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Kulturstaatsminister Wolfram WeimerIm tiefen Tal der Hufeisentheorie

In einem Gastbeitrag für die „Süddeutsche Zeitung“ macht der neue Kulturstaatsminister Weimer eine fragwürdige Verteidigung der Kunstoffenheit.

Wolfram Weimers Ansichten sind von der Kunstfreiheit gedeckt, ob er dies jedoch auch bei anderen so sieht bleibt offen Foto: Michael Kappeler/dpa

Berlin taz | Die Freiheit der Kunst und des Wortes verteidigen: gute Sache, eines Kulturstaatsministers würdig. Wie macht man das? Wenn die Kunst pauschal angegriffen wird, von Diktatoren gar, verteidigt man sie auch pauschal, das ist ja klar. Doch es ist auch der einfachste Fall.

Was aber ist, wenn zwei Seiten beide für sich die Freiheit des Wortes beanspruchen? Dann wird es schwieriger. Es stellen sich Fragen. Gibt es ein berechtigtes Anliegen, oder wird ein Triggerpunkt bewirtschaftet, um Aufmerksamkeit zu generieren?

Wird jemand mit Zensur oder Schlimmerem bedroht, oder wird ihm nur ein Sendeplatz bestritten? Welche Debatten stehen im Hintergrund? Wird ein reaktionärer, sexistischer oder rassistischer Mainstream verteidigt, oder ist ein emanzipativer Anspruch erkennbar? Kurz: Ohne eine Betrachtung des jeweiligen Einzelfalls wird man nicht auskommen.

Von Trump über Rowling bis zu Karl May

Wie macht es aber unser Kulturstaatsminister Wolfram Weimer? Er schmeißt alles in einen Topf. In einem Gastbeitrag für die SZ bringt er die jüngsten Angriffe Donald Trumps auf Harvard, das Aussortieren Tausender Bücher wegen angeblicher Pornografie in den US-Bibliotheken, ja sogar die blutige Unterordnung der Künste in China und Russland zusammen mit der Kritik hierzulande an den Kabarettisten Dieter Nuhr, der Autorin J. K. Rowling sowie unkritischer Ausgaben von Karl May. Über das Ungleichgewicht der jeweiligen Machtverhältnisse kein Gedanke.

Links und rechts rücken bei Weimer sowieso zusammen, Hufeisentheorie, klar. Wie wenig sie zur Klärung der Sachlage beiträgt, zeigt sich in Weimers Text: Sensivity Reading und rechtsradikaler Kulturkampf, moralische Bedenken und tatsächliche Verfolgung von Intellektuellen – sollte man da nicht differenzieren?

Weimer kolportiert lieber eine seiner Lieblingsthesen, dass nur die bürgerliche Mitte Bedeutungsoffenheit und Vielfalt der Kunst verteidigt. Aber wann ist etwas „Shitstorm“ und wann „Mitte“? Letzteres nur dann, wenn es Weimer in den Kram passt? Dass er hier selbst als Kulturkämpfer auftritt, scheint er gar nicht zu bemerken.

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19 Kommentare

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  • Im Kern hat Weimer trotzdem Recht. Wenn eine Lehrerin in Florida entlassen wird, weil sie Schülern den nackten David von Michelangelo zeigt, heulen wir ob der amerikanischen Bigotterie auf. Wenn eine Gleichstellungsbeauftragte dafür sorgt, daß im BADV in Berlin eine Bronze-Venus entfernt wird scheint das in Ordnung zu sein.



    Alles, was die Freiheit der Kunst, unabhängig davon was sie darstellt oder ausdrückt, zur Disposition stellt, ist im Grunde totalitär bis faschistisch. Mir ist es dann egal, von welcher Seite und aus welchen Beweggründen das kommt und ob das dann "Hufeisentheorie" genannt wird.

