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Krise der ZulieferindustrieProteste gegen Schrumpfkurs bei Bosch

Mit einem historisch großen Stellenabbau will Bosch konkurrenzfähiger werden. Dagegen kündigt der Betriebsrat einen „extrem heißen Herbst“ an.

Waiblinghen, 26. September: Mitarbeiter.innen protestieren gegen die geplanten Stellenstreichungen beim Zulieferer BOSCH Foto: Jason Tschepljakow/dpa

Karlsruhe taz | Betriebsrat und IG Metall haben gegen die Ankündigung von Bosch protestiert, bis 2030 rund 13.000 Stellen beim weltgrößten Autozulieferer abzubauen. „Einen Personalabbau dieser historischen Größenordnung – ohne gleichzeitige Zusagen zur Sicherung unserer Standorte in Deutschland – lehnen wir entschieden ab“, sagte Betriebsratschef Frank Sell. Er kündigte einen „extrem heißen Herbst“ der Proteste an.

Am Donnerstag hatte Bosch Einsparungen bei der Mobilitysparte des Konzerns an vier Standorten in Baden-Württemberg und Homburg im Saarland angekündigt. Als Grund für die Kürzungen nannte der Konzern Gewinnverluste durch internationale Konkurrenz. Außerdem verwies Bosch auf die verhaltene Nachfrage am Automarkt vor allem in Deutschland und auf den zu langsamen Markthochlauf von Elektromobilität, automatisiertem Fahren und Wasserstoffantrieben. Insgesamt müssten Kosten in Höhe von 2,5 Milliarden eingespart werden, erklärte Arbeitsdirektor Stefan Grosch.

Die Ankündigung der Konzernleitung löste bei der bereits krisenerprobten Belegschaft einen Schock aus. Er habe mit Gewitterwolken gerechnet, aber nicht mit einem Orkan, sagte ein Betriebsrat.

Lange galt Bosch als sicherer Arbeitgeber. Doch schon seit längerem werden im Konzern weltweit Jobs abgebaut. Ende 2024 hatte der Konzern insgesamt fast 417.900 Beschäftigte – und damit bereits rund 11.600 weniger als ein Jahr zuvor. In Deutschland sank die Mitarbeiterzahl bereits um gut 4.500, ein Minus von 3,4 Prozent.

Schwindende Renditen

In der jetzt betroffenen Mobility-Sparte in Deutschland arbeiteten nach Angaben von Bosch zuletzt etwas über 70.000 Menschen. Dieser größte Geschäftsbereich des Konzerns macht mehr als 60 Prozent des Gesamtumsatzes in Höhe von gut 90 Milliarden Euro aus.

Der Stellenabbau soll ohne Kündigungen durch Abfindungsprogramme und freiwillige Kündigungen vonstatten gehen. Aber im Jahr 2027 endet die vereinbarte Frist, zu der betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen sind. Der Betriebsratsvorsitzende Sell forderte von der Geschäftsleitung, das Unternehmen wieder konkurrenzfähig zu machen und den Mitarbeitern damit eine Perspektive zu geben.

Auch die IG Metall kündigte Widerstand gegen die Maßnahmen an. Es gehe nicht nur um viele tausend Beschäftigte von Bosch, die ihren Arbeitsplatz verlieren, sagte IG-Metall-Vorsitzende Christiane Benner. „Es geht um deren Familien und es geht um Regionen, die Perspektive, Kaufkraft und Steuereinnahmen verlieren und um den Industriestandort als Ganzes.“

Der ist zuletzt von den strukturellen Veränderungen am Weltmarkt stark in Mitleidenschaft gezogen. Bosch-Konkurrent ZF Friedrichshafen hatte im Sommer einen Abbau von 14.000 Stellen angekündigt. Als Ursache nennen die Konzerne die schwindenden Renditen. Die größten Autobauer der Region, Mercedes-Benz und Porsche, hatten hohe Gewinneinbrüche hinnehmen müssen. Bei Mercedes-Benz fiel der Gewinn im ersten Halbjahr 2024 auf rund 2,7 Milliarden Euro (Vorjahr: 6,1 Milliarden Euro), bei Porsche im Quartal auf 154 Millionen Euro (Vorjahr: 1,7 Milliarden Euro). Insgesamt ist der Umsatz der Industrie allein im Südwesten 2024 um 2,3 Prozent gesunken.

