Urteil mit Symbolcharakter: Lange Haft für Aktivisten in Kuba
Zwei aktivistische kubanische Künstler werden hinter „geschlossenen Türen“ verurteilt. Das ist exemplarisch für den Umgang mit Dissident:innen.
Berlin taz | Langjährige Haftstrafen gegen zwei prominente Aktivisten der kubanischen Zivilgesellschaft und eine neue Welle von Hausbesuchen der politischen Polizei deuten darauf hin, dass es in Kuba repressiv weitergehen wird.
21 Tage lautet die Frist zwischen Prozess und Urteilsverkündung, die in Kuba vorgegeben ist. Sie wurde eingehalten. Doch das ist auch der einzige Punkt der kubanischen Prozessordnung, der von den Verantwortlichen, respektiert wurde. „Es war ein weiterer willkürlicher Prozess. So wie viele nach den Protesten vom 11. Juli 2021. Nur waren die beiden Angeklagten, Maykel „Osorbo“ Castillo und Luis Manuel Otero Alcántara, auch international bekannt“, meint Anamely Ramos.
Die 37-jährige Kunsthistorikerin ist Mitglied des „Movimiento San Isidro“, der Künstler:innenorganisation, die seit dem Sommer 2018 gegen die Regulierung der Kunst und die Kriminalisierung von Künstler:innen protestiert. Genauso wie der Rapper Castillo und der Performancekünstler und Maler Alcántara, die Anfang Juni in Havannas Stadtteil Marianao vor Gericht standen.
Internationale Presse war nicht zugelassen, Vertreter:innen mehrerer Botschaften, darunter der deutschen, wurden abgewiesen. „Aus einem öffentlichen Prozess wurde einer hinter verschlossenen Türen. Das Urteil ist ein Signal an alle Menschen auf der Insel: Hier bestimmen wir. Wir werden nicht erlauben, dass ihr Rechte einfordert, die wir euch nicht gewähren werden“, erklärt Ramos mit fester Stimme.
Amnesty International erklärt die beiden zu „Gewissensgefangenen“
Fünf Jahre Haft lautet das Urteil der Richter für Alcántara, neun für Castillo. Beiden wurde die „Störung der öffentlichen Ordnung“ sowie deren „Missachtung“ vorgeworfen. Hinzu kommen im Fall von Alcántara die „Schändung patriotischer Symbole“, weil er die kubanische Flagge für Kunstprojekte nutze.
Castillo wurde zusätzlich die „Diffamierung staatlicher Autoritäten und Institutionen“ vorgeworfen, weil er mehrere kritische Posts in den sozialen Netzwerken veröffentlicht hatte.
Anklagen, welche – so die aus den USA heraus arbeitende juristische Beratungsorganisation Cubalex – dem Artikel 19 der UN-Menschenrechtscharta widersprechen, und die in der kubanischen Verfassung fixierte Meinungsfreiheit ad absurdum führen.
Die Nichtregierungsorganisation Amnesty International hat die beiden inhaftierten Kunstaktivisten zu „Gewissensgefangenen“ erklärt und das Urteil kritisiert: „Dies sind zwei emblematische Beispiele wie Miguel Díaz-Canel’s Regierung das Justizsystem nutzt, um kritische Stimmen zu kriminalisieren“, meint Amerika-Direktorin Erika Guevara Rosas.
„Gefängnis oder Exil lauten die beiden Optionen“
Die kubanische Regierung scheint das nicht zu beeindrucken. Derzeit läuft eine neue Welle der Einschüchterung von Journalist:innen und Aktivist:innen auf der Insel.
Im Mai wurde das Strafgesetzbuch novelliert, darin fixiert sind hohe Haftstrafen – nicht nur für die Annahme von Geld aus dem Ausland, sondern auch für Berichterstattung und „subversives“ zivilgesellschaftliches Engagement. Aktivist:innen werden vermehrt mit Hinweis darauf von der politischen Polizei aufgesucht und eingeschüchtert.
„Gefängnis oder Exil lauten die beiden Optionen“, so Ramos. Ihr ist im Februar die Einreise nach Kuba verweigert worden. Sie wurde erst gar nicht an Bord des Flugzeugs von American Airlines gelassen.
Dagegen klagt sie. Derzeit lebt sie ohne gültige Dokumente im US-amerikanischen New York und engagiert sich für Aktivist:innen auf der Insel. Ramos will kein Asyl in den USA beantragen – der kubanischen Regierung möchte sie nicht den Gefallen tun, ihre Staatsbürgerschaft aufzugeben.