Kriterien für nachhaltigen Wasserstoff: Grün und fair muss er sein
Grüner Wasserstoff soll die deutsche Wirtschaft unabhängiger machen. Damit er wirklich nachhaltig ist, fordern Umweltverbände klare Regeln.
Die EU-Komission hat deshalb am Mittwoch eine Erweiterung der EU-Richtlinie für erneuerbare Energien vorgestellt, in der Kriterien definiert werden, die Wasserstoff erfüllen muss, um als grün gelten zu dürfen.
Laut diesen müssen Unternehmen nachweisen, dass der für die Elektrolyse verwendete Strom aus erneuerbaren Quellen stammt und in derselben Stunde produziert wurde wie der anschließend daraus elektrolysierte Wasserstoff. Weiterhin müssen die Anlagen, die den Strom liefern, zusätzlich zu den bereits bestehenden errichtet werden. So soll garantiert werden, dass die Wasser-stoffproduktion nicht erneuerbare Energie verbraucht, die dann an anderer Stelle fehlt und dort durch fossile ersetzt wird.
Parallel dazu hat eine breite Allianz aus Umwelt- und Entwicklungs-verbänden, darunter der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Brot für die Welt und Heinrich-Böll-Stiftung, am Mittwoch mit Blick auf den anstehenden G7-Gipfel in Elmau ein Forderungspapier vorgestellt. Darin fordern die Verbände entsprechende Kriterien nicht nur für die EU, sondern international.
Erzeugerländer melden Bedenken an
Wasserstoff werde zukünftig zu einem großen Teil nicht in der EU, sondern in Ländern des globalen Südens hergestellt, darunter Südafrika, Chile, Argentinien, Brasilien, Kolumbien, Marokko und Tunesien. Der gigantische entstehende Markt stelle eine neue Nord-Süd-Wirtschaftsbeziehung dar. Die Allianz fordert, diese „auf eine neue, nachhaltige und gerechte Grundlage zu stellen.“
Die Forderungen schließen sich dem von der EU-Kommission formulierten Zusätzlichkeitskriterium an. Das heißt, der Ausbau von erneuerbaren Energien zur lokalen Versorgung dürfe nicht durch die Wasserstoffproduktion für den Export aufgefressen werden.
Weiterhin müssten Eingriffe in die Natur gering gehalten, Land-, Weide- und Wassernutzungsrechte respektiert und zudem Arbeitsplätze und Know-How für die lokalen Gemeinschaften zugänglich gemacht werden, betont Verena Graichen, stellvertretende Vorsitzende des BUND. „Die Erzeugerländer haben Sorge, dass es zu einer grünen Landnahme kommt“, so Jörg Haas, Referent für internationale Politik bei der Heinrich-Böll-Stiftung.
Zudem müssten etwa neue Pipelines in Deutschland die bevorste-hende Umstellung auf Wasserstoff berücksichtigen, fordert Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe. Fossile Infrastruktur müsse umrüstbar sein, hierfür brauche es klare Regeln. Dazu seien eine genaue Bedarfsplanung und eine Aktuali-sierung der nationalen Wasserstoffstrategie nötig. Neben Pipelines müssten auch Strukturen für Importe per Schiff errichtet werden.
Wasserstoffbranche kritisiert Regeln
„Wir begrüßen die Kriterien der EU“, sagt Oliver Powalla, Referent für Energie und Klima beim BUND, „es müssen allerdings nicht nur in Europa, sondern international einheitliche Regeln für die Wasserstoffproduktion formuliert werden“. Die G7 sei ein geeignetes Gremium, eine solche Verständigung zu initiieren.
Vertreter*innen der gerade entstehenden Wasserstoffbranche war-nen, die Kriterien der EU-Kommission seien zu streng, schränkten die Wettbewerbsfähigkeit und damit den zügigen Aufbau der Branche ein. Sie erscheinen allerdings als durchaus sinnvoll, zielen sie doch darauf ab, dass die Produktion auch tatsächlich aus zusätzlichen erneuerbaren Kapazitäten gespeist wird.
Nur dann hat die Umstellung auf den neuen Energieträger auch einen positiven Effekt auf die Klimabilanz. Für einen fairen internationalen Wettbewerb nach dem Prinzip der Klimaneutralität könnten unterdessen die globalen Standards sorgen, die die Umweltverbände von der G7 fordern.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Vorschläge für bessere Schulen
Mehr Führerschein wagen