Die gesamte Autoindustrie baut schon länger Personal ab. Nach Angaben des Verbandes der Automobilindustrie (VDA) verlor die Branche in den vergangenen zwei Jahren knapp 55.000 Arbeitsplätze in Deutschland. Die Beschäftigung sank damit um sieben Prozent auf 718.200 Mitarbeitende. Bei den Zulieferern war der Rückgang mit 11,5 Prozent auf 236.700 Beschäftigte besonders stark.

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7 Kommentare

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  • Es würde mich wundern, wenn es die „Werkstätte für Feinmechanik und Elektrotechnik“ nicht schafft, den strukturellen Umbruch im Mobilitätsgewerbe zu stemmen. Die Bedeutung von Elektrik und Elektronik im Fahrzeug wird zunehmen und nicht abnehmen und Bosch hat hier überdurchschnittliche Marktchancen. Dass es hier zwischendurch mal holprig wird, ist ganz normal in Zeiten des Wandels.

  • Woher soll das Geld kommen um diese Menschen weiter zu beschäftigen? Bosch ist nicht der Öffentliche Dienst, der auch ohne Bedarf immer finanziert wird. Das ist erst der Anfang, KI und Robotik werden noch viel mehr Jobs kosten.

  • Weg vom Diesel, mehr Fahrrad-Antriebe! 😄

    • @StarKruser:

      Als sie beim "Gate" beteiligt waren,



      Konnten sie dort Millionen "sparen",



      Sie schielen aber auf Profit,



      Da hält das Zweirad dann nicht mit.



      /



      www.dw.com/en/bosc...scandal/a-48843405



      /



      (Erinnerung verblasst sehr schnell:



      DUH schrieb "Betrugskartell")

  • Es tut mir leid für alle betroffenen Kolleg*innen nicht nur bei Bosch, aber das Menetekel steht schon seit Jahren an der Wand:

    Wenn ihr irgendwo rund um den Verbrenner-Antriebsstrang arbeitet, Leute, dann sucht euch neue Jobs! Und zwar jetzt, so lange ihr noch könnt, so lange es noch Alternativen gibt und Nischen in denen ihr vllt. Fuß fassen könnt!

    Egal ob Ingenieur für Abgasbetrug oder Werker für Getriebe beim Zulieferer oder Chemiker für Motoröle oder LKW-Fahrer der Diesel & Benzin an Tankstellen fährt… eure Jobs werden sehr bald schrumpfen und teilweise komplett verschwinden. Und weder kann jemand etwas dagegen tun, noch gibt es ausreichend Ersatz-Jobs. Selbst die "mutigen" Vorstöße von Merz, Weber & Co gegen das Verbrenner-Aus kaufen euch vielleicht ein, zwei Jahre, aber kein langfristiges Überleben der Jobs die am Verbrenner hängen. Also: Werdet jetzt aktiv, die Zeit läuft gegen euch!

    • @B. Iotox:

      Kommt ganz drauf an, wie es reguliert wird. Der Fehler war auf die reinen Elektro-Autos zu setzen... da war von vornherein klar, dass nur noch jeder 10te Job in dem Bereich benötigt wird.



      Es wurde versäumt ein Ersatz in D anzusiedeln, das rächt sich jetzt.

    • @B. Iotox:

      Das Management bei Bosch ist nicht blöd wie so mancher Kommentator meint. Kraftfahrzeugtechnik ist nur ein Teil des Mischkonzerns, ok. ca. 60%.



      Und es wird niemand entlassen sondern der Abbau erfolgt wie üblich durch Freiwilligkeit und mit Abfindungen und nicht wieder besetzen von Stellen wo Mitarbeiter in Rente gehen.



      Bosch gäbe es nicht seit 150 Jahren wenn das Management nicht gut wäre. Wenn eben im Moment wenig PKW (konventionell/elektrisch) verkauft werden, dann müssen sich Firmen eben anpassen.