Kritik an „Pick-up“-Seminar in Berlin: Indiskutables Angebot
Berlins Regierung kritisiert das geplante Seminar zu „Dating“-Techniken. Auch in München gibt es Widerstand gegen ein Angebot.
BERLIN taz | Persönlich hat Klaus Wowereit noch nicht auf das Schreiben der Frauenrechtsorganisation Terre des Femmes geantwortet. Doch soviel lässt der Regierende Bürgermeister von Berlin mitteilen: Der Senat lehnt das für das kommende Wochenende geplante Seminar des amerikanischen Unternehmens Real Social Dynamics (RSD) ab. „Gewalt ist in jeder Form völlig indiskutabel“, sagte ein Sprecher.
Terre des Femmes hat Wowereit in einem Schreiben aufgefordert, gegen die Veranstaltung in Berlin rechtlich vorzugehen. In dem auch Bootcamp genannten Seminar soll Männern von sogenannten Pick-up-Artists, von Profiaufreißern, beigebracht werden, wie sie Frauen leicht rumkriegen – auf mitunter äußerst brutale Weise. Da werden Frauen gewürgt, bis sie sich „ergeben“. Anderen wird der Kopf gewaltsam in den männlichen Schoß gedrückt.
Gegen das Seminar regt sich seit Tagen Protest. Bislang weiß aber niemand, wo und wann genau die amerikanischen Pick-up-Artists auftreten. Irgendwo in einem Hotel in der Nähe des Berliner Alexanderplatzes, heißt es auf Facebook. Das Marriott, ein großes Tagungshotel, sei es nicht, sagte Birte Rohles von Terre des Femmes. Die Expertin gegen häusliche und sexualisierte Gewalt habe dort angerufen und nachgefragt, sagte sie zur taz. Demnach liege dem Hotel keine Buchung vor.
Unklar ist auch, wie viele Männer zum Seminar in Berlin kommen. Erst nach Anmeldung im Internet und Bezahlung erfahren die Teilnehmer die genaue Adresse des Veranstaltungsortes. Ein mehrtägiges Seminar kostet bis zu 3.000 US-Dollar.
Einreiseverbot für Veranstalter?
Auch in München plant RSD, das eigenen Angaben zufolge rund 150.000 Mitglieder hat, im Dezember offensichtlich eine Tagung. Die Stadtratsfraktion Grün-Rosa-Liste sieht in den Aufreißer-Methoden „Erniedrigung, Gewalt und Misshandlung von Frauen“. Sie haben Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) aufgefordert, alles gegen das Seminar zu tun. „Das ist ein Politikum“, sagte Lydia Dietrich, grüne Stadträtin und Chefin der Stadtratskommission zur Gleichstellung von Frauen.
„Es ist unfassbar, was da angeboten wird“, sagt Dietrich zur taz: „Und unfassbar, dass da Männer hingehen. Was geht in deren Köpfen vor?“ Unterdessen hat das Kreisverwaltungsreferat (KVR) in München, die Sicherheits- und Ordnungsbehörde, angekündigt, gegen das Seminar vorzugehen. OB Reiter sagte dem Münchner Merkur, er werde das KVR bitten, alle Schritte zu prüfen, um die Veranstaltung zu verbieten.
Die Aktivistinnen, die in Berlin gegen die Pick-upper vorgehen, denken über eine Onlinepetition nach. Die Grüne Jugend Berlin fordert, ein Einreiseverbot für die amerikanischen Veranstalter zu prüfen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
Berliner Kultur von Kürzungen bedroht
Was wird aus Berlin, wenn der kulturelle Humus vertrocknet?
Argentiniens Präsident Javier Milei
Schnell zum Italiener gemacht
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?