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Kritik an Pelosis Taiwan-BesuchKuschen ist auch keine Lösung

Fabian Kretschmer
Kommentar von Fabian Kretschmer

Der Besuch der US-Politikerin Nancy Pelosi Besuch in Taiwan war mehr als nur Show. Denn Schweigen gegenüber China führt auch nicht weiter.

Mehr als Politshow: Nancy Pelosi und die taiwanesische Präsidentin Tsai Ing-wen verneigen sich

N ancy Pelosis Taiwan-Besuch hat in den vergangenen Tagen sehr viel Kritik auf sich gezogen. Einige Vorwürfe haben sich bereits bewahrheitet: Während die US-Demokratin längst ­wieder daheim ist, bekommen die 23 Millionen Taiwaner den Zorn der chinesischen Vergeltungsmaßnahmen gerade erst zu spüren.

Doch würde man eine Umfrage durchführen, begrüßten wohl die meisten von ihnen den Besuch aus Washington. Und dafür gibt es gute Gründe: ­Pelosi hat den demokratischen Inselstaat weltweit ins Zentrum der ­Medienöffentlichkeit gerückt – und damit ­Bewusstsein für einen Konflikt geschaffen, der in den Köpfen vieler nicht sonderlich präsent ist. Genau jene ­Öffentlichkeit ist die Voraussetzung dafür, dass die internationale Staatengemeinschaft im Ernstfall einer chinesischen Invasion nicht gleichgültig zuschauen würde.

Und überhaupt ist das Argument, Pelosi habe die chinesische Seite zur stärksten Militärprovokation seit Jahrzehnten gedrängt, bei näherer Betrachtung nicht überzeugend. Denn zum einen hätte es sehr wohl im Ermessen Xi Jinpings gelegen, moderater zu reagieren.

Zum anderen bringt Schweigen und Kuschen ebenso wenig: Südkoreas Präsident Yoon Suk Yeol, der während seines Wahlkampfes noch mit besonders Peking-kritischen Ansagen auffiel, ließ sich während Pelosis Besuch in Seoul entschuldigen – offensichtlich, um das Reizthema China zu umschiffen. Gebracht hat es freilich wenig: Am nächsten Tag starteten Chinas Truppen ebenfalls Militärübungen im Gelben Meer, direkt zwischen der chinesischen und koreanischen Küste.

Wenn Peking der US-Regierung vorwirft, am diplomatischen Status ­Taiwans zu rütteln, ist natürlich immer auch Teil der Wahrheit: China droht von allen Playern in diesem Konflikt ganz offen mit der radikalsten Veränderung des Status Quos und kommt mit jeder Erhöhung des eigenen Militäretats seinem Ziel einen Schritt näher. Wie ­Pelosi mit einer offensiven Strategie dagegenzuhalten, ist daher weit mehr als bloße Politshow.

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Fabian Kretschmer
Korrespondent in Südkorea
Seit 2024 Korrespondent für die koreanische Halbinsel und China mit Sitz in Seoul. Berichtete zuvor fünf Jahre lang von Peking aus. Seit 2014 als freier Journalist in Ostasien tätig. 2015 folgte die erste Buchveröffentlichung "So etwas wie Glück" (erschienen im Rowohlt Verlag), das die Fluchtgeschichte der Nordkoreanerin Choi Yeong Ok nacherzählt. Betreibt nebenbei den Podcast "Beijing Briefing". Geboren in Berlin, Studium in Wien, Shanghai und Seoul.
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11 Kommentare

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  • Ich frage mich, ob Pelosi eingeladen war, oder ob sie sich - gegen den Willen des US-Präsidenten - eher selbst eingeladen hat. Und nun hat Taiwan mit den Konsequenzen zu leben. Wo bliebe da die Selbstbestimmung, die immer so betont wird?

    • @resto:

      Selbstverständlcih ist sie eingeladen gewesen oder zumindest willkommen. Taiwan sitzt nicht wie das Kaninchen vor der Schlange, sondern dürstet nach genau solchen symbolischen Respektsbekundungen. Im Gegenteil fühlt es sich äußerst unwohl und alleingelassen ohne internationalen Fokus darauf, dass sein großer beleidigter Nachbar nur auf den richtigen Moment wartet, um es sich einzuverleiben. Die nun folgenden Tiraden aua Peking werden dafür gern in Kauf genommen.

      Und es gibt noch andere Faktoren. Taiwan mag - nach eigener Definition - nicht Tei der Volksrepublik sein. Aber es ist ein chinesischer Staat mit chinesischer Kultur. In deren Kontext kostet das ständige Umschiffen ihres Unabhängigkeitsanspruchs die Taiwaner Gesicht und schwächt ihn implizit. Solche Besuche umgekehrt GEBEN Gesicht. Gesicht ist vielleicht sogar ein möglicher Faktor, der China vom Angriff abhält: Je mehr Taiwan davon hat, desto mehr davon verliert China, wenn es diese Ehre nicht achtet und trotzdem angreift.

  • Wenn man Thomas Friedman von der New York Times glauben darf, dann ist der Grund warum China bisher Russland nicht in Sachen Ukraine unterstützt ein Telefonat Bidens mit Xi Jiping.

    Kurz danach reiste Pelosi dann nach Taiwan, und fährt so ihrem Staatsoberhaupt in die Parade.

    Dümmer kann man es kaum noch anstellen...

