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Krise in der UkraineDrei Ausländer im neuen Kabinett

Das Parlament in Kiew stimmt für eine Fünferkoalition. Premier Jazenjuk kündigt radikale Veränderungen an. Und die Waffenruhe im Donbass hält nur wenige Stunden.

Regierungschef Arseni Jazenjuk will vieles ändern. Bild: dpa

KIEW afp/ap/taz | Einen Monat nach den Parlamentswahlen hat die Ukraine eine neue Regierung. Der Koalitionsregierung aus fünf Parteien, der am Dienstag 288 von 339 anwesenden Abgeordneten zustimmten, werden erstmals in der Geschichte des Landes auch drei Ausländer angehören. So wird die gebürtige Amerikanerin Natalie Jaresko, die zuvor für das US-Außenministerium gearbeitet hatte, neue Finanzministerin. Der Litauer Aivaras Abromavicius, bislang Partner der Investment-Firma East Capital, leitet das Wirtschaftsressort. Der Georgier Alexander Kwitaschwili wird Gesundheitsminister. Alle drei wurden im Eilverfahren eingebürgert.

Das Hauptproblem der Regierung wird sein, schnellstmöglich gegen einen Kollaps der nationalen Wirtschaft vorzugehen. Zudem stehen der Kampf gegen Korruption und eine Neuausrichtung in Richtung Europa auf der Agenda des Kabinetts.

Das Land sei ermüdet vom Krieg mit den prorussischen Separatisten im Osten des Landes und von der Aggression vonseiten des russischen Militärs, sagte Regierungschef Arsenij Jazenjuk vor der Abstimmung. Die Regierung sei bereit für radikale und harte Veränderungen. „Diese Mission wird zu einem Ende geführt werden.“ Jazenjuk sagte weiter, dass Sozialausgaben in diesem Jahr um 300 Millionen Dollar gesenkt worden seien und dass dieser Trend sich fortsetzen werde.

Der 40-jährige Jazenjuk führt die Regierung bereits seit Februar. Neben ihm wurden auch einige weitere Mitglieder des bisherigen Kabinetts bestätigt, wie etwa Verteidigungsminister Stepan Poltorak und Außenminister Pawel Klimkin.

Gegegenseite Schuldzuweisungen

Unterdessen ist die gerade erst vereinbarte Waffenruhe für den seit Monaten umkämpften Flughafen im ostukrainischen Donezk schon nach wenigen Stunden wieder gebrochen worden. Am Mittwoch erschütterte Artilleriefeuer die Flughafenumgebung, wie AFP-Journalisten berichteten. Auch Raketen vom Typ Grad wurden abgeschossen, allem Anschein nach von Rebellenstellungen aus. Die ukrainische Regierungsarmee beschuldigte die prorussischen Separatisten, die Waffenruhe einseitig gebrochen zu haben. Diese wiesen den Vorwurf zurück. Zu möglichen Opfern gab es zunächst keine Angaben.

Armeesprecher Andrej Lyssenko sagte der Nachrichtenagentur AFP, die Rebellen hätten ihre Geschütze nur während der Verhandlungen über die Waffenruhe am Dienstag schweigen lassen. Später hätten sie dann aber wieder das Feuer eröffnet. „Leider wird die Kampfpause nicht respektiert“, sagte Lyssenko. „Die Angriffe auf den Flughafen und auf ukrainische Stellungen wurden wieder aufgenommen.“

Die Aufständischen wiesen dies als Falschbehauptung zurück, von einem organisierten Angriff auf das Flughafengelände nördlich der Großstadt Donezk könne keine Rede sein. „Unsere Seite respektiert die Waffenruhe“ ein Rebellenkommandeur. AFP-Journalisten sahen allerdings vier Rebellenfahrzeuge auf der Straße zum Flughafen, die Grad-Raketen geladen hatten. Ranghohe Militärvertreter der Ukraine und Russlands hatten die Waffenruhe am Dienstag ausgehandelt. Die Separatisten stimmten der Kampfpause bei einem separaten Treffen zu. Seit Dienstagabend hätten die Waffen schweigen sollen.