    • @Josef 123:

      ⭕️ - oder das unendliche Möbiusband -

      Aufsatzthema im Abi der Ratzeburger Gelehrtenschule -



      “Der Greis und seine Bedeutung in der Gesellschaft“



      Liggers. Einstmals - als Flüchtlinge aus dem befreiten Osten einschließlich ideomatischer Sachsen noch Deutschlehrer in Trizonien werden konnten! Newahr



      Normal

      unterm—-



      Das unendliche Möbiusband ist ein faszinierendes mathematisches Objekt, das als eine einseitige Fläche ohne Rand bezeichnet wird. Es wird durch die Verdrillung eines Papierstreifens und das Verbinden der Enden erzeugt und zeichnet sich dadurch aus, dass es nur eine Oberfläche besitzt.“



      ps über die bekannte Quadratur des ⭕️ - wa!



      Ein andermal! Gellewelle&Wollnichtwoll



      servíce - 🙀🎃🧐 -

  • Wenn jemand aus der Springer-Welt Kulturstaatsminister wird...



    Demnächst dann Höcke als Ausländerbeauftragter?

  • Vielen Dank für diesen Beitrag. Der Mann soll sich lieber um die Förderung der Kunst kümmern als darüber zu polemisieren.

  • Man sagt ja schon von Friedrich, er sei in den 90ern stecken geblieben. Doch Weimer ist wohl schon in den 80ern stecken geblieben, woher die beiden gut zusammen passen.



    Nicht ganz volljährig wird Weimer Eric Arthur Blair's (George Orwell) 1984, im gleichnamigen Jahr verfilmt mit Richard Burton, gesehen haben und kommt seit dem nicht von dem Gedanken los, dass man Kultur diktieren muss.

    Anders ist sein Auftreten, auch schon weit vor seiner Ernennung, kaum zu erklären. Er betreibt keinen offenen Diskurs sondern versucht seine Ansicht, zu welchem kulturellen Ereignis auch immer, seinem Gegenüber (auch den Zuschauern am Bildschirm) zu oktroyieren.

    Er war die denkbar schlechteste Wahl für das Amt eines Staatsministers für Kultur und Medien.

    • @Bernhard Dresbach:

      Da ich mich gut an die 80er und 90er erinnere, kann ich Ihnen sagen, dass die Kunst sich da freier und fantasievoller angefühlt hat. Von Musik über Mode und bildender Kunst. Soviel Verve würde ich gerne wieder sehen, und nicht die meinungsgleichgeschaltete dröge Wiederholung die man heute mit ansehen muss.

  • Wenn die Hufeisentheorie eine rechte Fantasie ist, dann erkläre mir einer, warum BSW und "Linke" die gleiche Außenpolitik machen wie die Nazis von AfD und NPD.

  • “Kulturstaatsminister Wolfram Weimer



    Im tiefen Tal der Hufeisentheorie“

    Tja - "Wat mal‘n Swiintroch wardn shall!



    Ward siin Leevtach keen Vigelin!“

    Nich tonn uuthollen un rein tonn katolsch warrn

  • Da Kultur in Deutschland schon seit Jahren politisiert wird, ist es schon schwer dazu überhaupt etwas zu sagen. Mit der Hufeisentheorie ist es wie mit dem Dunning Kruger Effekt. Viel zitiert, aber nicht verstanden. Holt man aber trotzdem immer dann aus der Schublade wenn man seinen Standpunkt unterstreichen möchte. Was rechts, links, mitte, oben, unten, vorne, hinten gemeinsam haben? Es fehlen resilienz, selbstreflexion und kulturelle Offenheit und es geht ausschließlich um deutungshoheit. Für Kunst und Kultur wird der Spielraum immer weiter eingeengt.

  • Der angebliche "Kulturkampf" ist ein Phantom. Die ihn beschwören - wie der Autor - , wollen damit nur brandmarken, das andere nicht ihrer Meinung sind. Weimer hat der Freiheit der Kultur ds Wort gerdedet; daraus machen Knipphals & Co. einen Angriff auf die Kultur.

    Ich bin zutiefst wütend und traurig zugleich, dass Herr Knipphals nicht meiner Meinung ist. So sieht Kulturkampf aus.

