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Kultur und LärmschutzDraußen wird es immer lauter

Open-Air-Kultur gewinnt in der Pandemie an Bedeutung – und macht Krach. Im Holzmarkt wurde über am Mittwoch Lärmschutz in der Großstadt diskutiert.

Gut, dass da keiner mehr wohnt: Freiluftkino am Schloss Charlottenburg, Sommer 2021 Foto: dpa

Das Grauen hat einen Namen: tieffrequente Geräusche, auch bekannt als Brummtöne. Kaum akustisch wahrnehmbar, sorgen sie für Herzrasen, Bluthochdruck oder dafür, dass im Küchenregal die Tassen scheppern. Tieffrequenter Schall kann kilometerweit getragen werden und kriecht von überall heran, von Industrieanlagen etwa oder Windrädern. Und von Partys. Weit entfernt von diesen nehmen Anwohner keine Musik mehr wahr, sondern nur noch ein dumpfes, permanentes Bumbum. Und drehen durch.

Wie also umgehen mit tieffreqenten Geräuschen? Das war die Hauptfrage auf der eintägigen Konferenz „Klang.Raum.Stadt“ über Lärmkonflikte im Spannungsfeld kultureller Veranstaltungen, die am Mittwoch auf dem Gelände des Holzmarkt 25 stattfand. Geladen war ein Fachpublikum aus Politikern, Vertretern von Verwaltungsämtern und Kulturveranstaltern.

Eine der Erkenntnisse: Die Brisanz des Problems mit tieffrequenten Geräuschen wird im zunehmend verdichteten urbanen Raum massiv zunehmen. Die Studienlage ist trotzdem dünn, immer noch ist nicht hundertprozentig klar, was tieffrequenter Schall genau auslösen kann und wie mit ihm umzugehen ist. Verkehrslärm sei ausgiebig untersucht, sagte André Fiebig, Professor für Psychoakustik an der TU Berlin. Bei tieffrequentem Schall dagegen gebe es noch ordentlichen Forschungsbedarf.

Es ist wohl kein Zufall, dass die Konferenz jetzt stattfand: Der Frühling steht vor der Tür, Kultursenator Klaus Lederer hat einen „Kultursommer“ versprochen, und auch die „Draußenstadt“ soll es wieder geben, buntes und vielfältiges Kulturleben im öffentlichen Raum. Draußen ist wegen Corona schließlich immer noch besser als drinnen.

Ringen um Lärmschutzauflagen

Das Ringen zwischen Kulturveranstaltern und Umweltämtern wird also wieder beginnen, gerungen wird vor allem um Lärmschutzauflagen. Die Hoffnung ist, dass es in diesem Sommer besser laufen wird als im letzten, wo viele Berliner Ämter sich gerade mal dazu überreden ließen, trostlose Parkplätze für Partys oder sonstige Kulturevents zur Verfügung zu stellen. Veranstalter Ran Huber sagte der taz, der Lärmschutz in den meisten Berliner Bezirken sei „total restriktiv“ gehandhabt worden.

Lärmschutz sei eben der neue Brandschutz, hieß es an einer Stelle der Konferenz dann auch. Und Brandschutz ist bekanntlich etwas, mit dem sich nicht nur der BER jahrelang herumschlug. Er gehöre reformiert, da waren sich sämtliche Fachleute auf der Konferenz vom Juristen bis zum Professor für Audiokommunikation einig, um der Stadt von heute mit ihrer soziokulturellen Durchmischung gerecht zu werden.

Ein Stadtteilfest in Charlottenburg etwa müsse um 20 Uhr beendet werden, hieß es auf dem Podium. Wegen des Lärmschutzes. Ist das angemessen für eine Großstadt? Und selbst eine Open-Air-Spielstätte, die keine Nachbarn belästige, dürfe pro Jahr nur eine begrenzte Anzahl von Events organisieren. Auch das sei ein Beispiel für zu viel Bürokratie beim Lärmschutz. Der Holzmarkt 25 selbst, der Ort der Veranstaltung, hat übrigens ebenfalls schon so seine Erfahrungen mit dem Thema gemacht. Ein ambitioniertes Bauvorhaben, das gleich hier ums Eck geplant war, wurde vom Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg gestoppt. Begründung, natürlich: Probleme mit dem Lärmschutz.

Menschen reagieren immer empfindlicher auf Lärm, der gleichzeitig immer mehr zunimmt

Das Thema ist also vielschichtig und komplex. Menschen reagieren immer empfindlicher auf Lärm, der gleichzeitig immer mehr zunimmt. Die Bezirke wollen Kunst und Kultur, aber möglichst ohne Folgen für die Anwohner. Eine durch Corona und jetzt auch noch durch einen Krieg gereizte Gesellschaft muss irgendwie zusammenkommen und sich gegenseitig Toleranz erweisen, was immer unmöglicher zu sein scheint. Bekommen Anwohner auch nur zu hören, dass es in der Umgebung eine Open-Air-Veranstaltung geben werde, fühlten sie sich schon belästigt, führte André Fiebig von der TU aus. Sie würden an Alkoholkonsum und Verschmutzungen denken, auch wenn sie von den Events akustisch gar nichts mitbekämen. Konfliktlösung könne nur darin bestehen, mit den Nachbarn zu reden und „eine Kultur der Rücksichtnahme“ zu entwickeln.

Torsten Wöhlert, Berlins Staatssektretär für Kultur, stellte am Ende der Konferenz dann die große Frage, die sicherlich zu dieser gegenseitigen Rücksichtnahme beitragen könnte, wenn sie jeder und jede mit etwas gutem Willen für sich beantworten würde. Sie lautet: „Was ist Lärm? Und was ist ein Geräusch, an das wir uns gewöhnen könnten?“

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2 Kommentare

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  • Man kann in Berlin gleich neben einem Platz leben, auf dem sich von Februar bis November nahezu jeden Abend Jugendliche zum Saufen und lautem Musikhören treffen, und die Polizei - die von diversen Anwohnern immer wieder gerufen wird - wird nicht einmal den Versuch unternehmen, die normalen Streifen regelmäßig vorbeizuschicken, also sich selbst Arbeit (und den Anwohnern den Lärm) zu ersparen. So viel zum "restriktivem" Vorgehen in Berlin...

  • was für ne schlechte und einseitige berichterstattung. ich bin negativ überrascht. die hürden, mit eienr beschwerde über lärm gehör zu finden, sind so hoch, dass praktisch nur privilegierte menschen es schaffen, ihr gesetzliches recht auf gesunde wohnverhältnisse durchzusetzen und auch nur, wenn sie ein jahr geduld haben.



    in einer eng bebauten stadt gibt es nicht besonders viele orte, die sich eignen, nachts draussen disco-laut zu feiern. es gilt im rahmen einer kulturellen daseinsvorsorge die geeigneten standorte zu sichern und dem zugriff renditefixierter investor-unternehmen zu entziehen bzw diesen in die verantwortung zu nehmen. denn es gibt für indoor-lärm technische lösungen. die sind aber aufwändiger, als sich mit einem wackeligen 5jahres-gewerbemietvertrag sorglos einspielen lässt. ich beobachte berufsbedingt seit langem, dass die immobilienbesitzenden ihre mietenden gewerbebetrieben allein lassen.