  • Der Westen hat China schon zu viele rote Linien überschreiten lassen, dass es nicht nachvollziehbar wäre, warum er es ausgerechnet jetzt im Fall einer chinesischen Invasion Taiwans auf eine militärische Konfrontation ankommen lassen will ... aber offensichtlich besteht vor allem seitens der USA diesmal eine große Entschlossenheit, entsprechend zu handeln.



    Es liegt nahe zu vermuten, dass die neue Entschlossenheit, China in der Taiwan-Frage robuster als bisher entgegenzutreten, mehr mit den zunehmenden gesellschaftlich-innenpolitischen Destabilisierung und dem ökonomischen Niedergang der USA zu tun haben als mit demokratischen Prinzipien, die im Pazifik zu verteidigen gilt (diese sind den USA ansonsten ja auch völlig Wümme). Global betrachtet ist es doch offensichtlich, dass China den USA als führende Supermacht den Rang ablaufen wird ... und paradoxerweise spielt den Chinesen die Schwächung Russlands im Ukraine-Krieg - sowie die enormen finanziellen Anstrengungen der USA, die Ukraine militärisch zu unterstützen (was die gesellschaftlich-soziale Krise in den Staaten noch verschärfen wird) - noch zusätzlich in die Hände.



    Taiwan ist also ein denkbar schlechtes Exempel, Chinas ökonomischen Expansionismus noch etwas entgegenzusetzen ... um Chinas globalen Einfluss zu bremsen, ist es im Grunde schon zu spät.



    Menschenrechtsfragen spielen im Konflikt mit China übrigens keine Rolle, nur geostrategische Interessen ... sonst hätte der "Wertewesten" schon im Falle Hongkongs, der Uighuren und Tibeter anders intervenieren müssen als er es getan hat

  • Möglicherweise fehlt Xi nur noch der passende Anlass, um Taiwan, gemäß seiner öffentlich verkündeten Absicht, einzukassieren. Die „Spannungen“ durch den Pelosi-Besuch, von denen er spricht, sind bei nüchterner Betrachtung eher erfunden. Denn dabei wurde keineswegs ein Überfall Taiwans auf Festland-China besprochen.



    Xi seinerseits heizt diese „Spannungen“ noch kräftig an, statt sie abzubauen. Aber am schlimmsten ist das von ihm verkündete Ende der Gesprächsrunden, insbesondere zu militärischen Themen, die einen Kriegsbeginn durch Zufall oder Missverständnis verhindern könnten.



    Und wohin Manöver in Reichweite eines Nachbarn führen können, wissen wir spätestens seit Russlands Überfall auf die Ukraine.

  • Was wollte Frau Pelosi auf Taiwan, das von den USA ja ebenfalls nicht als souveräner Staat anerkannt wird? Ich kann eigentlich nur Provokation erkennen. Ohne Provokationen könnten Chinesen und Taiwanesen ruhiger leben.

    • @Kappert Joachim:

      du hast völlig recht



      es reicht ja schon wenn Taiwanesen so provokant sind und in einer freien Demokratie leben wollen.



      die sind ja noch schlimmer als Ukrainer, die auch nur einen freien souveränen Staat haben wollen

  • Ich würde mir genauer überlegen, was ich eigentlich will. Mit einem mitte-rechts lastigen Schwurbelkommando brauchen wir gegen China nicht antreten.

  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    "Genau jene ­Öffentlichkeit ist die Voraussetzung dafür, dass die internationale Staatengemeinschaft im Ernstfall einer chinesischen Invasion nicht gleichgültig zuschauen würde."

    Stimmt! Allerdings hat das den Tibetern, den Hongkongern und den Uiguren nichts gebracht. Auch die schleichende Invasion in Afrika oder auch Sri Lanka blieb nicht unbemerkt. Von der Covid-Pandemie, die Xi hätte verhindern können, ganz zu schweigen!

    Was soll`s, Hauptsache die Geschäfte laufen weiter. Ein Riesenfehler, für den wir letztlich teuer bezahlen werden. Nur ist die "Art der Bezahlung" noch nicht klar.

    • @17900 (Profil gelöscht):

      Taiwan ist eine Insel - weit schwerer zu erobern und vom Meer her für jede Unterstützung zugänglich. Eine Invasionsflotte hätte wahrscheinlcih auch ohene US-Eingriff keinen leichten Weg vom Festland nach Formosa, es sei denn man schießt vorher die ganze Insel und ihre Bewohner sturmreif, wo dann wieder die USA vor wären. Tibet und die Uigurengebiete hingegen könnte man gegen China nur auf beschwerlichesten Wegen schützen.

      Davon abgesehen hat Taiwan eine andere historische Rolle. Es ist der Zufluchtsort Derer, die bei Maos Machtübernahme IHRE Macht verloren und Jener, die Mao bewusst den Rücken gekehrt haben. Die Außenbindung ist da einfach stärker.

    • @17900 (Profil gelöscht):

      Ja, die Amis bekommen jetzt doch recht kalte Fuesse, wenn sie beobachten müssen, dass ihnen China global gesehen mittlerweile ökonomisch und geopolitisch den Rang abläuft ... die aussenpolitische Kraftmeierei hinsichtlich Taiwans entspringt daher schierer Verzweiflung, China hingegen kann sich das locker leisten.



      Innenpolitisch gehen die USA turbulenten Zeiten entgegen, wirtschaftlich stehen sie auf tönernen Fuessen und jetzt noch die Ukraine als Milliarden-Dollar-Grab ... irgendwann sind auch die Ressourcen einer Weltmacht erschöpft. Eine "zweite Front" im Pazifik können sich die USA von daher eigentlich nicht leisten ... und wir Europäer schon mal gar nicht. Das weiß auch Xi.