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Labour-AbspaltungFalsche Antwort auf richtige Frage

Dominic Johnson
Kommentar von Dominic Johnson

Eine linke Labour-Politikerin versuchte die Abspaltung von Keir Starmer. Bei ihrem Unternehmen blieb Zarah Sultani überraschenderweise allein.

Noch nicht einmal ihren linken Weggenossen Corbyn konnte die Labour-Abtrünnige Sultani für sich gewinnen Foto: Belinda Jiao/reuters

E s war nur eine Frage der Zeit, bis jemand den Aufstand wagt. Großbritanniens Linke wollen nicht nur eine andere Politik als die aktuelle Labour-Regierung. Sie haben auch einen persönlichen Groll auf Premierminister Keir Starmer, der seine Karriere dem linken Parteichef Jeremy Corbyn verdankt und sich 2020 im Wettlauf um seine Nachfolge zu dessen Idealen bekannte – und seitdem fast alles abgeräumt hat, womit sich Linke identifizieren. Das Land dankt es ihm, aber für die eigene Linke ist Starmer ein treuloser Verräter.

Von daher ist die Ankündigung einer neuen linken Partei durch die 2024 für Labour ins Parlament gewählte Abgeordnete Zarah Sultani keineswegs überraschend. Wie spektakulär das sofort in die Hose ging, ist allerdings schon verwunderlich. Die junge Sultani schaffte es nicht, auch nur einen einzigen bekannten linken Labour-Dissidenten – an erster Stelle Jeremy Corbyn selbst – hinter sich zu scharen, obwohl die Parteigründung als kollektives Projekt eigentlich schon weit fortgeschritten war.

Statt Aufbruch herrscht jetzt offener Streit und Starmer kann sich freuen über diesen unerwarteten Beweis eines alten Vorurteils – nämlich, dass nur eine Sache unfähiger ist als eine rechte Labour-Regierung, nämlich eine linke Labour-Regierung. Doch die linke Herausforderung für Starmer bleibt. Bei den Wahlen 2024 verlor Labour nicht nur an die Rechtspopulisten unerwartet viele Stimmen, sondern auch an Grüne, an Gaza-Solidaritätskandidaten in muslimisch geprägten Wahlkreisen sowie an Nichtwähler.

In absoluten Zahlen holte Labour bei Starmers großem Sieg 2024 weniger Stimmen als bei Corbyns großer Niederlage 2019. Die Altlinken um Corbyn und auch Sultani sind sicherlich die Falschen, um daraus heute Kapital zu schlagen. Aber sollte irgendwann jemand die Menschen davon überzeugen, dass es nicht nur eine rechte Alternative für Großbritannien gibt wie Nigel Farage, sondern auch eine linke, dann würden interessante Zeiten anbrechen.

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Dominic Johnson
Ressortleiter Ausland
Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.
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