Kulturpolitik unter Rot-Rot-Grün: Retten, schützen und bewahren

Unter Klaus Lederer (Linke) ist mehr Geld geflossen denn je, damit Kreative von ihrer Arbeit leben können. Manchmal ging es aber auch zu gemütlich zu.

Das Theate Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz in Berlin-Mitte

Sollte nicht zur Marke degradiert werden: Die Volksbühne in Berlin Foto: Jürgen Ritter/imago

BERLIN taz | Er war noch nicht einmal offiziell im Amt, als er bereits für Schlagzeilen sorgte, indem er die ohnehin angefeindete Personalie Chris Dercon in der Volksbühne infrage stellte. Das Haus, so sprach der heute 47-jährige Kultursenator Klaus Lederer (Linke) vielen aus der Seele, sollte nicht von einem Museumsmacher mit dem Auftreten eines Marketingexperten zur Marke degradiert werden.

Es sollte lieber das Refugium für die Träumer in dieser Stadt bleiben, zu der es Frank Castorf seit der Wende gemacht hatte. In gewisser Weise geriet Lederer, der lange Zeit der beliebteste Politiker der Stadt war und bei der kommenden Wahl Regierender Bürgermeister werden will, schon damals in ein Spannungsfeld, in dem er bis heute unterwegs ist.

Einerseits hat Klaus Lederer in den letzten fünf Jahren wie kaum ein Kulturpolitiker vor ihm in dieser Stadt Politik auf Augenhöhe mit ihren Bewohner*innen, ihren Künst­le­r*in­nen und Institutionen verhandelt. Darin wirkte er ziemlich zeitgemäß. Zudem hat er, um diesen Be­woh­ne­r*in­nen zu gefallen, viele kulturelle Großdampfer dieser Stadt gelassen, wie sie sind.

Lederer hat auch versucht, die Stadt als kulturelles Zentrum für kulturelle Vielfalt, für flächendeckende Kulturangebote für alle und für Alternativen und Nischen zu schützen. Damit wirkte er andererseits manchmal überraschend konservativ.

Schnelle Coronahilfen

Tatsächlich konnte Lederer auch dank eines von 464 Millionen Euro im Jahr 2016 auf 609 Millionen Euro 2021 gewachsenen Kulturhaushaltes viel bewirken. Bis zum Ausbruch der Pandemie nahm er viel Geld in die Hand, um zumindest dort so­zia­le Mindeststandards zu erreichen und nach Tarif zu bezahlen, wo das Land fördert.

Er hat die Festanstellungsquote in den Musik- und Kunstschulen erhöht, viel für die kulturelle Bildung, die Bibliotheken, die Kinder- und Jugendtheater getan. Zahlreichen Berliner Kreativen, Kulturinstitutionen und Projekten, die prekär unterwegs sind, ging es zunächst einmal deutlich besser. Und als die Pandemie am 11. März 2020 die Lichter in den Thea­tern, Museen, Kinos und Konzert­sälen ausknipste, kümmerte Lederer sich zuerst um die Soloselbstständigen.

Seine Verwaltung legte Programme auf, die schnell und unbürokratisch sehr viele Kreative erreichte: Ein großer Kontrast zur Politik des Bundes, der die Künst­le­r*in­nen eher auf Hartz IV verwies.

Gleichzeitig drehte sich vieles in der Kulturpolitik der letzten Jahre darum, bezahlbaren Raum zu erhalten und neu zu schaffen: Da sind zum einen die Kulturimmobilien, für die Lederer gekämpft hat: das Radialsystem, das Atelierhaus in der Prenzlauer Promenade, das Theater O. N., die Alte Münze, die Wiesenburg.

Neue Ateliers

Selbst mit den 2.000 neuen Arbeitsräumen, die laut Koalitionsvertrag bis 2021 in Berlin entstehen sollten, könnte es schlechter stehen: 1.750 wurden angemietet. Das ist zwar immer noch ein Tropfen auf den heißen Stein, findet beispielsweise der berufsverband bildender künst­le­r*in­nen berlin (bbk), der 2.000 Ateliers zusätzlich gefordert und 273 bekommen hat. Aber immerhin.


Und was ist mit der Politik auf Augenhöhe? Hier fällt die Bilanz gemischt aus. „Es müsste mal eine Draufsicht geben“, fasst Wibke Behrens zusammen, Geschäftsführerin des Bildungswerks des bbk und Sprecherin der AG Alte Münze der Koalition der Freien Szene. Andere In­itia­to­r*in­nen von Projekten wie der Wiesenburg oder dem Haus der Statistik haben ihre eigenen Erfahrungen gemacht. Die der Alten Münze hatten sich vom Partizipationsprozess mehr erhofft. „Die Charta des Prozesses im Sommer 2019 wurde zwar parlamentarisch beschlossen“, so Behrens, „aber danach lief es nicht gut weiter.“ Vor allem sei die Informationspolitik zum Stand der Entwicklung zu intransparent.

Bleibt eigentlich nur noch eine Frage: die nach den großen Kulturdampfern. Im Fall der Volksbühne lief es so: Nach dem Debakel mit Dercon kam es zur Katastrophe mit dessen zwischenzeitlichem Nachfolger Klaus Dörr, der nach Sexismusvorwürfen gehen musste. Nun kehrt René Pollesch zurück, ein Held der Ära Castorf – und damit auch vieler Volksbühnenfans. Es könnte dort also wieder gemütlich werden.

R2Gut? Kurz vor der Wahl stellt sich die Frage: War Rot-Rot-Grün eine erfolgreiche Koalition? Die taz Berlin hat sich in einem Schwerpunkt angeschaut, was Rot-Rot-Grün erreicht hat – und was verbockt.

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