Kulturstaatsminister Wolfram Weimer: Im tiefen Tal der Hufeisentheorie
In einem Gastbeitrag für die „Süddeutsche Zeitung“ macht der neue Kulturstaatsminister Weimer eine fragwürdige Verteidigung der Kunstoffenheit.

Was aber ist, wenn zwei Seiten beide für sich die Freiheit des Wortes beanspruchen? Dann wird es schwieriger. Es stellen sich Fragen. Gibt es ein berechtigtes Anliegen, oder wird ein Triggerpunkt bewirtschaftet, um Aufmerksamkeit zu generieren?
Wird jemand mit Zensur oder Schlimmerem bedroht, oder wird ihm nur ein Sendeplatz bestritten? Welche Debatten stehen im Hintergrund? Wird ein reaktionärer, sexistischer oder rassistischer Mainstream verteidigt, oder ist ein emanzipativer Anspruch erkennbar? Kurz: Ohne eine Betrachtung des jeweiligen Einzelfalls wird man nicht auskommen.
Von Trump über Rowling bis zu Karl May
Wie macht es aber unser Kulturstaatsminister Wolfram Weimer? Er schmeißt alles in einen Topf. In einem Gastbeitrag für die SZ bringt er die jüngsten Angriffe Donald Trumps auf Harvard, das Aussortieren Tausender Bücher wegen angeblicher Pornografie in den US-Bibliotheken, ja sogar die blutige Unterordnung der Künste in China und Russland zusammen mit der Kritik hierzulande an den Kabarettisten Dieter Nuhr, der Autorin J. K. Rowling sowie unkritischer Ausgaben von Karl May. Über das Ungleichgewicht der jeweiligen Machtverhältnisse kein Gedanke.
Links und rechts rücken bei Weimer sowieso zusammen, Hufeisentheorie, klar. Wie wenig sie zur Klärung der Sachlage beiträgt, zeigt sich in Weimers Text: Sensivity Reading und rechtsradikaler Kulturkampf, moralische Bedenken und tatsächliche Verfolgung von Intellektuellen – sollte man da nicht differenzieren?
Weimer kolportiert lieber eine seiner Lieblingsthesen, dass nur die bürgerliche Mitte Bedeutungsoffenheit und Vielfalt der Kunst verteidigt. Aber wann ist etwas „Shitstorm“ und wann „Mitte“? Letzteres nur dann, wenn es Weimer in den Kram passt? Dass er hier selbst als Kulturkämpfer auftritt, scheint er gar nicht zu bemerken.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Asylrechtsverschärfungen
Mit Anlauf gegen die Wand
Patt bei der Justizministerkonferenz
Keine Mehrheit für die Herkunfts-Analyse von Tatortspuren
Nahostpolitik unter Merz
Die Wischiwaschi-Israelpolitik der Ampel setzt sich fort
Ermittlungen im Fall Lorenz A.
Ohne Warnschuss erschossen
Bundeswehr an Schulen
Der Druck auf die Jugend wächst
Merz im Oval Office
Morgen kann in Trumps Welt alles anders sein