), sie liegt noch knapp vor der AfD - in der Stadt Berlin!

  • Die Linke ist ein Auslaufmodell, das niemand braucht. Sie löst sich gerade sebst auf und das ist gut so.

    • @Münchner:

      Die aktuellen Wahlumfragen sagen was völlig anderes aus.

    • @Münchner:

      Eine harte Aussage, dessen Begründung leider fehlt!

  • In der SPD hatte man einen! Sarrazin. Im Berliner Landesverband der Linkspartei hat man gleich eine ganze Palette an "rechtspopulistischen Positionen" und Putin Fans. Das man diese "unter Kontrolle" hat ist eher beängstigend. Ich hätte eher erwartet, dass es nahezu keine gibt.