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Kunsthändlerin der ModerneSie schreckte vor nichts zurück

Im Berlin der Weimarer Republik war sie die wichtigste Kunsthändlerin. Eine Ausstellung in der Liebermann-Villa erinnert an Grete Ring.

Blick in die Ausstellung in der Liebermann-Villa am Wannsee Foto: Thomas Lingens

In den 1920er Jahren sorgte ein Fälschungsskandal in der Kunstwelt für Aufsehen. Falsche Van Goghs waren von einem Otto Wacker in Umlauf gebracht worden. Maßgeblich beteiligt an deren Enttarnung war die Berliner Kunsthändlerin Grete Ring. Auf den ersten Blick hatte sie die unechten erkannt: Als „hilf- und gnadenlos wie Baumwollflicken auf einem Brokatgewand“ im Vergleich zu Originalen des Malers beschrieb sie diese. Die Bilder waren damals für eine Van-Gogh-Ausstellung im Kunstsalon Cassirer vorgesehen gewesen, wo Ring als Kunsthändlerin arbeitete.

Erfahren kann man über diese Episode aus dem Leben Rings momentan in der ihr gewidmeten Sonderausstellung „Grete Ring. Kunsthändlerin der Moderne“ in der Liebermann-Villa am Wannsee. Grete Ring, geboren 1887 in Berlin, verstorben 1952 in Zürich, war in vielerlei Hinsicht außergewöhnlich.

Sie war eine der ersten Frauen, die in Kunstgeschichte promovierten, und zu ihrer Zeit in Berlin die einzige Frau, die sich im Kunsthandel behauptete, was auch international kaum eine andere ähnlich erfolgreich tat. Die Fotografin Marianne Breslauer-Feilchenfeldt charakterisierte sie einmal als „wirklich unwiderstehlich […] von allen bewundert, wenn auch gelegentlich ein wenig gefürchtet, denn sie schreckte vor niemandem und nichts zurück“.

Ab Anfang der 1920er Jahre arbeitete Ring für den Kunstsalon Cassirer, handelte dort mit Kunst, organisierte Ausstellungen, schrieb Texte, war ab 1924 dort gemeinsam mit Walter Feilchenfeldt Partner*in. Nach Paul Cassirers Freitod übernahmen die beiden den Kunstsalon, betrieben ihn weiter, solange das noch möglich war.

Grete Ring mit ihrem Pudel im britischen Exil um 1942 Foto: Privatbesitz

Eine Nichte Liebermanns war Grete Ring auch. Thematisiert wird diese Verwandtschaft in der Ausstellung jedoch nur am Rande. Genug Interessantes gibt es schließlich über sie selbst zu erzählen. Auf dem begrenzten Raum in der Liebermann-Villa zeichnen die Kuratorinnen Lucy Wasensteiner und Viktoria Bernadette Krieger ein vielschichtiges Bild von der Person, der Kunsthändlerin und der Sammlerin.

Alleinstehend, unabhängig, selbstbewusst

Bekanntschaft macht man dort mit einer modernen Frau, alleinstehend, unabhängig, selbstbewusst und bestens vernetzt in der Kunstwelt. Man sieht sie, wie sie mit ihrem Königspudel posiert, Bilder von ihrem herrlichen Sommerhaus in Sacrow, erbaut von Walter Büning, ausgestattet mit geradlinigen Einbaumöbeln und einer Tischgruppe von Mies van der Rohe.

Die Ausstellung

„Grete Ring. Kunsthändlerin der Moderne“. Liebermann-Villa, bis 22. Januar 2024

Auszüge aus ihrer bemerkenswerten Sammlung sind ebenfalls zu sehen – sie befinden sich seit Rings Tod im Besitz des Ashmolean Museum in Oxford. Werke großer Namen wie Caspar David Friedrich, Edgar Dégas, Auguste Renoir, Paul Cézanne, Adolph von Menzel. Grete Ring sammelte Papierarbeiten, Zeichnungen, die sie bei ihrer späteren Flucht aus Nazideutschland im Koffer mitnehmen konnte. Ring war Jüdin, 1938 verließ sie Deutschland, zog nach England und eröffnete in London die britische Dependance „Paul Cassirer Ltd.“. 1949 erschien dort auch ihre einzige Monografie, „A Century of French Painting“ über französische Malerei zwischen 1400 und 1500, noch heute ein Standardwerk.

Kaum zu glauben ist, wie wenig bekannt Grete Ring trotz all dem ist. Ändern wird das die Ausstellung nun hoffentlich. Eine Förderung des Hauptstadt Kulturfonds ermöglichte viele Leihgaben, sogar ein kleiner Film entstand, für den die Orte aufgesucht wurden, in denen Ring sich während ihres Exils in England aufhielt, Bilder von heute, ergänzt mit Auszügen aus Rings Korrespondenzen. Ein lesenswerter Katalog zur Ausstellung ist ebenfalls erhältlich.

Im ersten Raum der Ausstellung hängt ein Porträt Grete Rings, eine Aquarellzeichnung Oskar Kokoschkas aus dem Jahr 1923. Mit klarem Blick schaut die Kunsthändlerin darauf den Be­trach­te­r*in­nen entgegen. Wie eine Aufforderung kann man ihn lesen. Man sollte es sich ansehen, das Bild und die Ausstellung.

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