Kubanischer Journalist über Unabhängigkeit: „Alles ist geheim“

In Kuba gibt es eine eigens für die Überwachung von Journalisten zuständige Polizeiabteilung, berichtet Augusto César San Martín Albistur.

verblasstes Wandgemälde mit der kubanischen Fahne und Che Guevara, davor geht ein Mann vor dem verfallenen Haus

Verblassender Che Guevara in Havanna Foto: Chris Cheadle/imago

taz Panter Stiftung: Seit den 90er Jahren arbeiten Sie in Kuba als Journalist. Seitdem haben Sie Probleme mit der Regierung. Sie haben sogar schon mehrere Jahre im Gefängnis gesessen. Warum?

Augusto César San Martín Albistur: Die Gründe, die unsere Führung nennt, sind immer die Gleichen: Du bist ein Spion der USA, du hast Staatsgeheimnisse verraten oder du hast die Stabilität gefährdet. Ich habe für Cuba Free Press und andere Zeitungen und Webseiten gearbeitet. Immer bin ich überwacht worden. Derzeit berichte ich für Cubanet.org. Es hat seinen Sitz in Miami.

ist ein unabhängiger Multimedia-Journalist aus Kuba. Er arbeitet unter anderem für Diario de Cuba, Primavera digital und cubanet.org. 2021 war er Auszeit-Stipendiat von Reporter ohne Grenzen und der taz Panter Stiftung in Berlin, derzeit lebt er in den USA. Foto: Anja Weber

Es hat sich nichts geändert?

Als Fidel Castro noch lebte, wurden viele Journalisten gleichzeitig bestraft. Unter seinem Bruder Raúl ging es toleranter zu. Der Grund: Raúl Castro und US-Präsident Barack Obama kamen sich näher. Nun hat sich Raúl Castro verabschiedet und der neue Präsident

Der 3. Mai wurde 1993 von der UN-Vollversammlung zum Welttag der Pressefreiheit erklärt. Die taz panter stiftung hat aus diesem Anlass gemeinsam mit Reporter ohne Grenzen eine Beilage für die taz erstellt. Wir blicken auf die Lage der Presse in Russland und Kuba, in Frankreich und Myanmar, in Afghanistan, im Irak und in der Türkei. Aber wir schauen auch auf den Journalismus in Deutschland in Zeiten von Crowdfunding und Fake News. Und wir fragen Günter Wallraff, warum er sich für den Wikileaks-Gründer Julian Assange einsetzt.

Alle Texte erscheinen online unter taz.de/pressefreiheit

… Miguel Díaz-Canel …

die Leute kennen ihn nicht. Sie wissen nichts mit ihm anzufangen. Die Menschen werden ungeduldig. Seit 63 Jahren hören sie Versprechungen, dass alles besser wird. Aber nichts passiert. Er selbst sieht in den Journalisten ein großes Problem. Er pickt sich Einzelne heraus und setzt sie unter Druck.

Womit genau haben Sie die Führung geärgert?

Kuba hat einen eigenen Impfstoff gegen das Coronavirus entwickelt: Abdala. Ich werfe der Regierung vor, die Menschen schon geimpft zu haben, als noch gar nicht sicher war, ob das Medikament wirkt. Die Bevölkerung wurde Teil eines Experiments. Die Polizei hat mir prompt mit Gefängnis gedroht.

Gab es andere Probleme?

Wir haben über das Vermögen von KP-Funktionären geschrieben. Ich war schon in Berlin, aber meine Frau wurde einbestellt. Sie haben sogar mit meiner Schwiegermutter gesprochen. Sie versuchen, uns alle psychisch unter Druck zu setzen. Alle wissen: Die Regierung kann dein Leben und das deiner Familie zerstören … Die Regierung hat nun eine Polizeiabteilung, die nur für uns Journalisten zuständig ist. Sie lassen gerne Berichterstatter in einem geschlossenen Auto stundenlang in der Sonne stehen. Die vergangenen fünf Jahre waren sehr schwierig für die KollegInnen und mich.

Wurden Sie wieder eingesperrt?

Immer nur kurz. Aber sie beschlagnahmten meine Kameras, Mikrofone, den Computer. Wenn man sie zurückverlangt, schicken sie einen fort. Leute haben sogar meine Frau vor unserer Haustür bedrängt. Die Polizei aber legte den Fall zu den Akten, obwohl es Videoaufnahmen von einem Täter gab.

2019 wurde Kubas Verfassung geändert, viele Menschen verbanden damit Hoffnung auf Besserung …

Die neue Verfassung bedeutet gar nichts. Die Justiz ist nicht unabhängig, sie soll ausschließlich der Revolution dienen. Wer nicht als „Revolutionär“ eingestuft ist, hat keine Rechte.

Wie kommen Sie denn an Informationen, haben Sie überhaupt Kontakte?

Das ist überaus schwierig. Alles ist geheim, selbst wie man Kaffee kocht. (lacht) Der Vorteil: Die Menschen trauen den offiziellen Journalisten nicht, also versorgen sie uns mit Informationen oder rücken zurecht, was die Staatspresse sagt. Das geschieht selbstverständlich anonym. Sogar in Berlin wollten die Exilkubaner mir nicht ihre Namen sagen, als ich etwas über Medikamententransporte nach Kuba erfahren wollte.

Gibt es Hoffnung, dass sich unter US-Präsident Joe Biden die Beziehungen zu den USA verbessern und sich so die Lage auch im Innern Kubas lockert?

Ich bin pessimistisch für die nächsten fünf Jahre. Das Problem ist doch das politische System. Im Jahr 2018 gab es Proteste auf den Straßen. Die Regierung sah die CIA hinter den Demonstrationen. Seither ist diese Bewegung tot, viele Menschen sitzen im Gefängnis.

Wie war für Sie die Auszeit in Berlin?

Zuerst wollte ich sofort wieder zurück, die ersten Tage bin ich gar nicht vor die Tür gegangen. Es war alles so ungewohnt. Dann interviewte ich einen Kubaner, und eine Polizeisirene ertönte. Plötzlich merkte ich: Du musst keine Angst vor ihnen haben. Interviewen wir in Kuba jemanden auf der Straße, brauchen wir stets einen Aufpasser, der vor der Polizei warnt. Muss ich wieder mal aufs Revier, nehme ich immer meine Zahnbürste mit – falls es länger dauert.

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