  • Diese Weimer "Thesen" in der Süddeutschen erfahren viel Kritik, zu recht. Ich stimme dem taz Kommentar zu. Auch wenn er hinter den präzieseren Bewertungen im @Altpapier und bei Bert Hoppe auf x zurückbleibt.



    Mit seiner Wortwahl outet sich der Kulturstaatsminister Weimer als Partei in dem von ihm kritisierten Kulturkampf, und zwar als eine von rechts.



    Wenn Watzlawicks These "Man kann nicht nicht kommunizieren" stimmt, ist es unmöglich, sich in diesem Kulturkampf zu äußern und zugleich eine "neutrale" Position für sich zu behaupten.



    Das sollte der oberste Kulturbeauftragte der BRD eigentlich wissen.

    • @Dieter Söngen:

      Nach Watzlawick wäre es auch unmöglich, sich nicht zu äußern, ohne dass das nich auch Kommunikation wäre.



      So wie ich Watzlawick verstehe, schließt das eine neutrale rein deskriptiv-analytische Position nicht aus.

    • @Dieter Söngen:

      Mit Watzlawick am End - vom Weimer



      Sei Geseier un Gejammer!

      “Bi Jov - behaltens doch ehran blöden 🔨!“

  • „Dass er hier selbst als Kulturkämpfer auftritt, scheint er gar nicht zu bemerken.“

    Wieso sollte er das nicht merken. Er hat sich doch als genau solcher beworben. Der Mann hat ein Pamphlet namens „das konservazive Manifest“ verfasst, in dem er offen seine Hufeisenfixierung zur schau trägt, sich gleichzeitig autoritär und libertär gibt und mit Blut und Boden Argumenten daherkommt, während er den Antisemitismus der Linken (die im Gegensatz zu den Konservativen die Nazis bekämpft haben) und den Muslimen in die Schuhe schiebt und den (zumindest historisch) deutlich einflussreicheren Antisemitismus der Mitte leugnet.

    Der Mann wurde genau deswegen ausgewählt. Es soll den deutschen die (nunmal tendenziell eher progressive) Kultur austreiben. Wenn wir dann wieder unter röhrenden Hirschen Heino hören, hat er sein Ziel erreicht.

    • @Henne Solo:

      Es gab durchaus Konservative im Widerstand gegen Hitler.



      Und bitte nicht immer Kritik an Israel - an Netanjahu - mit Antisemitismus gleichsetzen.

    • @Henne Solo:

      Wenn der Aufruf zur Achtung der Kunstfreiheit von rechts und links schon als Blut und Bodenpolitik tituliert wird und Heino und der röhrende Hirsch als Argument aus der Mottenkiste kommt, hat Herr Weimer wohl das richtige gesagt.



      Auch wenn sie mutwillig die Antisemitismusfalle aufstellen, der man offensichtlich qua Geburt nicht entkommen kann, spricht das Bände.

      In der Opferrethorik hätten sie auch beliebig Rassismus, Querfeindlichkeit, Ableismus oder sonstwas einsetzen können. Pauschale undifferenzierte Schuldzuweisungen begründen aber keine Kulturfreiheit, sondern zerstören sie.

    • @Henne Solo:

      Der Mann ist die personifizierte Ausgrenzung, die kulturelle Antithese zur Integration. Wer so viel Angst hat, kann nicht wirklich klar denken und sollte keine Politik für andere Menschen machen ...

    • @Henne Solo:

      Haben Sie Belege, die Ihren Vorwurf, Herr Weimer würde den "Antisemitismus der Mitte" leugnen?

      Es ist ohnehin ein bizarres Bild, das immer wieder gezeichnet wird. Es wird immer wieder unterstellt, nur weil endlich linker und muslimischer Antisemitismus auch thematisiert wird, würde so getan, als gäbe es keinen anderen Antisemitismus. Nur hat das nie ein ernst zu nehmender Mensch behauptet. Zumindest ist mir niemand bekannt, vielleicht kann da ja jemand weiterhelfen.

    • @Henne Solo:

      Schonn. Doch.

      Doch das eigene Auge sieht gern alles -



      Er dazu auch Dallas - indolent als sich selbst!