Kritik an Wohnungspolitik der Regierung: Mietenpolitik der Ampel? Deckel drauf!
In Berlin trifft sich der zusammengeschrumpfte Wohngipfel der Bundesregierung. Draußen fordert ein breites Bündnis bezahlbare Mieten und einen bundesweiten Mietendeckel.
Aufgerufen zum Protest hat ein breites Bündnis aus 50 Mietinitiativen und zivilgesellschaftlichen Organisationen unter dem Titel „Offensiv für Wohnraum“. Nicht nur in Berlin, sondern in über 30 Städten sind Mieten-Proteste geplant. Und wer sich fragt, was es mit den Topfdeckeln auf sich hat – dem liefert Lara Eckstein, Sprecherin des Bündnisses, die Antwort: „Wir fordern einen bundesweiten Mietendeckel.“
Anlass für den Protest ist ein zusammengeschrumpfter Wohngipfel der Bundesregierung. Ursprünglich sollte dieser in Hamburg mit Bundeskanzler Olaf Scholz stattfinden, wurde mit dem Chaos der gescheiterten Ampelregierung aber abgesagt. Stattdessen trifft nun Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) im Institut für Bautechnik Vertreter*innen des „Bündnisses bezahlbares Wohnen“. Dem Bündnis gehören mehr als 30 Akteure aus Politik, Bau- und Immobilienbranche sowie aus der Zivilgesellschaft an. Bahnbrechende Ergebnisse werden nicht erwartet, es soll vor allem Bilanz gezogen werden.
Für Jasmina Rühl von der Berliner Nachbarschaftsinitiative PrinzEbers war die Bundespolitik der letzten Jahre „ein Totalausfall“. Das Mietrecht werde ausgehöhlt „und gegen uns gerichtet“. Rühl berichtet aus dem Kiez, viele kämpften um den Verbleib im Viertel, hätten Angst, die Wohnung zu verlieren, müssten „Horrorheizrechnungen“ bezahlen, die Mieten stiegen „in den Himmel.“ Auch sie findet: Es braucht einen Deckel.
Keine neue Idee. Das Land Berlin war vor Jahren mal vorangeschritten und hatte einen auf Landesebene eingeführt. Dieser wurde aber vom Bundesverfassungsgericht gekippt, mit der Begründung, das Mietrecht liege in der Kompetenz des Bundes.
Sebastian Bartels, Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, erinnert aber auch daran, dass man auch eine „Öffnungsklausel für Bundesländer“ schaffen könnte. Und er fordert die Mietpreisbremse, die Ende 2025 ausläuft, zu verlängern. Um das zu tun, müssen sich SPD und Grüne Mehrheiten im Parlament suchen.
Caren Lay, wohnungspolitische Sprecherin der Linkengruppe im Bundestag, beklagt auf der Kundgebung „Mieten auf Höchststand und Sozialwohnungen auf historischem Tiefststand“.
Die Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP hat in puncto Wohnungspolitik wenig geliefert: Die Strategie, Mietenpolitik zu vernachlässigen und allein auf Neubau zu setzen, ist gescheitert. Die Mieten steigen weiter, auf die pro Jahr versprochenen 400.000 Wohnungen, davon 100.000 bezahlbar, warten die Menschen im Land vergeblich.
Immerhin: Die neue Wohngemeinnützigkeit, die Steuervorteile für die verspricht, die dauerhaft bezahlbaren Wohnraum schaffen, wurde kürzlich in einer Schmalspurvariante eingeführt. Das von Klara Geywitz geführte Bauministerium betont zudem gern, dass die Fördermittel für den sozialen Wohnungsbau auf Rekordhöhe sind. Bis 2028 wird den Ländern eine Rekordsumme von 21,65 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. Nur reicht das bislang nicht, um den Negativtrend aufzuhalten. Es fallen immer noch mehr Sozialwohnungen aus ihrer Bindung als neue entstehen.
Das Bundesbauministerium selbst stellt sich selbst dennoch kein schlechtes Zeugnis aus. Aus Ministeriumskreisen heißt es: Seit 2021 wurden jährlich deutschlandweit knapp 300.000 Wohnungen fertig gebaut. Das sei noch nicht genug, aber: Die Lage am Bau sei stabil geblieben – trotz der denkbar schwierigen Rahmenbedingungen. Dort ist man überzeugt: Viele der getroffenen strategischen Maßnahmen werden „ihre volle Wirkung mittel- und langfristig entfalten“.
Die mittelfristige Perspektive hilft aber Menschen, die akut unter Wohnungsnot leiden, wenig weiter. Sabine Bösing, Geschäftsführerin der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe, warnte an diesem Tag vor dem kommenden Winter: „Für Menschen, die ohne Schutz auf der Straße leben, ist die Kälte eine lebensbedrohliche Gefahr.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Deutungskampf nach Magdeburg
„Es wird versucht, das komplett zu leugnen“
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Gedenken an den Magdeburger Anschlag
Trauer und Anspannung
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Aktionismus nach Magdeburg-Terror
Besser erst mal nachdenken