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Kritik am Verhalten in CoronapandemieUnsolidarische Bauern

Die niedersächsische Agrarministerin kritisiert, dass Landwirte Ferkel importiert haben. Deutsche Höfe dagegen wurden ihre Tiere nicht los.

Ferkel zu importieren, obwohl deutsche Bauern ihre Tiere nicht loswerden, soll unsolidarisch sein Foto: Mohssen Assanimoghaddam/dpa

Berlin taz | Niedersachsens Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast hat manchen Schweinehaltern mangelnde Solidarität in der Coronapandemie vorgeworfen. „So ist es für mich schwer nachvollziehbar, warum im letzten Monat noch mehr als 400.000 Mastferkel aus Dänemark und den Niederlanden in niedersächsischen Tierhaltungen aufgestallt wurden, während zahlreiche niedersächsische Sauenhalter keine Abnehmer mehr für ihre Tiere fanden“, sagte die CDU-Politikerin am Donnerstag in Hannover. Der Bauernverband Landvolk rechtfertigte das Verhalten der Mäster: Lieferverträge „können eben mal nicht – wie eine Amazon-Bestellung – storniert und abrupt beendet werden“, schrieb eine Sprecherin der taz. Nirgendwo in Deutschland werden mehr Schweine gehalten als in Niedersachsen.

Otte-Kinast rief die Bauern auf, ihre Produktion zu drosseln, weil die Schlachthöfe vermutlich längere Zeit weniger Tiere abnehmen würden als normalerweise. Den Tränen nahe ergänzte die Ministerin im Landtag: „Mich erreichen Telefonate von weinenden Männern und Frauen, die nicht mehr ein und aus wissen, die sagen, ich töte meine Schweine und ich werde mich umbringen.“ Otte-Kinast forderte, dass ausnahmsweise auch an Sonn- und Feiertagen geschlachtet werden darf.

Der Landkreis Emsland hatte verfügt, dass der Schlachthof des Marktführers Tönnies in Sögel wegen über 100 Corona-infizierten Beschäftigten ab Sonntag für mehr als drei Wochen geschlossen wird. Auch in einem Schlachthof des Konkurrenten Vion in Emstek (Landkreis Cloppenburg) gibt es mehr als 60 Coronafälle. Beide Betriebe haben laut Otte-Kinast etwa 40 Prozent der Schweine-Schlachtkapazität in Niedersachsen.

Tönnies wehrt sich gerichtlich gegen die Schließung seines Schlachthofs, da das Unternehmen bereits Maßnahmen zum Schutz vor neuen Infektionen ergriffen habe. Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) dagegen teilte der taz mit: „Wenn die Lüftungsanlage umgebaut werden muss, um die Beschäftigten zu schützen, dann muss man den Laden eben dichtmachen, bis das passiert ist.“ Angesichts immer neuer Corona-Ausbrüche sei zu bezweifeln, ob die Fleischkonzerne alles Nötige tun, um die Beschäftigten wirksam zu schützen.

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9 Kommentare

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  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    "Nirgendwo in Deutschland werden mehr Schweine gehalten als in Niedersachsen.l"

    Und genau das muss sich radikal ändern! Das Gülle-Klo der Nation. Sind wir denn total bescheuert?

  • Zitat: „Mich erreichen Telefonate von weinenden Männern und Frauen, die nicht mehr ein und aus wissen, die sagen, ich töte meine Schweine und ich werde mich umbringen.“

    Diese Scheinheiligkeit finde ich echt zum Kotzen. Wenn diese Ministerin wirklich geglaubt hat, sie bräuchte keine Verantwortung übernehmen für die Folgen der von ihren Parteikollegen und deren Partnern getroffenen Entscheidungen, ist sie eine komplette Fehlbesetzung. Ihr Versuch, sich nur die damit verbundenen positiven Folgen an die Fahne zu heften und die negativen Konsequenzen für ihren Zuständigkeitsbereich einfach mal den Betroffenen aufhalsen, die dann ihrerseits für Vertragsbrüche zur Verantwortung gezogen werden können, ist ebenso dummdreist wie durchschaubar.

    Auf die Tränendrüse zu drücken, mag in einem Kinderzimmer funktionieren. Aber die Schweinemast ist ein knallhartes Geschäft. Eins, dessen Regeln die Ministerin schon lange hätte ändern (lassen) müssen, wenn ihr wirklich etwas gelegen ist am Wohl von Tieren und Menschen. Vor dieser Aufgabe allerdings hat sie sich bisher erfolgreich gedrückt.

    So ein Verhalten mag zwar auch an anderer Stelle in der deutschen Gesellschaft durchaus üblich sein, falsch ist es aber trotzdem. Auch und gerade in Coronazeiten.

  • Wenn es für die ns. Landwirtschaftsministerin nur schwer nachvollziehbar ist, warum sie Mastferkel aus dem Ausland und nicht aus Deutschland aufgestallt wurden, dann sollte sie sich schleunigst einen anderen Job suchen, vlt. bei der DB.



    Verträge, Preise und Qualität bestimmen das Geschäft, nicht natinalistische Solidarität.

  • Der Export von Ferkeln aus Dänemark und den Niederlanden und anderen Ländern wird ab 2021 noch viel stärker ansteigen. Ab den 1.1.2021 dürfen Ferkel in Deutschland nur unter Narkose kastriert werden, in den anderen Ländern ohne. Dennoch kann kein Verbraucher danach feststellen wo ein Ferkel geboren wurde, da diese Ferkel genauso unter jedes Qualitätsprogramm für Fleisch fallen. Es bedeutet nur die Verschiebung der Ferkelerzeugung ins Ausland.

  • Das kommt davon wenn man sich dem EU Subventionsregime eines aufgeblasenen Marktes unterordnet.

    Mein Mitleid ist begrenzt.

  • Bauern oder Tierindustrielle, um wen geht es hier?



    Dann kann ich mir überlegen, ob mir das für die Betroffenen Leid tut.



    Könnte die taz bitte mal anfangen, da zu unterscheiden? Ist überfälluig.

    • @nelly_m:

      Welchen Unterschied macht das im Spätkapitalismus? Wer ist nicht mit dem System verstrickt und hat pures reines Mitleid "verdient"? Wer ist ausschließlich getrieben aber kein Profiteur, zumal in Doitschland? Mir tut es schon auch leid, wenn Leute von Kapitalismus ins Gesicht geschlagen werden, aber nicht einmal ansatzweise in der Lage sind, sich selbst zu erklären, was ihnen widerfährt, einfach weil ihnen das nötige Wissen fehlt..

    • @nelly_m:

      Und noch ne Frage: gehört das wirklich in Rubrik ÖKO? Bezweifle ich doch stark.

      • @nelly_m:

        Darum heißt die Rubrik ja auch "Öko/ Ökonomie".

        Auch der Biomilchbauer melkt nicht mit der Hand, und der Öko-Sojabauer erntet nicht mit der Sense.

        Die Unterscheidung ist da also schwierig begründbar.