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11 Kommentare

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  • Die andere Seite der Medaille. Während der Westen Annektion 2.0 betreibt, in der der Rada wieder richtig hingelangt wird, blüht der STASICIA Staat auf. Und Faschisten (die es in der ukrainischen Regierung ja nicht gibt) also Phantome, suchen sich ihre Bürger aus. Zitat:

    In der Obersten Rada wurde ein Gesetzesprojekt registriert, das den Entzug der Staatsbürgerschaft der Ukraine für Personen vorsieht, die Vergehen gegen die Staatssicherheit begangen haben. Darüber informiert der Pressedienst des Parlaments. Ziel des Gesetzesprojekts „ist die Verteidigung der Interessen des Staates und der Gesellschaft gegen negatives Wirken von Personen, die Vergehen gegen die Grundlagen der Staatssicherheit des Landes begangen haben“. In dem Dokument ist „der Entzug der Staatsbürgerschaft der Ukraine für Personen aufgrund von Vergehen, die mit einem Angriff auf die territoriale Integrität und Unantastbarkeit der Ukraine, Hochverrat, Diversion, Spionage verbunden sind, vorgesehen, falls dies von einem Gerichtshof festgestellt wird“. Autoren des Gesetzesprojekts sind sieben nicht-fraktionsgebundene Abgeordnete – Mitglieder der nationalistischen Partei „Swoboda“.

  • Schon erstaunlich, dass hier plötzlich Leute in der Regierung sind, die nie vom Volk gewählt wurden.

    Auch lustig, dass die drei Minister nicht einmal die Ukrainische Sprache verstehen (http://german.ruvr.ru/news/2014_12_06/Die-Kolonialregierung-der-Ukraine-8205/).

    Das wird bestimmt noch lustig beim Regieren und bei Ansprachen.

    Als Ukrainer würde ich mich jedenfalls ziemlich verarscht fühlen.

    • @exigent-x:

      Apropos Sprachkenntnisse: Grinsen mußte ich, als ich las, daß während der ersten Kabinettsitzung auf Russisch "umgeschaltet" werden mußte, da der neue Gesundheitsminister aus Georgien weder Jazenjuks Englisch noch Ukrainisch verstand.

  • Man geht auch bei der taz so schnell hinweg über die Tatsache,dass hier westliche Marionettenpolitiker in die Ukrainische Regierung eingeschleust werden.Dreist nenne ich sowas.

    Das müsste einen Aufschrei in der Presse geben.

  • Polen auf "Urlaub" ? Zitat: Streitkräfte Novorossias zerstörte am 2. Dezember das Hauptquartier einer privaten polnischen Söldnertruppe, die sich der „ATO“ angeschlossen hatte, in der Nähe von Wolnowacha. Dabei sei auch ein Munitionslager zerstört worden. Nach vorläufigen Angaben der Aufklärung lägen die Verluste des Gegners bei 100 oder mehr Personen, berichtete ein Milizionär in sozialen Netzwerken. Der Leiter des militärischen Nachrichtendienstes der DVR, Sergej Petrowski, bestätigte diese Information. http://novorossia.su/sites/default/files/peski._vzryv_btr_600_2.jpg"

    Weitere Ausländer die es gut mit der Ukraine - den Ukrainern meinen oder folgen nun US/EU Sanktionen gegen Polen...

  • Zur faktischen Entmündigung der Ukrainer!

     

    Eine sozialökonomische und gesellschaftspolitische Entmündigung und Unterwerfung der Ukrainer? -- über Kiew.

     

    Die Entmündigung der Ukrainer schreitet offenbar in großen Washingtoner CIA- und Berliner BND- Schritten voran!

     

    Bei einer Gesamtbevölkerung von mehr als 40-Millionen, da bedarf es doch keiner nordamerikanischen Staatsbürgerin für den Posten einer (ukrainischen) Finanzministerin? Frau Natalie Jaresko, amerikanische Staatsbeamtin, vormals im Außenministerium der Vereinigten Staaten von Amerika, nun, als Finanzministerin der Ukraine?

     

    Ebensowenig bedarf es eines Aivaras Abromavicius, eines Spekulanten aus dem Investment Unternehmen East Capital, fürs (ukrainische) Wirtschafts- und Ausverkaufsressort? Auch nicht eines Alexander Kwitaschwili, als eines ebenso frisch eingebürgerten Gesundheitsministers für die Ukraine?

