Kunsttipps der Woche: Noch einmal mit Gefühl
Britta Thie porträtiert Kameraequipment und verleiht ihm Wesen, Wu Tsang trägt ein kraftvolles „Anthem“ über die Liebe von New York nach Berlin.
E s liegt freilich auch am Licht, das Britta Thie in ihren Bildern einfängt. Dessen Nuancen – in einer fahlen Nacht, als kühles Neon, seine Reflexion auf nassem Teer – unterstreichen noch die Stimmung, die von ihren Sujets ausgeht. Geduldig, stumm, einsam stehen sie herum, bis sie wieder gebraucht werden: Kamerawagen, Scheinwerfer, Akkuladegeräte, Technikequipment unter Regenschutz. Britta Thie begegnete ihnen beim Dreh einer Fernsehserie in Budapest, als sie selbst, als Schauspielerin gebucht, am Rande des Sets auf ihre nächste Szene wartete. Sie fotografierte die Geräte zunächst, malte sie dann im Anschluss ganz klassisch mit Öl auf Leinwand.
Thies Bilder als Stillleben zu beschreiben käme ihnen nicht gerecht. Vielmehr ähneln Gemälde wie „High-Five“ (2021) Porträts, solchen, die man in Auftrag gibt, solchen aus einer Ahnengalerie vielleicht. Es sind Bilder, die versuchen, die Persönlichkeit der Abgebildeten einzufangen, die Wesenhaftigkeit, zwar nicht von Menschen, aber von Maschinen im Dienste von Menschen.
Thie wurde eigentlich mit Videokunst bekannt, mit der Serie „Grip“, die zunächst im Nassauischen Kunstverein Wiesbaden zu sehen war (aufgrund des Lockdowns jedoch nur ganz kurz gezeigt wurde) und jetzt im Projektraum Fragile auf der Leipziger Straße, ist sie zur Malerei zurückgekehrt, erstmals seit ihrem Studium. Mit hineingespielt hat da die spezielle Situation der vergangenen anderthalb Jahre, in der das Filmen nicht mehr so leicht möglich war, einige Künstler*innen jedoch offenbar Muße fanden, sich anderen Medien zuzuwenden, einem anderen Tempo auch.
Fast wie ein Kommentar, nicht zuletzt auch auf ihre eigenen Arbeiten, lassen sich die Porträts lesen. Letztlich geht es eben doch um Vergänglichkeit. Sie setzen zu der rasenden digitalen Bilderflut, die in Thies Kunst immer schon Echo fand, einen Kontrapunkt. Ebenso spiegelt sich in den Bildern die immer schnellere, immer aufwendigere TV-Serienmaschinerie, die pausenlos weiterläuft, um dem nimmersatten Streamingpublikum Nachschub zu liefern – Nachschub, der ein paar Produktionen später wahrscheinlich längst wieder vergessen ist.
Der taz plan erscheint auf taz.de/tazplan und immer Mittwochs und Freitags in der Printausgabe der taz.
Fragile, bis 31. Oktober, Sa.+So 12–18 Uhr, Leipziger Str. 63
Galerie Isabella Bortolozzi, bis 30. Oktober, Di.–Sa. 12–18 Uhr, Schöneberger Ufer 61
Copeland voller Liebe
Von der Unterhaltungsindustrie erzählt auch Wu Tsangs Ausstellung „Lovesong“, die aktuell bei Isabella Bortolozzi zu sehen und zu hören ist. Die Multikanal-Sound- und Video-Installation mit skulpturalen Elementen „Anthem“ umkreist den US-amerikanischen Jazz-Sänger, Komponisten und Transgenderaktivisten Beverly-Glenn Copeland.
Ursprünglich war „Anthem“ für die Rotunde des New Yorker Guggenheim Museums konzipiert worden. Für die Version in der Galerie musste sie an deren Räumlichkeiten angepasst werden. Platz für den riesigen Vorhang, auf den im Guggenheim der von der Liebe singende Copeland projiziert wurde, war da nicht, doch auch in der kleineren Form entfaltet die Stimme ihre Wirkung, ihre Wärme, ihre Kraft. Unterstützt wird diese Stimme dabei unter anderem von der Musikerin Kelsey Lu. Künstler*innen zusammenzubringen ist ja seit geraumer Zeit wichtiger Teil von Wu Tsangs Arbeiten, wunderbar ergänzt sich das in diesem Fall.
Und um die Frage, wer sich wie ergänzt, geht es ohnehin. Noch berührender ist es, vorher oder nachher einen Raum weiter auf einer zweiten Videoarbeit Copeland und seine Partnerin Elizabeth über die Liebe sprechen zu hören, ihnen zuzusehen, wie sie beide in elegantem Blau Hand in Hand dasitzen und über die Herausforderungen und Ängste sprechen, die mit der Verbindung zweier Menschen einhergehen, und über all das Schöne, das geschehen kann, wenn man bereit ist, sich diesen zu stellen.
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