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Ausstellungsempfehlungen für BerlinWer braucht schon Köpfe?

Galli lässt bei Brunand Brunand die Monster raus. Christian Falsnaes lädt zum Festmahl. Und der Amtsalon kehrt wieder zurück.

Installationsansicht, Galli, Absage ans Paradies, brunand brunand, Berlin, 2021/22 Foto: the artist & brunand brunand, courtesy of brunand brunand & Galli, Ph: Marjorie Brunet Plaza

N ein, sie mochte es nicht in Italien, nicht in Florenz. Eingezwängt fühlte sich die Künstlerin Galli in den schmalen Gassen, die „unheimlich martialischen Renaissancebauten“, die „abgelutschte Agfacolor-Ästhetik“, gefielen ihr einfach nicht. In der Realität, konstatiert sie, seien die italienischen Städte unerträglich.

Man kann das nachlesen in Auszügen eines Interviews aus dem Jahr 1991, das die Galerie brunand brunand, die gerade eine Einzelausstellung der Berliner Malerin ausrichtet, auf die Rückseite ihres Pressetextes gedruckt hat. „Absage ans Paradies“, der Titel der Ausstellung, bezieht sich darauf, es ist eine Absage an das vermeintliche Paradies im Land des dolce vita.

Galli, die mit bürgerlichem Namen Anna-Gabriele Müller heißt und 1944 im Saarland geboren ist, wurde mit ihrer Malerei in der Zeit bekannt, als die sogenannten „Neuen Wilden“ angesagt waren, eine Gruppe zumeist männlicher Künstler, die mit unbekümmerter, eben wilder, expressiver, figurativer Malerei auf sich aufmerksam machten.

So ganz passte sie da nie hinein, hintersinniger war ihre Kunst stets, zeitkritischer, feministischer. Lange Zeit war es still um sie, wiederentdeckt wurde Galli unter anderem bei der vergangenen Berlin Biennale.

1990 war sie als Stipendiatin der Villa Romana in Florenz. Aus dieser Zeit stammt der größte Teil der großformatigen Gemälde und der Zeichnungen in der neuen Ausstellung. Eine ebenfalls gezeigte Gruppe kleiner Karteikartenzeichnungen entstand kurz davor, 1989. Irre toll sind allein die schon, die kleinen mit dem Kugelschreiber bekritzelten Papierbögen. In jeder dieser Zeichnungen könnte man sich verlieren, in der Art und Weise, wie Galli den täglichen Horror, das Banale, das Abwegige, das große Ganze magisch verwandelt.

Die Ausstellungen

Brunand Brunand, bis 8. Januar, Do.–Sa. 14–19 Uhr, Eisenbahnstr. 4, brunandbrunand.com

PSM, bis 18. Dezember, Di.–Sa. 11–18 Uhr, Schöneberger Ufer 61, www.psm-gallery.com

Amtsalon, 1. bis 5. Dezember, tgl. 12–20 Uhr, Kantstr. 79, www.amtsalon.com

In ihrer Malerei begegnen sie einem dann noch plastischer, die von ihr geschaffenen Monster, Organismen, Leiber mit so sehr ins Extreme vergrößerten Armen und Beinen, dass für Köpfe offenbar kein Raum mehr war. Aber wer braucht schon Köpfe bei diesen Körpern? Und wer braucht schon Italien, wenn man sich im nasskalten Berlin solche Kunst anschauen kann?

Zu verdanken ist das Daniela Brunand und Christian Falsnaes, die erst im Frühjahr 2021 brunand brunand gegründet haben. Falsnaes wiederum ist aktuell auch selbst in einer Einzelausstellung zu sehen. „Feast“ heißt die Schau bei PSM, die das zehnjährige Jubiläum der Zusammenarbeit des Künstlers mit der Galerie markiert.

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Kurz bevor diese eröffnet wurde, veranstaltete Falsnaes in den Räumlichkeiten eine Dinner-Performance, lud zu einem Abendessen ein, aus dem sich schließlich etwas anderes entwickelte. Ein Happening nämlich, dessen Überreste sich nun in der Galerie mit dem Video überlagern, das davon gedreht wurde. Falsnaes ist darin zu sehen, wie er fast nackt in Pseudorockstarpose Spiegel zertrümmert, die Dinnergäste, wie sie nach Aufforderung des Gastgebers Wände und Böden mit färbenden Lebensmitteln beschmieren.

Manche gehen darin auf, andere eher weniger, wirken zumindest etwas unentspannt. Menschen in soziale Ausnahmesituationen zu bringen, sie herauszufordern und die Dynamiken in einer mehr oder weniger zusammengewürfelten Gruppe zu erproben, darum geht es bei Falsnaes immer. Die neue Performance als Ganzes kann auch als eine Art Medley gelesen werden, der Künstler zitiert sich darin ungeniert selbst, sie ist Rückblick und Aktualisierung zugleich.

Beim kommenden Amtsalon haben PSM einen anderen Künstler im Gepäck; die Galerie plant eine Einzelpräsentation von Daniel Lergon. Am 1. Dezember eröffnet die zweite Ausgabe der Berliner Salonmesse unter Beteiligung von insgesamt 21 Berliner Galerien – darunter Carlier Gebauer, Kraupa Tuskany Zeidler und Sprüth Magers – und strengen Hygienemaßnahmen (es gilt 2G+, Zeitfenster müssen vorab gebucht werden).

Im Juni hatte das Format in den verwinkelten Räumlichkeiten des ehemaligen Charlottenburger Amtsgerichts Premiere gefeiert und war damals sowohl bei den ausstellenden Galerien als auch beim Publikum gut angekommen: Der besondere, sorgsam sanierte Ort in Zusammenspiel mit der Kunst, die Atmosphäre, die kollegiale Stimmung – und auch die vergleichsweise niedrigen Teilnahmekosten für Galerien – machten die Pop-up-Messe attraktiv für alle Beteiligten.

Fast schon Enthusiasmus war damals zu verspüren. Dass es nun eine Fortsetzung geben wird – im Juni stand das noch in den Sternen – ist eine sehr gute Nachricht für den Berliner Kunstmarkt. Und auch für alle, die gerade auf der Suche nach Weihnachtsgeschenken sind.

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Beate Scheder
Kulturredakteurin
Redakteurin für Berlinkultur, freie Kulturjournalistin und Autorin. Kunstkolumnistin beim taz Plan.
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