     

    Da sich die bundesdeutschen Systemmedien, insbesondere des öffentlich-rechtlichen ARD-ZDF-BND, in der Hauptsache auf ihren 'Maidan', auf ihre 'Krim' und auf ihre 'Ostukraine' konzentrierten, da bleibt eine mögliche Frage unbeantwortet: War überhaupt bei der Regierungsbildung -- in Kiew -- die ukrainische (mündige) Erwachsenenbevölkerung beteiligt?

     

    Die irrationale Euphorie für das mitteleuropäische Konsumparadies der Europäischen Union und für die nordamerikanischen Menschen- und Westernrechte, die kann doch nicht so groß in den Köpfen der Erwachsenenbevölkerung [-- wie historisch in Ostdeutschland 1989/90 --] gewesen sein, dass man jeden geopolitischen und wirtschaftspolitischen Lumpen in eine "freiheitliche", "demokratische" und "menschenrechtliche" Regierung der Ukraine aufnimmt?

     

    {...}

     

    Oder reicht auch hier schon der Segen der ukrainischen Kirchen für den nationalen (ukrainischen) Ausverkauf aus?

  • wie pervers ist dies denn, dieser Satz sagt doch alles, aber über Putin meckern, jetzt wird die Ukraine aufgeteilt...,

     

    " So wird die gebürtige Amerikanerin Natalie Jaresko, die zuvor für das US-Außenministerium gearbeitet hatte, neue Finanzministerin. "

  • "Wenn diese Maidanisten, die sich diese NATO-Marionetten gewählt haben, bald über Sozialkürzungen jammern, sollte man kein Mitleid haben: Ihr habt es so gewollt..."

     

    Nach den ersten großen Demonstrationen sank die Zahl der "Maidanisten" recht schnell auf ca. 50.000. So toll war das also nicht. Leider haben die meisten geschwiegen. Vielleicht in der Hoffnung, dass doch irgendwie etwas Gutes dabei heraus kommt. Die Endrechnung bekommen sie jetzt, nachdem kein Wahlkampf mehr gemacht werden muss. Jetzt wird sich zeigen, dass die Wahlkampfversprechen von substanzieller westlicher Hilfe Lügen waren (zu teuer).

  • Der Georgien-Import hat bereits in seiner Heimat das Gesundheitswesen privatisiert.

    Wenn diese Maidanisten, die sich diese NATO-Marionetten gewählt haben, bald über Sozialkürzungen jammern, sollte man kein Mitleid haben: Ihr habt es so gewollt...

  • Der Staat Ukraine und die Regierung als Nato-Beute!

     

    Warum nehmen die Regierungsoligarchen nicht ihren Schokoladenkönig und Milliardär in die Zange. Nutzten sie doch das Ende der UdSSR, um sich die verwertbaren Teile (nicht nur) in der Ukraine unter den Nagel zu reißen. Statt dessen, so wie in jeder Klassengesellschaft, müssen die unteren sozialen und werktätigen Schichten die Rechnung begleichen und die Täter/innen verschieben ihre Dividenden aus Ausplünderung und Ausbeutung in die westlichen Steuer- und Vermögensoasen. Natürlich, auch bei Regierungsoligarchen geht es vor allem um die persönliche Bereicherung. So schließt sich der Wendekreis.

  • „Die Regierung sei bereit für radikale und harte Veränderungen.“

     

    „Jazenjuk sagte weiter, dass Sozialausgaben in diesem Jahr um 300 Millionen Dollar gesenkt worden seien und dass dieser Trend sich fortsetzen werde. „

     

    Sind das die radikalen und harten Veränderungen? Das man den so und so schon armen Normalbürgern auch noch die letzte kleine Unterstützung streicht? Das sie bluten müssen, damit sich die Oligarchen weiter ungeniert die Taschen voll stopfen können?

     

    Das sind keine Veränderungen. Das ist nur die Vorsetzung der Politik seit der Unabhängigkeit mit radikaleren Mitteln. Und eine vom US-Außenministerium abgestellte Beamtin wird gleich noch zur Überwachung mitgeliefert. Nicht das sich alte „sozialistische“ Sozialstaatsgedanken aus Westeuropa in der Ukraine verbreiten. Das würde die wahre Freiheit der unbegrenzten Bereicherung durch Wenige auf Kosten der Mehrheit bedrohen. Jetzt braucht man in Kiew nur noch einen Moderator von FOX NEWS und die Menschen glauben dann auch noch, dass sie im tollsten Land der Welt leben…