Landeseigene kaufen Wohnungen: Shopping ohne Anprobe
Die Berliner Wohnungsbaugesellschaften haben dem Ankauf von 14.500 Wohnungen zugestimmt. Kritik gibt es nicht nur an der laxen Prüfung des Zustands.
Mit etwa 8.000 Wohnungen übernimmt die Howoge den größten Anteil, gefolgt von der Berlinovo mit 4.000 und der Degewo mit 2.000 Wohnungen. Die drei Gesellschaften sollen den Kauf in Höhe von 2,3 Milliarden Euro über Kredite selbst stemmen, der Landeshaushalt soll nach Angaben von Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) nicht belastet werden. Im Schnitt werden etwa 2.300 Euro pro Quadratmeter fällig.
Die meisten Wohnungen liegen in Großsiedlungen in Spandau, Neukölln, Reinickendorf, Friedrichshain-Kreuzberg und Steglitz-Zehlendorf. Die Landeseigenen stocken ihren Anteil von bislang etwa 340.000 Wohnungen damit um einen Schlag in einer Größenordnung auf, wie zusammengenommen in den vergangenen fünf Jahren angekauft wurden.
Mit der Berlinovo gehört eine Gesellschaft zu den Ankäufern, die bislang vor allem Immobilien aus einem Fonds der früheren Bankgesellschaft verwaltet und nicht der mietendämpfenden Kooperationsvereinbarung des Senats mit den anderen Wohnungsbaugesellschaften unterliegt. Gleichwohl sollen deren Bedingungen für alle neu angekauften Wohnungen gelten.
Kritik an SPD-Alleingang
Die SPD, die insbesondere durch Finanzsenator Kollatz und Bürgermeister Michael Müller den Kauf vorangetrieben hatte, hofft damit, dem Enteignungsvolksbegehren Wind aus den Segeln zu nehmen. Von Linken und Grünen, die einem Ankauf von Wohnungen grundsätzlich positiv gegenüberstehen, kam entsprechend Kritik, ebenso von Vertreter*innen der Opposition. Angezweifelt wird etwa, dass der Zustand aller Wohnungen eingehend geprüft wurde – zu kurz war der Zeitraum seit der erstmaligen Verkündigung einer Übernahme Ende Mai.
Die Fraktionschefin der Grünen, Antje Kapek, äußerte gegenüber dem RBB die Befürchtung, dass der Kaufpreis für die überwiegend sanierungsbedürftigen Wohnungen zu hoch sei; zudem sei eine ordentliche gutachterliche Überprüfung ausgeblieben. „Ich hab vor Monaten gesagt, wir dürfen nicht die Katze im Sack kaufen. Leider ist es für uns immer noch eine Katze“, so Kapek.
Auf Missfallen stößt bei Parlamentarier*innen zudem, dass sie in den Prozess nicht eingebunden wurden. Erst vergangenen Dienstag durften sie in einen wenig umfangreichen Prüfungsbericht, der noch nicht einmal die genauen Adressen enthielt, Einsicht nehmen. Ein Beschluss des Parlaments wird umgangen, da der Landeshaushalt nicht direkt betroffen ist. Gleichwohl wird befürchtet, dass die Gesellschaften durch den Ankauf in finanzielle Schieflage geraten könnten und auf weitere Zuschüsse aus der Landeskasse angewiesen sein werden.
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