piwik no script img

Kritik an Fake von JournalistenmordArmer Herr Steinmeier

Der in der Ukraine vom Geheimdienst vorgetäuschte Babtschenko-Mord untergräbt die Glaubwürdigkeit der Behörden. Die sehen das aber nicht so.

Ob das so eine gute Idee war? Foto: dpa

Kiew taz | Während ukrainische Politiker und Behörden den Inlandsgeheimdienst SBU für die Aktion mit dem russischen Journalisten Arkadi Babtschenko loben, findet sich in den sozialen Netzwerken kaum ein lobendes Wort für den SBU. Der Kreml-Kritiker Babtschenko war am Dienstag erst zum Todesopfer eines mutmaßlich russischen Attentates erklärt worden, um dann am Mittwoch der Presse quicklebendig präsentiert zu werden.

„Ich bedanke mich beim SBU für die glänzende Operation, mit der sie das Leben des russischen Journalisten Arkadi Babtschenko gerettet hat“, schreibt Präsident Poroschenko auf Facebok. „Die ukrainischen Rechtsschutzorgane werden von Tag zu Tag stärker in ihrer Gegenwehr gegen die russische Aggression.“ Zugleich kündigte Poroschenko einen 24-stündigen Personenschutz für Babtschenko an.

Auch der nationalistische Abgeordnete Igor Mossijtschuk gratulierte SBU und Bundespolizei. Die Generalstaatsanwaltschaft sah sich veranlasst, noch einmal den Sinn der Operation zu erklären. So war der als Killer angeheuerte Mann offensichtlich mit den ukrainischen Behörden vorab in Kontakt getreten. Mit dem fingierten Mord wollte der SBU den Auftraggeber zur Kontaktaufnahme mit dem Killer zwingen und ihm eine Liste von 30 Todeskandidaten entlocken.

„Mir tut vor allem Herr Steinmeier leid“, schreibt ein German Glebovitsch auf Facebook. „Der hatte alles geglaubt. Doch mit diesem Vorfall dürfte der Vertrauenskredit von Steinmeier für die Ukraine wohl aufgebraucht sein“, so Glebovitsch. Er spielte auf eine Rede Steinmeiers in Kiew an, in der dieser den „brutalen Mord“ an Babtschenko verurteilt hatte. Viel zu viele Fake-Shows habe man schon von Ministern serviert bekommen, so Glebovitsch. „Es hat fast den Anschein, als sind die meisten ihrer pathetischen Äußerungen einfach nur Lügen.“

Einer Olga Rosumenko, die stolz erklärt „unsere Geheimdienstler sind klasse Leute“ erwidert eine Zrazhevska Nina auf Facebook: „Was ist denn so klasse an diesen Jungs? Dass sie die ganze Welt an der Nase herumgeführt haben? Und wer wird jetzt noch glauben, dass tatsächlich ein Mord geplant war?“

Ein Bier und ein Schlag ins Gesicht

„Arkadi, du Dummkopf, du sollst 100 Jahre leben. Und ab heute trinke ich Bier nur noch auf deine Kosten – für all meine Tränen“, schreibt Roman Zimbaljuk, Korrespondent der ukrainischen Nachrichtenagentur Unian in Moskau in einem Tweet. „Irgendjemand bekommt heute einen heftigen Schlag in sein Gesicht“, kommentierte wenig wohlwollend die Gründerin des Internetportals Zaborona.com die Nachricht von der Auferstehung ihres Kollegen.

In der Tageszeitung KP erklärt der Politologe Alexej Jakubin, dass die Weltgemeinschaft diese Aktion nicht „superpositiv“ aufnehmen werde. Das sei ein Versuch von Generalstaatsanwalt Luzenko und SBU-Chef Grizak gewesen, ihren Stellenwert in der Machtelite nach oben zu treiben. „Doch wir haben gesehen, wie leicht es für die Geheimdienste ist, die öffentliche Meinung zu manipulieren, sogar dann, wenn es um Leben und Tod geht.“ Letztlich könne dieses „grausame Spiel“ zu einem Vertrauensverlust führen.

Wer wird jetzt noch glauben, dass tatsächlich ein Mord geplant war?

Facebookuserin

Ein Konstantin Narimanidse ärgert sich über die mangelnde Empathie des Geheimdienstes für all diejenigen, die bei der Nachricht vom Tod des Journalisten getrauert hatten. Niemand habe sich die Mühe gemacht, sich bei den Millionen Menschen für das ihnen zugefügte seelische Leid zu entschuldigen.

Arkadi Babtschenko, so scheint es, wird indes nicht von Selbstzweifeln geplagt. „Gott, bin ich froh, dass ich nicht mehr Zielscheibe bin“, schreibt er auf Facebook. „Ich gehe, lächle, es ist gut. Ich bin zufriiiiiiiieden.“ Doch lange werde dieser entspannte Zustand nicht anhalten, schreibt er weiter. Irgendwann in einigen Monaten werde ihm wohl wieder ein Mordversuch drohen, meint er. Fragt sich nur, ob man es dann noch glauben wird.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Wie Oma schon reimte: Wer einmal lügt…

     

    Arkadi Babtschenko scheint einmal zu oft in Lebensgefahr geraten zu sein. An seinem Beispiel sieht man einmal mehr recht plakativ, dass es die strahlenden Helden, die wir aus Märchenbüchern und von Gedenkveranstaltungen kennen, nicht gibt und auch nicht geben kann.

     

    Jeder Angriff auf die persönliche Integrität eines Menschen schadet seiner Psyche und untergräbt seine Moral. Am Ende ist dem, der ums Überleben kämpft, (beinahe) jedes Mittel recht, die (vermeintliche oder tatsächliche) Sicherheit, die er für das Gefühl der Freiheit braucht, halbwegs (wieder-)herzustellen. Auf eventuelle Kollateralschäden kann und will er häufig keine Rücksicht nehmen.

     

    Kriege sind Mist, denn die Aufrichtigkeit und ihr Baby, das Vertrauen, sterben darin immer zuerst. Wer Kriege sucht, sollte das reflektieren, und zwar permanent. Merke: Hineingeraten kann man leicht. Unbeschadet wieder rauszukommen, ist sehr viel schwieriger.

     

    Gesagt haben soll Akardie Babtschenko immer wieder, dass Kriege keine Lösung sind. Leider scheint er sein Wissen nicht auf Propagandakriege übertragen zu können. Zumindest nicht in solchen Fällen, in dem es um sein eigenes Leben geht.